Gipfeltreffen konservativer Transatlantiker

'NatCon'-Konferenz in Brüssel: So sollen Rechte auf US-Linie gebracht werden

Politik
Symbolbilder (2): Freepik; Komposition: Der Status.

Der Wunsch, einen rechten Schulterschluss zu wagen, um europaweit eine patriotische Wende zu vollziehen, ist riesig. Einschlägige Akteure nutzen diese Sehnsucht eiskalt aus: Denn Washington fürchtet, dass die Aufbruchstimmung auch zur Abkehr von den USA führt. Also setzt man auf den Aufbau "nationalkonservativer" Denkfabriken und die Abhaltung entsprechender Konferenzen. Als "einende Klammer" dient die Unterordnung unter transatlantische, "westliche" - also amerikanische - Interessen, im Kuhhandel dafür, auch einmal an die Macht zu dürfen. Ein Gipfel, der diese problematische Route vertritt, ist die "NatCon"-Konferenz, die aktuell in Brüssel mit prominenten Rednern stattfindet.

Von Anwälten der US-Rechten "freigeklagt"

Auf den ersten Blick hören sich die Ziele der "National Conservatism"-Initiative hehr an: Nationale Souveränität, eine Rückkehr zu christlichen Werten, ein Fokus auf die traditionelle Kernfamilie, Rechtsstaatlichkeit, ein freier Markt im Dienst der Vaterländer oder die "Opposition gegen Imperialismus und Globalismus". Doch der Teufel steckt im Detail: So werden bei letzterem Punkt China, Russland und "andere autoritäre Systeme" ebenso erwähnt wie die Ablehnung des "liberalen Imperialismus". An der hegemonialen Funktion der USA soll nicht gerüttelt werden. Im Gegenteil: Ein anderer Punkt beklagt, dass "Amerika und der Westen" auch in Sicherheitsfragen hinter China zurück falle.

Zumindest jährlich findet die "NatCon"-Konferenz statt, aktuell - am 16. und 17. April - zum zweiten Mal in Brüssel. Zwischen den beiden Tagen versuchte der sozialdemokratische, türkischstämmige Stadtteil-Bürgermeister, den Fortgang der Veranstaltung zu verhindern. In einem Eilverfahren erkämpfte die "ADF International" den Fortgang des Events vor Gericht. Dabei handelt es sich sich um eine von reichen US-Oligarchen-Stiftungen finanzierte Rechtschutz-NGO der amerikanischen "christlichen Rechten". Für die Vertretung in Übersee ist ein Büro in Wien zuständig. Ob die Wahl der einstigen "Hauptstadt der Spione" nahe der alten Ost-/West-Grenze nur ein Zufall ist?

"Melonisierung" der Rechten mit gezinkten Karten

Diverse Personen aus dem Trump-Umfeld, darunter sein Ex-Vize Mike Pence, die von ihm nominierte Höchstrichterin Amy Coney Barrett sowie der aktuelle Sprecher des US-Abgeordnetenhauses, Mike Johnson, stammen aus dem ADF-Dunstkreis in Amerika. Auch das ist ein Indiz, woher der Wind weht: Es ist eine Veranstaltung im Einflussbereich der US-Rechten. Dies wurde auch bei vorherigen Ausgaben offensichtlich. Eine der ersten Veranstaltungen fand 2020 in Rom statt, als Gastgeberin fungierte die heutige italienische Regierungschefin Giorgia Meloni.

Als einigende Klammer wurde damals die neokonservativ-imperialistische Außenpolitik von Ronald Reagan, der anti-kommunistische Auftritt des polnischen Ex-Papstes Johannes Paul II. und eine lose "Freiheit der Nationen" postuliert. Darüber, wie Meloni auch über ihre Mitgliedschaft im umstrittenen "Aspen Institute" von amerikanischen und globalistischen Interessen gelenkt wird, klärte Der Status bereits detailliert auf. Vor zwei Jahren gab es sogar zwei Konferenzen in einem Jahr, neben Brüssel traf man sich in Miami, wo u.a. auch Big-Tech-Investor Peter Thiel, der Ex-ÖVP-Kanzler nach dessen Ausscheiden aus der Politik unter die Fittiche nahm, einen Auftritt hatte.

