Bekanntes Muster

'40 geköpfte Babys': Israel setzt Gräuelpropaganda als psychologische Waffe ein

Welt
Symbolbild: Freepik; Screnshots: Twitter; Komposition: Der Status.

Die Eskalation im Nahost-Konflikt wird immer brutaler, beide Seiten berichten von schwersten Gewaltakten gegen die Zivilbevölkerung, wohl auch um Beobachter im Ausland auf ihre Seite zu ziehen. Dabei wird gezielt auch Gräuelpropaganda eingesetzt: Also der Versuch, mit der "Macht der Bilder" die jeweils andere Seite bestialischer Taten zu bezichtigen, um in der Folge umso härtere Angriffe der eigenen Seite zu rechtfertigen. Im Westen übernehmen viele Menschen unkritisch die Behauptung von "40 geköpften Babys".

Soldaten erzählen von geköpften Babys

"Soldaten haben es mit eigenen Augen gesehen [...] Babys, deren Köpfe abgeschnitten wurde [...] Familien, die komplett in ihren Betten abgeknallt wurden [...] ihr könnt hier ein paar der Soldaten sehen, wie sie sich gegenseitig Beistand leisten": Das berichtet eine hübsche, junge TV-Reporterin voller Überzeugung. Einige Zeit später wird noch Videomaterial von angeblich 40 Kinderwägen, die auf einer Wiese liegen, aus denen Kleinkinder einfach rausgeworfen worden wären, nachgeschoben. Es ist eine Geschichte, deren brutale Schilderung schockiert. Man will sich gar nicht vorstellen, welche Bestien dafür verantwortlich sind. 

Verbreitet von regierungsnahem Sender

Doch die Frage ist: Fand ein solcher Vorfall jemals statt? Die einzige Quelle für diese Behauptung ist der israelische Sender "i24 NEWS" aus Tel Aviv, der praktisch als Haus- und Hof-Sender der Netanjahu-Regierung gilt. Es handelt sich um einen Auslandssender, der unter anderem auf Englisch und Französisch sendet und dessen Hauptaugenmerk es ist, israelische Erzählungen in der Welt zu verbreiten.

Während viele im Westen skeptisch wären, wenn etwas von "Russia Today" gezeigt wird, nimmt man die Erzählung für bare Münze. Die Story über die blutrünstigen Araber, die unschuldige Kleinkinder metzeln, geht um die Welt. An eine Überprüfung auf den Wahrheitsgehalt denkt niemand.

Auch der kritische Journalist Thomas Oysmüller (TKP-Blog) mahnt kritische Distanz ein: 

Jeder Gedanke an Mäßigung schwindet...

Und der Beitrag verfehlt nicht seine Wirkung: Überall ist man sich scheinbar einig, bei so etwas kann nur mehr der Holzhammer kommen, jegliche Diplomatie und jedes Völkerrecht hat ausgedient. Zuvor hatten manche Stimmen moniert, dass eine Kollektivbestrafung von 2 Mio. Palästinensern für Hamas-Terrorakte - Stichwort Total-Blockade mit Abschneidung von Strom, Wasser, Essen und Treibstoff - unangebracht sei. Nach der Baby-Story ist für Nobel-Gastronom und Ex-NEOS-Mandatar Sepp Schellhorn aber Schicht im Schacht: "Es ist mir scheißegal! Medienberichten zufolge haben diese Barbaren 40 israelische Kinder geköpft. Da diskutiere ich mit keinem mehr."

Auch beim Reichelt-Medium NiUS hält man sich nicht zurück: "Vierzig ermordete Babys, enthauptet und massakriert, das erinnert viele Menschen hier in Israel an die Geschichten ihrer Eltern und Urgroßeltern, an die Geschichten der Nazis, die Babys lebend in Öfen warfen oder in die Luft und auf sie schossen. Schon zuvor verbreitete das Medium israelische Gräuelpropaganda: "Sie verbrennen Juden" steht in einer Überschrift, als Quelle der Bestätigung werden "israelische Regierungskreise" genannt. Ein CDU-Abgeordneter kann sich für "Flatten the Strip"-Fantasien erwärmen: "Ich möchte in den kommenden Wochen keine Stimmen hören, die Verhältnismäßigkeit einfordern."

Erinnerung an die Brutkasten-Lüge

Solche Horror-Geschichten sind nicht neu - gerade im Nahost-Konflikt. Seit Jahren nutzen sowohl Israelis als auch Palästinenser die Macht der Bilder, um die andere Seite brutaler Gewalttaten zu bezichtigen. In Israel hat sich für die Gräuelpropaganda der anderen Seite bereits das Schlagwort "Pallywood" dafür eingebürgert. Nun hantiert auch Israel mit solchen Darstellungen. Der Verteidigungsminister hat die mutmaßlich völkerrechtswidrige Total-Blockade und Aushungerung des Gazastreifens damit begründet, dass man gegen "Tiere in Menschengestalt" kämpfe. Nun versucht man, die angeblichen Belege quasi "nachzuschieben", wissend dass einem die Welt an den Lippen hängt.

Doch die Darstellung klingt plump: Man kennt die Nummer aus anderen Konflikten. Das Repertoire reicht von "Assad vergast sein eigenes Volk" bis hin zu "Gaddafi verteilte Viagra an seine Truppen, um Massenvergewaltigungen zu provozieren." Vermutlich das bekannteste Beispiel westlicher Gräuelpropaganda ist aber die "Brutkasten-Lüge", welche als Grundlage für den ersten Golfkrieg diente. Damals behauptete ein jugendliches Mädchen, dass irakische Soldaten kuwaitische Babys aus Brutkästen rissen und auf den Boden warfen. Jahre später stellte es sich als Erfindung einer US-PR-Agentur heraus, das schauspielernde Mädchen war die Tochter des kuwaitischen Botschafters.

Auch Palästinenser-Video mit totem Baby

Doch in der aktuellen Situation operiert natürlich nicht nur die israelische Seite mit derartigen Videos. Ebenfalls in sozialen Medien verbreitet sich ein Video, in dem Palästinenser ein mutmaßlich totes Kleinkind aus den Trümmern tragen. Wie viele Geschichten auch auf der anderen Seite, lässt sich die Geschichte nicht unabhängig bestätigen. Aber beide Seiten sind erfahren darin, internationales Mitleid für ihre jeweilige Situation zu erregen.

Sie wissen: Bei Frauen und Kindern hört das Verständnis der allermeisten Menschen auf und lässt selbst die rationalsten Männer ihre geopolitische Bewertung anhand emotionaler Manipulation treffen. Daher bauen auch beide Seiten massiv auf diese Mittel der psychologischen Kriegsführung. Freilich: Wenn diese Geschichten sich erhärten sollten, sind sie furchtbar. Aber bis dahin seien Beobachter in der Ferne stets daran erinnert, dass im Krieg zuerst die Wahrheit stirbt. Und zwar auf allen Seiten. 

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