180 Grad-Wende in drei Jahren

Der 'umgedrehte' Babler: Vom EU-Kritiker zum Heiland der roten Neoliberalen

Politik
Foto: Ekrem Canli, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0 (Bildausschnitt)

Für einen Platz an den Pfründen der Macht soll schon so mancher Politiker seine Wurzeln über Bord geworfen haben. Eine besonders auffällige Wandlung machte dabei Andreas Babler durch, der in einer Kampfabstimmung am Samstag versucht, den SPÖ-Vorsitz am Parteitag an sich zu reißen. Denn noch vor wenigen Jahren wäre er durchaus als "linker Systemkritiker" durchgegangen. Es stellt sich dabei auch die Frage: Wer hat Babler "umgedreht" und weshalb.

Erstaunlich harte EU-Kritik aus "alten Tagen"

Eigentlich ist ein kein großes Geheimnis, dass Babler eine politische Wandlung hinter sich hat. Schon im April schrieb sogar das "profil" über ihn: "Vor 20 Jahren war Andreas Babler Marxist, Bundesheer-Gegner und bedauerte den Untergang Jugoslawiens. Und heute?" Man schrieb über ihn als Vertreter der "Stamokap"-Bewegung innerhalb der sozialistischen Jugend und erklärte diese Stoßrichtung so: "Diese von Lenin vertretene Theorie besagt vereinfacht, dass über die Verschmelzung der Wirtschaft mit dem Staat und der folgenden Überwindung dieses Systems der Weg in den Sozialismus geebnet wird."

Entsprechend blieb die Aufregung aus, als Babler innerhalb weniger Stunden gegenüber wohlgesonnenen Interview-Partnern sich mal als Marxist sah, mal davon Abstand nahm. Riesengroß war der Wirbel unter seinen Unterstützern allerdings, als vor wenigen Tagen ein Video ans Tageslicht kam, in dem er die EU als das "aggressivste, außenpolitische, militärische Bündnis, das es je gegeben hat" bezeichnete, deren Beistandsverpflichtungen "schlimmer als die NATO" seien. Und diese Worte gingen nun nicht als Jugendsünde durch: Sie fielen im Jahr 2020, im Gespräch mit seiner linksradikalen Wahlkampf-Dompteuse Natascha Strobl und dem PR-Berater & heutigen Doskozil-Unterstützer Rudi Fußi.

Die wundersame Wandlung des Andi B. 

Das etwa einstündige Gespräch (im Originalvideo ab ca. 1:26:40 - die bekannte EU-Passage kommt erst später) ist aus einem weiteren Grund interessant: Denn es entstand wohl näher am Anfang von Bablers "Reise" in Richtung neoliberale Gedankenwelt. Hier noch die "radikale Systemkritik" und Ärgernis über den EU-Rettungsschirm - aber dort bereits erste Floskeln, die sich anhören wie aus der Giftküche der Globalisten.

So geißelte er die heimische Bundesregierung für ihre Corona-Politik, die er für zu lasch hielt, den zweiten Total-Lockdown für zu spät durchgedrückt. Und irgendwo zwischendurch "namedroppt" er plötzlich ohne besonderen Konnex die vom WEF forcierte "Vierte Industrielle Revolution", die unzählige Arbeiterjobs überflüssig macht. 

Blase zwischen Bilderbergern & Bobos 

Anfang 2020, als die Bilderbergerin Rendi-Wagner erstmals angezählt war, begann der Bilderberger-"Standard" ihn erstmals mit der Headline "Der doppelte Babler: Warum will und wird so einer eigentlich nicht mehr?" hochzuschreiben - und ruhte dann damit, bis der Führungsstreit neu ausbrach. Später durfte er die Regierung aus der Corona-Hardliner-Position kritisieren.

Man begleitete seine Reise in ein bosnisches Flüchtlingscamp und schrieb seine Open-Borders-Ideologie unter Behauptung der "Menschlichkeit" regelmäßig mit. Zuletzt vereinten sich dann die "woken" Bobos und "Kulturschaffenden" hinter Babler. Die Wandlung scheint abgeschlossen, doch im Detail wirkt sie umso grotesker

Die Umkehr des wackligen Marxisten

Interessante Einblicke bietet die kommunistische "Zeitung der Arbeit", die sogar die Grazer KPÖ "nicht als marxistische Kampfpartei, sondern als reformistische Wahlpartei der Kapitalismusverwaltung" sieht. Sie schreibt über den "im Sitzen umfallenden" Babler: "Er wusste schon zu SJ-Zeiten, dass sich Marxismus und SPÖ nicht ausgehen – sie schließen einander logisch aus. Marxisten gibt es in der Sozialdemokratie in diversen Nischenpositionen, aber nicht im SPÖ-Machtapparat [...] die Partei verändert die Personen. Das ist seit Generationen so. Babler weiß das und hat sich vernünftiger Weise angepasst. Er bezeichnet es als 'persönliche Lebensentscheidung'." Wer was werden will, wird quasi neoliberal.

