Demokratie in ÖVP-Geiselhaft

Wieviel Banane verträgt die Republik? Sobotka-Spuk muss endlich beendet werden!

Politik
Screenshot: FPÖ; Sobotka: Bernhard Holub, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0; Komposition: Der Status.

Angesichts der jüngsten Skandale rund um die Volkspartei und den ehemaligen Innenminister und jetzigen Nationalratspräsidenten beriefen FPÖ-Obmann Herbert Kickl und Generalsekretär Christian Hafenecker eine Pressekonferenz ein. Dabei ging es nicht nur um die aktuellen Malversationen hoher ÖVP-Amtsträger sondern auch um Wege aus dieser demokratiepolitischen Krise.

Spannende Stunden... 

Es seien hektische Stunden, so FPÖ-Obmann Herbert Kickl, zur Begrüßung zu dieser kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Aber es sei nötig, in dieser verfahrenen Situation wieder Recht und Gerechtigkeit zur Geltung zu verhelfen gegenüber Unrecht und unhaltbaren Zuständen. Dies sei man auch der Bevölkerung schuldig und entspricht der Erwartungshaltung der Bürger.

Schon beim Plenartag, so Kickl habe er sich zu Wort gemeldet, weil man eine Sonderpräsidiale erwirken wollte und dabei habe er auch versucht, auf verantwortungsbewusste Kräfte in der ÖVP einzuwirken. Auf jene Kräfte die noch ein staatspolitische Verantwortungsgefühl haben und die vielleicht Wolfgang Sobotka zum Rücktritt bewegen und dafür sorgen könnten, dass eine integre Person, die auch überparteilich ist, die Funktion als Nationalratspräsident und damit zweithöchster Repräsentant des Staates übernimmt.

In Geiselhaft durch Sobotka

Dabei, so Kickl, seien integre Leuten in der ÖVP gemeint, die auch unter diesen Zuständen leiden und den Kopf schütteln würden, über die Aktionen ihrer Führungs-Clique, die mit Sobotka den Zirkel des Machtmissbrauchs bildet. Denn auch die Reaktionen des Generalsekretärs Stocker als auch des Kanzlers sind in dieser Hinsicht ernüchternd: "Kein Wunder, sie bilden ja die Führungsclique und in deren Auftrag war ja Wolfgang Sobotka auch unterwegs", so der FPÖ-Obmann, der auf einen Ausschnitt aus der Tonbandaufnahme verweist.

Er erinnert an die weit zurückreichenden Vorwürfe: "Damals, als Telekom-Geschichte war, musste sich die Frau (Ex-) Justizministerin Karl im Parteivorstand rechtfertigen." Also vor dem höchsten Parteigremium rechtfertigen dafür, dass sie nicht in die Ermittlungen eingriffen hat oder ihre Beamten nicht zu Interventionen beeinflusst hat. "Davor ist sie eine Stunde bei mir gesessen, und ich habe erklärt, ich kann nichts tun. Ist alles rechtswidrig", so die Pilnacek-Aunahme, in der es weiter heißt, sie sei angegriffen worden vom Vorstand und habe ihre Ämter verloren.

Sobotka-Spuk beenden

Die jetzige Situation bietet aber auch eine Chance, so Kickl: Die Chance für die ÖVP, einen Befreiungsschlag zu setzen und sich selbst von dem Sobotka-Spuk zu befreien. "Wenn man diesen Schritt aber nicht setzt, muss sich die gesamte ÖVP den Vorwurf gefallen lassen - also nicht nur die im Nationalrat vertretenen Mitglieder, sondern auch jene in den Landtagen, in den Gemeinden und Bünden - dass alle in den Händen des Wolfgang Sobotka sind, sich in seiner Geiselhaft befinden." 

Und das ist in dieser Situation das demokratiepolitisch dramatische: Dass der zweithöchste Repräsentant des Staates im Verdacht steht, diesen Staat bzw. seine Institutionen brutal machtmissbräuchlich missbraucht zu haben, zum Wohle der Volkspartei. Denn das in der Tonbandaufnahme geschilderte Ansinnen, so Kickl sei nichts anderes als Anstiftung bzw. Bestimmungstäterschaft zum Amtsmissbrauch - und da ist auch der Versuch strafbar.

Einblick in "Tiefen Staat" der ÖVP

Zugleich gewähren die Aufnahmen aber auch Einblick in den "Tiefen Staat" der ÖVP. Einen Staat, wie Gesetze und Regeln, die eigentlich für alle gelten sollen, für die Familie außer Kraft gesetzt werden, "wo man es sich richtet, wie man es braucht". Und wo man parteipolitische Netzwerke in den Schlüsselressorts der Republik hat und versucht, so offenbar im Falle von Sobotka, diese zur Anstiftung zum Machtmissbrauch über Ressorts hinweg zu nutzen. Und für Kickl wiegen die Vorwürfe schwer.

Beruhen sie ja nicht nur auf Hörensagen oder wurden von irgendwem erhoben, sondern von Christian Pilnacek, einem zentralen Player im Justizministerium, der es wissen muss. Ein zentraler Akteur, zu dessen tragischem Ableben übrigens immer mehr Details ans Licht geraten, welche die Geschichte zu einem regelrechten Krimi machen, wie Der Status aufdeckte. Auch die weiteren Hintergründe der Tonband-Aufnahme lassen dabei tief blicken... 