Stichwortgeber glorifiziert US-Scheinpatriotismus

Dass dies kein "Ausrutscher", sondern Programm ist, zeigt das Netzwerk der "National Conservatism"-Initiative. Diese geht auf die "Edmund Burke Stiftung" zurück, 2000 als Denkfabrik gegründet und auch mit Sponsorgeldern von multinationalen Konzernen wie Pfizer & Microsoft aufgepäppelt. Sie unterhielt enge Verbindungen zu neokonservativen US-Thinktanks wie der "Heritage Foundation" und dem "American Enterprise Institute", die u.a. US-Angriffskriege in Afghanistan und im Irak unterstützten. Nach Jahren der Inaktivität wurde sie 2019 vom israelisch-amerikanischen Vordenker Yoram Hazony neu gegründet, um "Nationalkonservatismus zu befördern".

Dieser war als Publizist unter anderem für klassisch neokonservative Blätter wie "Wall Street Journal", "American Affairs", aber auch für die "New York Times" tätig. In jüngerer Vergangenheit verfasste er zwei vielbeachtete Bücher: In "The Virtue of Nationalism" argumentiert er für eine Rückholung der Souveränität von globalen Organisationen und in "Conservatism: A Rediscovery" über eine Rückbesinnung und die Überwindung des Liberalismus. Damit rennt er bei Patrioten und Systemkritikern zuerst einmal offene Türen ein. Das Problem: Er benennt die "anglo-amerikanische Tradition" des Konservatismus als erstrebenswerten Maßstab.

Illustres Netzwerk "rechter" Transatlantiker

Hazony ist auch Präsident des "Herzl Instituts" - ebenfalls Sponsor - und war einst Redenschreiber von Benjamin Netanjahu. Mit Ofir Haivry brachte er einen langjährigen Weggefährten aus demselben Kreis auch im "NatCon"-Vorstand unter. Jener taucht zudem im ebenfalls gelisteten "Danube Institute" auf, das in Budapest unter der Führung von Ex-Thatcher-Redenschreiber John O'Sullivan agiert. Auch im "NatCon"-Vorstand ist Meloni-Einflüsterer Francesco Giubilei, auch sein "Nazione Futura"-Thinktank unterstützt die Konferenz. Der Ex-Autor des "American Conservative" hofft, die Konferenz 2025 wieder in Italien abzuhalten, um US-Rechte und europäische Rechte besser zu vernetzen.

Ebenfalls ein Sponsor der Veranstaltung ist das Magazin "The European Conservative". Wie Der Status im Vorjahr aufdeckte, verbirgt sich dahinter das "European Center for Documentation and Information" (CEDI/EDIC). Diese Denkfabrik agiert im Geiste einer praktisch gleichnamigen Einrichtung, deren Gründungspräsident Otto von Habsburg als leitender Ideengeber von Klaus Schwab zur WEF-Gründung gilt. Im Vorjahr fiel das Magazin mit einem Hetzartikel gegen einen Mitarbeiter von AfD-EU-Spitzenkandidat Maximilian Krah auf, der sich auf einen transatlantischen Fraktionskollegen berief und erschöpfte sich darin, die chinesischen Wurzeln des Mitarbeiters zu skandalisieren.

Konservative für US-Hegemonie geködert

All dies erweckt den Eindruck, dass es sich um eine Einrichtung und Veranstaltung mit doppelter "Torwächter-Funktion" handelt. Sie soll die europäische Rechte im Sinne der USA "reinigen": Zum einen befördert man Akteure mit einer transatlantischen Gesinnung, in der Hoffnung, diese bei Wahlen in eine Machtposition zu hieven. Zum anderen sucht man die Nähe zu konservativen und rechten Denkern mit Profil, um sie im eigenen Netz zu binden. Die große Hoffnung ist wohl auch, dass bei einem Wahlsieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl die alten transatlantischen Beziehungen wieder aufleben - also: immer im US-Interesse, aber mit "konservativem" Anstrich.

