Billige Kriegspropaganda

Hamas-Terrorist heißt 'Freitag': IDF rechtfertigt Spital-Angriff mit irren Lügen

Welt
Screenshots (3): Twitter; Komposition: Der Status.

Im Krieg stirbt bekanntlich - auf allen Seiten - die Wahrheit zuerst. Doch im Nahost-Konflikt versteigen sich die Akteure immer mehr zu absurden Behauptungen, um ihr Vorgehen zu rechtfertigen. Die Propaganda-Videos, mit denen Israel seinen Angriff auf das Rantisi-Spital - das auf krebskranke Kinder spezialisiert ist - zu rechtfertigen versucht, stellen dabei jedes "Pallywood"-Filmchen der Gegenseite in den Schatten. Ein Wandkalender als "Beleg" für die Haltung von Geiseln ist dabei nur die Spitze des Eisbergs.

Terroristen sollen wie Wochentage heißen

Freitag kennen wir seit der Kindheit als treuen Begleiter des Robinson Crusoe, den dieser vor einem Eingeborenen-Stamm rettet. Und Wednesday Addams lehrte Generationen gleichermaßen das Gruseln und Schmunzeln. Aber vielleicht muss ja die Rezeptionsgeschichte des Boomtown Rats-Hits "I Don't Like Mondays" umgeschrieben werden, sodass er sich nicht mehr auf einen Schul-Amoklauf, sondern eine Anti-Terror-Operation bezieht. Zu diesem grotesken Schluss kann man zumindest bei der jüngsten Propaganda kommen, die Israel zur Rechtfertigung seiner überschießenden Vergeltung im Gazastreifen benutzt. 

Dabei führt ein IDF-Sprecher in einem Video durch einen Keller unterhalb des Spitals. Seine Erzählung ist einfach: Provisorische Sanitäranlagen, Vorhänge und Baby-Fläschchen seien ein unumstößlicher Beweis für die Haltung israelischer Geiseln tief unter dem Krankenhaus. Als Haupt-"Belastungs"-Indiz nimmt er einen Wandkalender, der am 7. Oktober beginnt: "Auf arabisch sagt diese Liste: Wir sind in einer Militäroperation gegen Israel. Das ist eine Wächterliste, wo jeder Terrorist seine Schicht mit seinem Namen zeichnet." Doch dies entspricht keineswegs der Wahrheit: Denn die arabischen Schriftzeichen bezeichnen lediglich die Wochentage... 

Der palästinensische "Al Jazeera"-Journalist Muhammad Shehada klärte über die absurde Falschnachricht auf: 

Weitere Einwände gegen IDF-Propaganda

Auch bezweifelt Shehada die israelische Darstellung, wonach sich unterhalb des Spitals jemals Geiseln befunden hätten. Für die übrigen "Indizien" hat er ebenfalls einleuchtende Erklärungen. So ließen sich hastig installierte Sanitäreinrichtungen und Utensilien für Kleinkinder auch mit einer Notunterkunft für Zivilisten erklären. Außerdem hinterfragt er, wie die Hamas-Kämpfer denn die angeblichen Geiseln unbemerkt aus dem Komplex hätten schmuggeln sollen: 

Auch die "Waffenlager"-Behauptung sei bereits aus früheren Jahren bekannt. Er fragt daher offen, ob israelische Medien, welche die Story nun ohne Double-Check übernehmen, es vielleicht bei anderen Aspekten des Krieges mit der Wahrheit womöglich ebenfalls weniger genau nahmen: 

Für die Existenz von Tunnelsystemen oder Waffen im Spital hätten die Israelis nach dem Sturm allerdings keinerlei Belege produzieren können. Der laut IDF-Video näheste Tunneleingang befinde sich angeblich hunderte Meter vom Spital entfernt - beim bekannten Haus eines bekannten Hamas-Kämpfers:

Staatsfunk übernimmt IDF-Version

Nicht nur den israelischen Medien ist dies egal, sondern auch der deutschen "Tagesschau" und dem österreichischen ORF. Völlig ohne jede kritische Hinterfragung nimmt und verkauft man den Inhalt des Videos für bare Münze. Berichtet wird dort auch von "Geheimdienst-Informationen", wonach sich vor Ort Geiseln befunden hätten. Sprich: Derselbe Geheimdienst, der monatelange Vorbereitungen zum Hamas-Angriff am 7. Oktober, von dem angeblich sogar Journalisten vorab unterrichtet waren, übersehen haben will, möchte nun unterirdische Waffendepots mit chirurgischer Präzision lokalisieren können....

Es ist nicht das erste Mal, dass der Propagandakrieg um Angriffe auf ein Krankenhaus für journalistische Fragezeichen sorgt. Schon vor einigen Wochen stellte sich die Frage, wer ein Spital in Gaza bombardiert hatte. Ursprünglich übernahmen westliche Medien die Hamas-Darstellung eines israelischen Beschusses, ehe man nach einem Dementi Israels einen 180-Grad-Schwenk vollzog und fortan von einem palästinensischen Irrläufer sprach. Dass neben "Al Jazeera" auch der britische Sender "Channel 4" wenige Tage später nachweisen können wollte, dass auch an dieser Version etwas faul sein muss, fand international dann nur noch beschränkt Aufnahme... 

Vorsicht bei Kriegspropaganda beider Seiten

Das heißt nicht, dass nicht ein Funken Wahrheit in der IDF-Version stecken kann. So versucht ein weiterer Twitter-Nutzer - ein selbsterklärter "intersektionaler Ökologe" - die Einwände Shehadas zu widerlegen. Er erinnerte, dass Vorhänge vor fensterlosen Wänden bereits in Geisel-Videos zu sehen waren, wohl um deren humane Behandlung zu suggerieren. Allerdings zeigt die selektive Einordnung des angeblich gefundenen Materials - einschließlich der erwiesenen Falschbehauptung des "Terroristen-Wandkalenders" - zumindest, dass man in Konflikten immer bei der Kriegspropaganda beider Seiten vorsichtig sein muss, ehe man sie in alle Windrichtungen verbreitet. 

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