Problem für Demokratie

Zurück zu Kickls Ausführungen: Nun stehe man allerdings vor einem Dilemma. Denn die Abwahl eines Nationalratspräsidenten ist als Schutzmaßnahme nicht vorgesehen und dieser Schutz komme nun einer Person mit den Charaktereigenschaften eines Wolfgang Sobotka zugute. Dies hätten sich die Erschaffer der Verfassung sicher niemals träumen lassen.

Daher brauche es nun einen Cordon Sanitaire, einen Zusammenschluss all jener, denen die Demokratie wichtig ist gegen Sobotka; eine demokratische Notwehraktion, denn das Parlament und die Demokratie dürfen auch nicht von einer einzelnen Person in Geiselhaft genommen werden, so Kickl. Er lädt daher die Klubobleute der SPÖ, der Neos und der Grünen ein, gemeinsam zum Bundespräsidenten zu gehen, um ihm die Sicht der Dinge darzustellen und auf die Dramatik der Situation aufmerksam zu machen.

Maßstäbe wie bei Ibiza anwenden

Aber der Bundespräsident schweigt derzeit, kritisiert Kickl das Staatsoberhaupt. Gemeinhin heiße es zwar, "Wer schweigt stimmt zu", aber dies gelte hoffentlich nicht in diesem Fall. Und das Rad müsse in der Hofburg auch nicht neu erfunden werden. Es würde schon genügen, wenn van der Bellen nur die Maßstäbe zur Anwendung bringt, die er auch Ibiza anlegte. "So sind wir nicht", weist der FPÖ-Obmann auf den damaligen Ausspruch des Bundespräsidenten hin.

Wenn es ihm dann leichter falle, könne sich Van der Bellen ja zur Not vorstellen, dass Sobotka ein Freiheitlicher wäre, konnte sich Kickl einen Seitenhieb auf den Umstand nicht verkneifen, dass das Staatsoberhaupt bislang sämtliche schwarz-grünen Schweinereien stillschweigend hinnahm oder bestenfalls einen halbseidenen Zeigefinger erhob. 

Für ÖVP sind immer andere Schuld

Generalsekretär Christian Hafenecker sezierte zum Schluss der Pressekonferenz die üblichen Verteidigungsstrategien der Volkspartei. Dabei seien die Abläufe immer gleich, wenn Deckel nicht mehr draufzuhalten ist, dann geht man in Offensive. Das sei schon damals beim angeblichen Angriff auf ÖVP-Server so gewesen, als geleakte Emails plötzlich angeblich gefakt sein sollten. Ebenso bei der Schredderaffäre 2019, wo die ÖVP behauptete, dass das völlig normal sei, dass Festplatten und Akten vernichtet werden und dies sogar noch zum Schutz geschehe, mit Verweis auf die Email-Affäre.

Dann bei der Razzia in der ÖVP-Parteizentrale, wo man vorab in einer Presseaussendung sogar erklärte, dass nichts zu finden sei. Und natürlich auch bei der Cobra-Libre-Affäre 2022 - wo man überall "Manipulationen" witterte und Klagsandrohungen aussprach. Immer wenn etwas passiert, so Hafenecker, würde sich die ÖVP nie zu einem Fehltritt bekennen. Schuld sind für die Schwarzen nämlich immer andere.

Wahrheitspflicht abschaffen vs. Wahrheitspflicht gut

Nun sei es wieder die Verteidigungsstrategie der ÖVP, vorzupreschen und sich auf den Untersuchungsausschuss berufen. Die Ausführungen von ÖVP-Generalsekretär Stocker seien laut Hafenecker schlicht und einfach falsch. Denn zu wichtigen Fragen habe sich Pilnacek im Auschuss häufig entschlagen. Und für Entschlagungen gibt es mehrere Grunde. Wenn man sich nicht selbst belasten möchte, man keinen Zugang zu vorlegten Dokumenten hatte oder auch zum Schutz des Privatlebens und der Privatssphäre.

Dies alles habe auch Pilnacek gemacht. Was er hingegen nicht gemacht habe: der ÖVP eine Absolution zu erteilen, dass sie nicht interveniert hätte. So sei die Telekom Austria-Affäre etwa nicht im U-Ausschuss Thema gewesen. Betrachtet man sich die Protokolle der letzten beiden U-Ausschüsse genauer, werden etwa deutlich, wie selektiv die Zitation durch Generalsekretär Stocker sei. So habe man beispielsweise nur nach Interventionen durch Justizministerin Zadic gefragt, nicht nach anderen Ministern. Zumal die ÖVP und der ÖVP-Ausschussvorsitzende Wolfgang Sobotka auch regelmäßig unangenehmen Fragen mit der Geschäftsordnung niederschlagen wollten.

Für beachtlich hält Hafenecker zudem auch noch die neuerliche Kehrtwende der Volkspartei. Wollte man während des U-Ausschusses noch die Wahrheitspflicht abschaffen, wofür vor allem Wolfgang Sobotka eintrat, beruft man sich jetzt plötzlich auf die Wahrheitspflicht und diese ist für ÖVP und ihre selektive Auswahl an Zitaten sehr wichtig. Auch für Hafenecker ist klar: Ein Rücktritt von Sobotka ist wichtig, um die Dauerbelastung des Parlaments zu beenden.

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