Doch das ist nur ein Teil der Analyse. Da ist etwa die plötzliche Bekundung Bablers zu Waffenlieferung an die Ukraine, obwohl er einst Mitglied eines Pro-Neutralität-Vereines war, den er auf seiner Homepage nun aus dem Lebenslauf löschte. Oder seine Distanzierung von alten "Stamokap"-Weggefährten. Oder sein Wandel vom "Milosevic-Versteher" zu einem, der behauptet, es habe ihn immer schon gestört, dass in der SPÖ das Verständnis für "fortschrittliche Demokratiebewegungen" in Osteuropa gefehlt habe. Als positives Beispiel hingegen pries er die deutsche "Friedrich-Ebert-Stiftung" (FES) an, die parteinahe Stiftung der längst ausschließlich offen transatlantisch agierenden SPD.

Der Journalist Thomas Breit ("Neue Normalität") widmete der "Neutralitätswende" Bablers im April einen Twitter-Thread: 

CIA hinter SPD-Stiftung und Renner-Institut?

Wie Der Status bereits berichtete, ist dieses "Namedropping" erneut interessant. Denn laut dem renommierten, kolumbianischen Investigativ-Journalisten Hernando Calvo Ospina, dessen Recherchen Der Status hier ins Deutsche übersetzte, ist die Friedrich-Ebert-Stiftung ins internationales Netzwerk von Stiftungen, die durch den US-Auslandsgeheimdienst CIA gesteuert werden, integriert.

Auch das SPÖ-eigene "Karl-Renner-Institut" wird in dieser Netzwerkanalyse genannt. Dort ist Robert Misik, ein weiterer Babler-Berater tätig. Auch Strobl steht dem Institut zumindest nahe genug, um dort etwa fadenscheinige Analysen über freiheitliche Kritik am Impf-Experiment als Pseudo-Expertin deponieren zu dürfen.

Der SPÖ-Vorsitzende - egal wie er letztlich heißt - soll auf NATO-Linie gehalten werden: 

Anpassungsfähiger Sprung übers Stöckchen

Letztendlich ist es auch die politische Kastration kritischer Kräfte innerhalb der Sozialdemokratie sowie der organisierten Linken insgesamt. Dass bis vor etwas mehr als 10 Jahren auch außerparlamentarische Linke massiv gegen Globalisierung sowie den Globalisten-Gipfel des WEF in Davos demonstrierten, ist etwa heute kaum mehr vorstellbar. Babler wiederum leistet auch zu seinem EU-Sager eifrig Abbitte auf Twitter.

Misik wiederum reitet nun aus, und deponiert beim "Falter" ein Narrativ, um seine Chancen beim Parteitag zu retten. Erst vor wenigen Wochen stellte dessen Chefredakteur sämtliche SPÖ-Politiker an den Pranger, die es wagten, Kritik am "Slawa-Ukraine-Gejohle" oder Selenski zu üben. 

Sorge vor kaum steuerbarer Regierung? 

Warum sich die einschlägige Blase nach dem Rendi-Wagner-Aus so an Babler heftet, ist klar: Der größte Horror für die Globalisten und ihre Handlanger wäre die Perspektive einer sozial-patriotischen Regierung aus FPÖ und jenen Elementen der SPÖ, für welche der Anspruch eine Arbeiterpartei der "einfachen Leute" zu sein, nicht nur eine Sehnsucht an eine lang verblichene Vergangenheit ist. Bislang scheiterte dies an der sogenannten "Vranitzky-Doktrin", die rot-blaue bzw. blau-rote Regierungen im Bund ausschloss. Bei Doskozil, der zwar gewissermaßen auch Teil des Systems ist, aber vor seiner absoluten Mehrheit im Burgenland bereits mit der FPÖ koalierte, fürchtet man diesen Tabubruch. 

Babler hingegen legte sich noch deutlicher - und vor allem glaubwürdiger - als sein Kollege strategisch auf eine rot-grün-pinke Koalition der neoliberalen "Scheinlinken" fest.  Selbst soll er die Entstehung tatsächlich systemkritischer Potenziale links und rechts der Mitte vermeiden. Ähnlich wie der Salzburger "KPÖ-Plus"-Chef Dankl steht auch er für den "Teilzeitmarxismus" des linken akademischen Mittelstands, dessen Lebenserzählung in Wahrheit eine weitere neoliberale Scheinalternative sein soll. Eine solche SPÖ wäre für mächtige Interessenskreise - ebenso wie die "Ösi-Ampel" mit Grünen & NEOS - entsprechend leichter steuerbar. Selbstredend würden sie es aber auch unter "Dosko" versuchen.

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