Wirklich keine 'roten Linien' mehr

Kriegshetze eskaliert: Letten-Präsident will 'Russland auslöschen'

Welt
Bild: Ieva Ābele/Saeima, Flickr, CC BY-SA 2.0

Westliche Politiker reden mittlerweile frei Schnauze darüber, dass sie sich einen großen Krieg mit Russland durchaus vorstellen können. Dabei fällt sukzessive jede Hemmung, rote Linien gibt's keine mehr. Der lettische Präsident Edgars Rinkēvičs nimmt nun die Forderung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, auch NATO-Bodentruppen in die Ukraine zu entsenden, zum Anlass, den ultimativen Schritt anzudenken - nämlich die totale und vollständige Vernichtung bzw. Auslöschung Russlands.

Es gibt keine "roten Linien" mehr

Aktuell versuchen sich die Kriegstreiber wieder rhetorisch zu überbieten. Es begann vor etwa einem Monat mit der Forderung des CDU-Politikers Roderich Kiesewetter, den "Krieg nach Russland zu tragen". Kurz darauf folgte SPD-EU-Spitzenkandidatin Katarina Barley mit der Überlegung, die EU möge gemeinsam neue Atombomben zur Abschreckung anschaffen. Kurz darauf stellte der französische Präsident Emmanuel Macron die Entsendung von NATO-Bodentruppen in die Ukraine in den Raum. Wenige Tage später wurden die Planspiele öffentlich, in denen Bundeswehr-Offiziere darüber sinnierten, mit deutschen Marschflugkörpern russische Infrastruktur zu eliminieren. 

Der realpolitisch größte Dammbruch waren dabei die Macron-Aussagen. Denn kurz darauf sprang ihm der Wolfgang Ischinger, Ex-Chef der Münchner Sicherheitskonferenz bei - die Forderung sei "kühn, aber nicht falsch". Seitdem erklärten auch polnische und tschechische Spitzenpolitiker ihre Unterstützung für die Idee. Den Vogel schießt nun aber Edgards Rinkēvičs ab: Der lettische Staatspräsident schrieb auf X: "Ich unterstütze Macron vollständig. Wir sollten uns keine roten Linien setzen, sondern Russland rote Linien setzen. Wir sollten keine Angst davor haben, diese durchzudrücken. Die Ukraine muss gewinnen, Russland muss besiegt werden. Russia delenda est!"

Wie Karthago: Er will Russland "auslöschen"

Die brutalste Aussage ist dabei in Latein verpackt. Denn diese bedeutet wortwörtlich: "Russland muss ausgelöscht werden!" Sie bezieht sich auf den im Vorfeld des Dritten Punischen Krieges (149-146 v. Chr.) geradezu gebetsmühlenartig wiederholten Ausspruch des römischen Staatsmannes Cato der Ältere. Dieser beendete seine Reden im Senat, egal zu welchem Thema, stets mit der Losung: Ceterum censeo Carthaginem esse delendam - "Übrigens bin ich der Meinung, dass Karthago ausgelöscht werden muss." Seine Gegenspieler plädierten hingegen, die wichtige Kultur- und Handelsstadt in Nordafrika in den Kriegswirren zu verschonen. 

Letztendlich setzte sich allerdings Cato mit seiner radikalen Forderung durch - und die Folgen waren brutal. Die Stadt, die damals eine sechsstellige Bevölkerung beherbergte, wurde zerstört, geplündert und geschleift, etwa 50.000 Bewohner wurden gefangen genommen und versklavt. Erst 100 Jahre später entstand am Gebiet der ehemals blühenden Stadt wieder eine Siedlung. Wer solche Vorbilder bedient, ist also entweder geschichtsvergessen oder meint tatsächlich die völlige Zerstörung und Auslöschung Russlands - des flächengrößten Staates der Erde - und seiner Kulturgüter. Was mit seinen knapp 150 Mio. Menschen dann geschehen soll, bleibt offen. 

Historisch auch Aufruf zum Völkermord

Selbst wenn man nicht die "Maximalinterpretation" der Aussage hernimmt, zeigen andere historische Verwendungen, dass es zumindest um die Auflösung des Staates und/oder die Zerstörung seiner Macht geht. Ein württembergischer Politiker plädierte 1864 für die Auflösung Preußens als Gebilde ("Borussiam esse delendam"), da er dessen Macht als hinderlich für die deutsche Einigung sah. Mitunter meinte man damit aber sehr wohl die Tilgung eines ganzen Volkes aus der Geschichte. Die britische Zeitung "Sunday Review" forderte in den 1890er-Jahren angesichts des wirtschaftlich aufstrebenden vereinigten Deutschlands mehrfach: "Germania est delenda."

Ein Essay aus dem Jahr 1897 erklärte hierzu: "Wenn Deutschland morgen aus der Welt ausgelöscht wäre, so gäbe es übermorgen in der Welt keinen Engländer, der dadurch nicht reicher geworden wäre. [...] Nach getaner Arbeit würden wir Frankreich und Russland nur zu sagen brauchen: sucht euch Kompensationen, nehmt euch von Deutschland, was ihr wollt – ihr könnt es haben!" Schon ein Jahr zuvor las man im Blatt diese Sätze: "Wäre morgen jeder Deutsche beseitigt, so gäbe es kein englisches Geschäft noch irgendein englisches Unternehmen, das nicht zuwüchse. [...] Macht euch fertig zum Kampf mit Deutschland, denn Germania est delenda!"

+++ Folgt uns auf Telegram: t.me/DerStatus & auf Twitter/X: @derStatus_at +++

Dir gefällt unsere Arbeit? Unterstütze uns jetzt mit deiner Spende, damit wir weiterhin berichten können!

Kontoinhaber: JJMB Media GmbH
IBAN: AT03 1500 0043 9102 6418
BIC: OBKLAT2L
Verwendungszweck: Spende

Weitere Artikel, die Sie interessieren könnten