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Wenn Bauchgefühl echte Quellen sticht

Lügen für den Weltkrieg? Deutsche Eliten erfinden Putin-Großreich-Traum

Welt
Hintergrund: Freepik; Bodemann: PIZ TFK, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0; Putin: Kremlin.ru, Wikimedia Commons, CC BY 4.0; Komposition: Der Status.

Der gefräßige russische Bär, der sich nicht nur die zärtliche Ukraine, sondern gleich den ganzen Kontinent einverleiben will: Mit diesem Narrativ rechtfertigen die Kriegstreiber die fortwährende Aufrüstung nicht nur des Kiewer Regimes, sondern auch ihrer eigenen Armeen um teures Steuergeld. Dabei schreckt man nicht davor zurück, angebliche Zitate von Putin zu erfinden, die derartige Absichten belegen sollen. Kritische Journalisten, die nachhaken, beschimpft man hingegen. Dasselbe Schauspiel ereignet sich bei kritischen Nachfragen zu einem Vorfall rund um ein Kiewer Spital, den manche Kriegstreiber am Liebsten als Grund für ein NATO-Eingreifen sähen...

Erfundener Expansionismus stützt West-Narrativ

Erst kürzlich wurde ein "Operationsplan" für den Ernstfall vorgestellt. Gegenüber Medien plauderte General André Bodemann dabei aus dem Nähkästchen. Wie Der Status berichtete, soll Deutschland wieder verstärkt zum NATO-Aufmarschgebiet werden, wobei im Sinne einer totalen Kriegsführung im Konfliktfall auch zivile Organisationen und Firmen eingespannt werden. Man befinde sich ohnehin bereits in einem hybriden Zustand zwischen Frieden und Krieg, so Bodemann. Begründet werden solche Kriegs-Planspiele mit dem vermeintlichen Expansionswillen Russlands unter Putin, welches angeblich auch auf westeuropäische Länder schiele.

Tatsächlich finden sich bei genauere Recherche allerdings keine Belege für die Behauptung - im Gegenteil. Putin betonte immer wieder, dass er kein Interesse hat, NATO-Staaten anzugreifen oder deren Territorium einzuverleiben, auch vor einigen Monaten im Interview mit dem US-Journalisten Tucker Carlson. Vor einigen Jahren, als man noch nach guten Beziehungen mit Russland strebte, schrieben Mainstream-Medien noch, Putin habe kein Interesse an der Expansion auf Sowjetgröße. Doch Bodemann behauptet felsenfest das Gegenteil: "Putin hat gesagt, dass er das alte Gebiet der Sowjetunion wiederherstelle möchte - und dazu zählen eben auch die baltischen Staaten."

Bauchgefühl über "Raunereien", aber keine Quellen

Weil sich für diese Behauptung keine belastbaren Belege finden, fragte der Journalist Florian Warweg (NachDenkSeiten) in der Bundespressekonferenz kritisch nach, aus welcher Quelle ein derartiges Putin-Zitat stammen möge. Darauf erklärte Oberst Arne Collatz, der Sprecher des Verteidigungsministeriums, dass es sich nur um ein Bauchgefühl handelt: "Ich persönlich meine das schon an vielen Stellen in den Raunereien, die man von Putin so hört, wahrgenommen zu haben. Aber wenn Sie sich auf die direkten Quellen von General Bodemann beziehen, dann müssten Sie ihn schon selbst fragen."

Als Warweg ihn darauf hinwies, dass schon Grünen-Politiker Anton Hofreiter eine ähnliche Aussage in der TV-Talksendung von Markus Lanz nicht belegen konnte, eine saubere Quellenführung aufgrund des eskalativen Potenzials solcher Aussagen aber wichtig wäre, wurde Collatz schnippisch: "Na ja, nun bin ich ja nicht Ihr Recherchebeauftragter. Ich habe bei Ihren Kolleginnen und Kollegen schon viele von diesen Zitaten gelesen. Vielleicht bemühen Sie sich, bei den Kolleginnen und Kollegen, die bei der Recherche vielleicht ein bisschen begabter sind, Hilfe zu suchen."

Ukrainekrieg soll Weltmachtfantasien belegen

Christian Wagner, Sprecher des Baerbock-Außenministeriums legte mit einem Strohmann nach: "Dass die russische Regierung von der territorialen Integrität ihrer Nachbarländer im Moment nicht so wahnsinnig viel hält, sieht man ja nicht nur an dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine." Um dies zu erkennen, reiche ein Besuch im Telegram-Kanal  von Dimitri Medwedew, dem Vize-Vorsitzenden des russischen Sicherheitsrates. Warweg erinnerte daran, dass es um ein vermeintliches Putin-Zitat geht: "Was man in offen zugänglichen Quellen findet, besagt das Gegenteil, von dem was einer der ranghöchsten Bundeswehroffiziere öffentlich zu Wort gibt."