Die Klammer reicht von der britischen Ex-Tory-Ministerin Suella Braverman über Ex-Polen-Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, Ungarn-Premier Viktor Orbán, bis zum PiS-nahen Buchautor David Engels ("Was tun?") und zur holländischen Anwältin & Ex-Politikerin Eva Vlaardingerbroek, die dem kritischen Lager bislang durch ihren Einsatz in der Corona-Zeit sowie bei den Bauernprotesten in ihrer Heimat auffiel. Diesmal sprechen auch Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen (WerteUnion) und der französische Rechtspolitiker Éric Zemmour. Gut möglich, dass man schon morgen gar bisherige Stichwortgeber der neurechten Basis für den "America First" Kurs ködert.

CCF: Als die CIA Europas Linke "einkaufte"

Für neutrale Beobachter adelt die Rednerliste den Gipfel scheinbar, doch das ist Teil des Plans: Das Problem ist die beabsichtigte Ausrichtung. Denn die Vorgehensweise hat historische Parallelen: Ab 1950 finanzierte die CIA jahrelang den "Congress for Cultural Freedom" (CCF), der seinen Sitz im geteilten (West-) Berlin hatte. Hauptzielgruppe waren anti-kommunistische Linke. Sie holte man ins Boot für den westlichen Kulturkrieg gegen den Ostblock. Wen man nicht überzeugen konnte, brandmarkte man als Sowjet-Agent und fuhr massive Kampagnen. Teile & herrsche: Plötzlich verliefen die Fronten quer durch die einstigen Widerständler. Der metapolitische Kampf hieß: "Heinrich Böll gegen Thomas Mann".

Die Unterstützung reichte bis zu "Regimewechseln" in aller Welt. Eine Organisation aus dem CCF schloss sich 1991 etwa mit der Soros-Stiftung zusammen. Im Jahr 1983 ließ ausgerechnet Ronald Reagan - einer der Vorbilder der "NatCon"-Drahtzieher - die US-Kongressstiftung "National Endowment for Democracy" (NED) gründen. Diese finanziert seither Polit-Stiftungen, Denkfabriken und NGOs im Sinne Washingtons. Ein reges Zusammenspiel mit dem Soros-Netz und der NATO ist greifbar. Einen informativen Aufdecker-Artikel eines kolumbianischen Investigativjournalisten übersetzte Der Status hier. Über die aktuelle Funktionsweise dieses Systems berichteten wir hier und hier.

Steuerbare Rechtspopulisten für "America First"

Die "Amerikanisierung" des eigenen Potenzials - Netzwerke, Vordenker, Politiker: Was in der Linken mit "Greenpeace", mit parteinahen Stiftungen wie der "Friedrich-Ebert-Stiftung" (SPD), mit "Transparenz"-Initiativen oder mit "Bürgerforen" geschah und unter Reagan & Thatcher mit der "Mitte", droht auch Europas Rechten. Das "Compact"-Magazin zitierte im Vorjahr einen namentlich nicht genannten Whistleblower so: "In immer mehr Ländern bilden sich konservative Denkfabriken, die die Rechte auf US-Kurs bringen soll. Das Phänomen Giorgia Meloni war erst der Anfang. Überall will man steuerbare Rechtspopulisten fördern - die man am Ende sogar an die Macht lässt."

Die Folgen könnten für basisorientierte Patrioten übel ausfallen: Verfechter der Multipolarität, in der auch ein Europa der Vaterländer als eigener Machtpol mit Äquidistanz und Augenhöhe mit allen Weltmächten agiert, werden zurückgedrängt. Man unterstellt ihnen Nähe zu China, Russland oder der islamischen Welt und bringt machthungrige, aber handzahme Gegenspieler an ihrer Statt "nach oben". Mit ihnen kann man den "Kampf der Systeme" ebenso führen wie den "Counterjihad". Die US-Hegemonie wird einzementiert, Europa Rechte soll die 1:1-Übernahme des "America First"-Kurses goutieren. Flüchtlinge aus angegriffenen "Schurkenstaaten" sind dann aber ihr Problem.

+++ Folgt uns auf Telegram: t.me/DerStatus & auf Twitter/X: @derStatus_at +++

Dir gefällt unsere Arbeit? Unterstütze uns jetzt mit deiner Spende, damit wir weiterhin berichten können!

Kontoinhaber: JJMB Media GmbH
IBAN: AT03 1500 0043 9102 6418
BIC: OBKLAT2L
Verwendungszweck: Spende

Weitere Artikel, die Sie interessieren könnten