Guterres gegen Völkermord: Israel will UNO-Mitarbeitern das Visum verweigern
Nach der Eskalation des Nahost-Konflikts fand Antonio Guterres plötzlich zu jener Rolle zurück, die ihm als UN-Generalsekretär eigentlich zufallen sollte: Die des Vermittlers auf geopolitischer Ebene, um den Frieden wiederherzustellen. In einer vielbeachteten Rede verurteilte er die Hamas-Angriffe aufs Schärfste, geißelte aber auch Israel für seine völkerrechtlich höchst bedenkliche Vergeltung. Das Land ist nun stocksauer und will der UNO eine Lektion erteilen und daher die Visa für ihre Mitarbeiter verweigern.
Sogar Guterres kritisiert Israels Vergeltung
Bislang war Guterres immer der Liebling der Systemvertreter, der Mainstream-Medien, der Transatlantiker und der globalen Eliten. Sie jubelten ihm zu, als er die Klima-Apokalypse heraufbeschwor und am WEF-Gipfel die Zensur von Kritikern forderte. Als er sich im Ukrainekrieg massiv gegen das russische Vorgehen stellte, galt seine Wertung als Autorität. Die Einheitspresse listete gerne genüsslich jene Staaten auf, welche sich gegen Russland gestellt hätten, um zu verschleiern, dass vor allem der Westen die Total-Isolation des Landes wollte. Doch nun ist alles anders: Der ehemalige sozialdemokratische portugiesische Regierungschef ist neuerdings ein Buhmann.
Der Grund dafür: Er hatte es gewagt, Israel zu kritisieren. Er erinnerte das Land an die Notwendigkeit, die Zivilbevölkerung in Gaza zu schützen. Zudem ordnete Guterres den Konflikt in seinem großen Ganzen ein: Man müsse auch sehen, dass der Hamas-Angriff "nicht aus einem Vakuum heraus" entstanden sei. Der israelische Staat besetze Palästina nunmehr seit 56 Jahren. Dieses Leid könne zwar die schrecklichen Angriffe auf Israel nicht rechtfertigen. Umgekehrt gelte aber auch, dass diese Angriffe "die kollektive Bestrafung des palästinensischen Volkes nicht rechtfertigen" können.
Israel verweigert UN-Mitarbeitern Visum
Die Transatlantiker-Blase ist außer sich, Israel auch. Aus allen Richtungen hagelt es plötzlich Rücktrittsforderungen, auch der israelische UNO-Botschafter Gilad Erdan forderte diesen. Der Außenminister des Landes, Eli Cohen, sagte ein Treffen mit Guterres ab: "Ich werde den UN-Generalsekretär nicht treffen. Nach dem 7. Oktober gibt es keinen Platz mehr für eine ausgewogene Position." Immerhin, so der Politiker aus der Netanjahu-Partei "Likud", kämpfe man gerade gegen "die neuen Nazis". Eine ziemliche Überreaktion, hatte doch sogar US-Außenminister Anthony Blinken zuvor eingemahnt: "Es gibt keine Hierarchie, wenn es um den Schutz von zivilem Leben geht."
Doch das offizielle Israel hat seinen neuen Sündenbock in Form des UN-Generals: "Aufgrund seiner Äußerungen werden wir uns weigern, UNO-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern Visa zu erteilen", legte Erdan am heutigen Mittwoch nach. Man habe bislang bereits ein Visum für UNO-Nothilfekoordinator Martin Griffiths verweigert. Dass man mit diesem beginnt, dürfte kein Zufall sein: Ist Griffiths doch dafür zuständig, dass die humanitären Hilfelieferungen im Gazastreifen ankommen. Am Rande einer Nahost-Konferenz in Kairo hatte er betont, wie wichtig es sei, zu gewährleisten, dass es keine Lücke in der grenzüberschreitenden Hilfe für palästinensische Zivilisten gebe.
Tausende tote Kinder im Gazastreifen
Für das UNO-Kinderhilfswerk (UNICEF) ist die Zahl der Todesfälle und Verletzungen von Kindern im Gazastreifen "einfach erschreckend". Bei den israelischen Gegenschlägen seien in den letzten zwei Wochen 2.360 Kinder ums Leben gekommen und weitere 5.364 verletzt worden. Kinder würden fast die Hälfte der knapp 2,3 Mio. Einwohner des Gazastreifens ausmachen, die ganze Bevölkerung dort leide nach der Total-Blockade Israels an akutem Wassermangel. UNICEF fordert beide Konfliktparteien auf, einer humanitären Feuerpause zuzustimmen. Kritisiert wurden auch Angriffe auf Krankenhäuser und Schulen, bei denen neben Kinder auch UN-Mitarbeiter zu Tode kamen.