Für den Journalisten wäre Transparenz bei solch heiklen Themen oberstes Gebot: "Ich finde, das ist durchaus ein Thema, bei dem sich auch das Verteidigungsministerium um Quellenbeleg bemühen sollte, und ich glaube nicht, dass das meine Aufgabe ist. Ich habe das aber gemacht und wie gesagt, die Quellenlage geht in eine ganz andere Richtung." Worauf Collatz noch einmal das Wort ergreift und dreist zurückraunt: "Meine nicht." Man fasse die absurde Argumentation zusammen: Man hat angeblich gesicherte Quellen, kann oder will sie aber nicht preisgeben und verlässt sich rein aufs Bauchgefühl, dass eine solche Aussage irgendwie zu Putin passen würde...

Russland "zerstückeln" oder "auslöschen"?

Schließlich passt diese Deutung gut ins Narrativ, mit dem sich die milliardenschwere Aufrüstung der Ukraine samt Forderungen, den "Krieg nach Russland zu tragen" begründen lässt: Um diesmal auf der "richtigen Seite der Geschichte" zu stehen, muss man wieder mal mit Präventivschlägen gegen den bösen russischen Bären vorgehen. Dabei ist kein Argument zu blöd: Die designierte EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas verglich die Situation mit den 1930ern Jahren und Putin mit Hitler, den man stoppen müsse. Zudem träumt sie von der Zerstückelung Russlands in zahlreiche Zwergstaaten. Der lettische Präsident Edgars Rinkevics erklärt überhaupt, Russland "auslöschen" zu wollen.

Wird Spital-Vorfall zum Kriegsgrund?

Derartige Erzählungen werden dieser Tage endgültig salonfähig - Grund ist ein Raketenangriff, der ein Krankenhaus in Kiew beeinträchtigte, in dem auch Kinder lagen, die allerdings die Explosion anders als einige Erwachsene überlebten. Auch wenn die Umstände bislang nicht abschließend geklärt sind, ist man sich im Westen sofort einig: Putin sei ein Kindermörder und Kriegsverbrecher. Den Vogel schoss dabei Dick Berlijn, Ex-Armeechef der Niederlande, ab. Er retweetete ein Bild mit einem Mutter-Tochter-Gespann aus einer Werbung für Hautpflegeprodukte mit der Behauptung, diese seien beim Angriff gestorben und den Worten: "Wie lange wollen wir lieber noch wegschauen?"

Schallenberg misst mit zweierlei Maß

Ähnlich originell ist die Reaktion des Außenministeriums des formell neutralen Österreichs: "Ein Kinderkrankenhaus anzugreifen ist mehr als abscheulich [...] Wir werden unsere Unterstützung fortsetzen und stehen aufseiten der Ukraine". Die Aussage wäre halb so heuchlerisch, wenn ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg nicht nach israelischem Bombardement eines Krankenhauses im Gazastreifen gesagt hätte: "Die Israelis rufen an, bevor sie ein Gebäude bombardieren. [...] Das Ansinnen ist ganz klar, zivile Opfer zu vermeiden."

Fantasien über Millionen tote Russen?

Zurück zu Berlijn: Er lässt immerhin noch unausgesprochen, was andere bereits unverhohlen erwähnen. Ein "Spiegel"-Leitartikel titelt vor dem Hintergrund des aktuellen NATO-Gipfels: "Der Westen muss klären, ob er zum Krieg gegen Putin bereit ist". Pro-Ukraine-Propagandisten teilen in sozialen Medien Fotos von schwerem Kriegsgerät mit der Erklärung, sie seien stolz darüber, dass ihre Steuergelder zur "Bekämpfung des Bösen" eingesetzt würden. Ein besonders geschmacksloses Beispiel, bei dem ein Nutzer dutzende Leichen russischer Soldaten in gutheißender Manier zeigte, wurde mehr als 2,7 Mio. mal gesehen... 


Und erste Stimmen träumen bereits vom Russen-Genozid, so etwa ein User, der schreibt: "Ich bete ab jetzt jeden Tag dafür, dass Gott Russland auf immer auslöschen wird. Ihr seid Abschaum und verdient es, auf immer in der Hölle zu schmoren." 

Gehen Sie weiter, stellen Sie keine Fragen...

Kritische Nachfragen über mögliche Ungereimtheiten beim Vorfall sind ebenfalls nicht erwünscht. Journalisten, die darauf hinwiesen, kassieren Shitstorms der üblichen Verdächtigen. Der deutsche Staatsfunk reitet mit einem Faktencheck aus, wonach die "Beweislage eindeutig" sei, jeder Zweifel an der Propaganda-Version der Ukraine ein "typisches Beispiel russischer Desinformation". Eine irrgeleitete ukrainische Abwehrrakete wird nicht einmal in Betracht gezogen. Ob es Sinn für Russland macht, kurz vor dem NATO-Gipfel ein Spital zu bombardieren, interessierte den Westen aber schon bei seinen Erzählungen zum Nawalny-Tod und zur Nord Stream-Sprengung nicht...

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