Fake-Video ging viral

'Hamas klaut Medizin': Gaza-Krankenschwester angeblich Schauspielerin aus Israel

Welt
Hintergrund: Freepik; Screenshot: Twitter; Komposition: Der Status.

Der "Infokrieg" im Nahen Osten wird mit allen Mitteln ausgefochten - beide Seiten setzen auf die Macht der Bilder und schrecken dabei nicht vor Manipulation zurück. Ein besonders dreistes Beispiel soll eine israelische Schauspielerin geliefert haben. Der Vorwurf: Sie habe sich als Krankenschwester des unter Beschuss stehenden Al-Schifa-Spitals verkleidet und behauptet, dass die Hamas sämtliche Ausrüstung des Spitals, darunter Medizin und Benzin, beschlagnahme.

Hamas stiehlt angeblich Medizin

Auf den ersten Blick wirkt es wie ein bewegendes Zeitdokument aus dem Al-Schifa-Spital, welches die israelische Darstellung belegen soll, dass die Hamas die Krankenhäuser und Zivilisten als strategisches Faustpfand benutze. Eine Frau mit Mundschutz und Stethoskop erklärt unter Tränen in englischer Sprache, durch arabische Begriffe aufgelockert: "Die Welt muss wissen, was die Hamas hier tut! Sie nehmen Benzin und Medizin mit. Ich habe nichts für die Behandlungen, ich musste einen Bruch eines 5-jährigen Buben ohne Schmerzmittel behandeln." Sie rät allen, die das Video sehen, zur Evakuierung des Gebiets: "Bitte, lauft weg, bleibt nicht hier!" 

Pro-Israelische Konten verbreiteten das Video rund um die Welt: 

Indizien sprechen für Fake-Video

Endlich schienen die Propagandisten einen Beleg für ihre Erzählung der "menschlichen Schutzschilde" zu haben. Mit diesen rechtfertigt Israel bekanntlich seine brutalen Vergeltungsschläge, bei denen bereits tausende Kinder starben. Angesichts der internationalen Rufe, das umkämpfte und kaum noch funktionale Schifa-Spital vor dem Ausfall der medizinischen Versorgung zu schützen, ein vermeintlich wichtiger Anhaltspunkt im Infokrieg.

Doch die Sache hat einen Haken: Denn das Video ist nach derzeitigem Wissensstand höchstwahrscheinlich nicht echt. Bereits am Sonntag kamen Zweifel an der Authentizität des Filmdokuments auf. Mehrere Ärzte würden bestätigen, die Frau noch nie gesehen zu haben. Außerdem würde sie arabische Wörter mit starkem Akzent aussprechen. 

Verkleidete sich israelische Schauspielerin?

In der Folge blieb die "Schwarmintelligenz" auf Twitter nicht untätig - und recherchierte weiter. Nach Ansicht etlicher Kommentatoren handelt es sich um keine Palästinenserin, sondern um die israelische Schauspielerin Hannah Abutbul. Die in Mexiko als Ximena Orozco geborene Frau änderte nach ihrer Eheschließung mit einem Israeli ihren Namen und zog mit ihm nach Südisrael und wohnt seitdem ganz in der Nähe der vor fünfeinhalb Wochen angegriffenen Kibbuzim.

Wenige Tage nach dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober diente die Siedlerin auch der mexikanischen Medienöffentlichkeit als Kronzeugin für die Vorfälle und erklärte: "Es fühlt sich an, als wären wir in einem Horrorfilm." Auf Instagram dementiert Abutbul indes in einer spanischsprachigen Botschaft, dass es sich bei der Person im Video um sie handle. Dabei handle es sich um "Hamas-Propaganda", die sie nur noch weiter in ihrem Wirken bestärke. Twitter-Nutzer halten dies hingegen für eine Schutzbehauptung. 

Infokrieg um umkämpfte Spitäler

Das Video war zuvor teilweise auch von Konten des offiziellen Israel verbreitet worden, nach den Hinweisen auf mangelnde Authentizität wurde es mittlerweile gelöscht. Ob es sich nun tatsächlich um Abutbul handelt oder tatsächlich nur um eine Frau, die ihr zum Verwechseln ähnlich sieht, ist bei der Bewertung der Lage allerdings sekundär. Fakt ist, dass auch Israel im "Nahost-Infokrieg" seit Anbeginn der aktuellen Eskalation mit Gräuelpropanda hantiert, um sein Vorgehen zu rechtfertigen. 

Es ist übrigens nicht das einzige Video mit steilen Behauptungen, das aktuell kursiert. So präsentierte ein IDF-Armeesprecher angebliche Belege für Geiselhaltung im Keller des ebenfalls schwer umkämpften Rantisi-Spitals. Er sprach von einer "Wächterliste", in der sich Hamas-Kämpfer bei ihren Schichten eintragen würden. Doch handelte es sich dabei lediglich um einen Wandkalender und die angeblichen "Terroristen-Namen" sind in Wahrheit die Wochentage in arabischer Sprache - Der Status berichtete.

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