Schallenberg verstört mit verrohtem Sager
Während auch die meisten EU-Außenminister wollen, dass die Hilfe für die Zivilisten sicher ankommt, stemmen sich ausgerechnet die deutschen und österreichischen Vertreter dagegen. - Der Status berichtete. Der heimische ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg setzte der ganzen Nummer auch noch die Krone auf: Er rechtfertigte nämlich die brutale Vergeltung Israels damit, dass "die Israelis anrufen, bevor sie ein Gebäude bombardieren". Eine gewagte Aussage aus dem Mund des außenpolitischen Vertreters eines offiziell neutralen Landes. Schallenberg dementierte sogar, dass es in diesem Konflikt so etwas wie "Äquidistanz" geben könne.
Waldheim bot Israel als UN-General Paroli
Apropos Österreich: Es wäre nicht das erste Mal, dass Israel einen UN-Generalsekretär zur "persona non grata" erklärt. Der spätere Bundespräsident Kurt Waldheim - in dieser Funktion erntete er ein US-Einreiseverbot - bekleidete den Posten von 1972 bis 1981. Dabei geriet er mehrfach mit Israel und den USA in Konflikt; erstmals 1974, als er das Recht von Ex-Palästinenserführer Jassir Arafat verteidigte, vor der UN-Vollversammlung sprechen zu dürfen. Zudem wurde unter seiner Ägide ein Angriff Israels auf den Libanon ebenso per Resolution verurteilt wie die israelische Siedlerpolitik in den Palästinensergebieten. Zeitweise galt der Zionismus dann gar als "rassistische Ideologie".
Kurz vor dem Ende seiner Amtszeit eskalierte die Lage noch einmal: Israel hatte einen mit französischer Unterstützung errichteten Atomreaktor im Irak bombardiert. Waldheim fand damals deutliche Worte: Dieser Angriff stehe "in klarem Widerspruch zu internationalem Recht und muss verurteilt werden." Israel hingegen berief sich bereits damals auf Artikel 51 der UN-Charta - das nun erneut schlagende "Recht auf Selbstverteidigung". Zudem weigerte sich Israel in der Folge beharrlich, einem Atomwaffen-Sperrvertrag beizutreten. Später, als Waldheim dann Präsident war, versuchte Israel ihn international zu rehabilitieren - es ging um die Befreiung einer israelischen Geisel im Iran.
Kreisky verteidigte Österreichs Interessen
Waldheim war übrigens nicht der einzige für seine Außenpolitik bekannte österreichische Spitzenpolitiker vergangener Jahre, der Israel nicht alles durchgehen ließ. Ausgerechnet Ex-SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky, legte sich 1973 ebenfalls mit Israel an. Damals hatten palästinensische Terroristen in Niederösterreich jüdische Emigranten aus der Sowjetunion, die dort vor ihrer Weiterreise nach Israel in einem Zwischenlager unterkommen sollten, in ihre Gewalt gebracht. Der Altkanzler ging auf deren Forderungen ein, und konnte die Geiseln so freibekommen. Gegenüber der arabischen Welt konnte er die Situation kalmieren, indem er die Schließung des Lagers kommunizierte.
Dabei blieb er, obwohl die USA und Israel ihn abbringen wollten. Die israelische Premierministerin Golda Meir behauptete faktenwidrig, Kreisky habe ihr "nicht einmal ein Glas Wasser" angeboten. Er selbst gab einer israelischen Tageszeitung ein Interview. Darin sagte er: "Ich bin Bundeskanzler nicht des Judenstaates, sondern Österreichs, und ich führe eine Politik, die eine österreichische Politik ist. Sie können von mir nicht erwarten, dass ich irgendetwas mache, das gut ist für die Interessen Israels, aber schlecht für die Interessen Österreichs. Ich kann versuchen, Israel zu verstehen, ich kann versuchen, Euch auch zu helfen.‘" Der Jom-Kippur-Krieg brach wenige Tage später dennoch aus.
Sie können von mir nicht erwarten, dass ich irgendetwas mache, das gut ist für die Interessen Israels, aber schlecht für die Interessen Österreichs. Ich kann versuchen, Israel zu verstehen, ich kann versuchen, Euch auch zu helfen.‘ Das tue er ohnehin, meinte Kreisky, denn an
— Jürgen Klatzer (@JurgenKlatzer) October 23, 2023
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