Auslieferung aufgeschoben: Etappensieg für Assange - mit fahlem Beigeschmack
Am heutigen Dienstag sollte eigentlich die endgültige Entscheidung darüber fallen, ob Julian Assange in Großbritannien weitere Rechtsmittel ergreifen darf gegen seine Auslieferung an die USA, die ihn bis zu 175 Jahren wegsperren wollen, weil er ihre Kriegsverbrechen aufdeckte. Letzten Endes wurde darüber nicht endgültig geurteilt - aber es könnte sich zumindest etwas in seine Richtung bewegen. Denn das zuständige Gericht verlangt US-Garantien, deren Einholung hat nun eine aufschiebende Wirkung. Zugleich muss er in der Zwischenzeit in Haft verbleiben.
Schutz vor Todesstrafe: Gericht fordert US-Garantie
Nachdem der Aufdecker-Journalist ohne Verurteilung seit 5 Jahren im als "britisches Guantanamo" bezeichneten Hochsicherheits-Knast Belmarsh in Einzel- und Isolationshaft verbrachte, scheint Großbritannien nun zumindest ein Restinteresse an etwas Rechtsstaat zeigen zu wollen. Die Warnung von Stella Assange, dass ein Auslieferung wohl den Tod ihres Mannes zur Folge hätte, war wohl zu eindrucksvoll, als dass man sich den Schuh anziehen will, ihn willfährig ans Messer geliefert zu haben. Eine unmittelbare Auslieferung ist vom Tisch, die USA haben nun eine dreiwöchige Frist zur Äußerung, ehe eine weitere Anhörung am 20. Mai über die weitere Vorgehensweise entscheidet.
In diesem Zeitraum soll Washington garantieren, dass im Umgang mit Assange im Falle einer Auslieferung sämtliche Gesetze zum Schutz der Meinungsfreiheit Beachtung finden - und zudem, dass eine Todesstrafe definitiv nicht infrage kommt. Das ist im Ernstfall freilich ein schwacher Trost: Denn die USA drohen ihm mit bis zu 175 Jahren Haft, u.a. wegen angeblicher "Spionage". Der amerikanische Machtapparat sinnt nämlich auf Rache, nachdem Assange mit der Veröffentlichung tausender geheimer Dokumente nachwies, mit welcher Ruchlosigkeit die USA bei ihren Militäreinsätzen in Afghanistan und im Irak vorgingen, einschließlich brutaler Kriegsverbrechen.
Aufschub der Auslieferung mit großem "Aber"
Können die USA ihre Garantien abgeben, dann wird in zwei Monaten erneut über sein Schicksal entschieden - weigert sich Washington, darf er weiter in Großbritannien gegen seine Auslieferung berufen. Der nunmehrige "Zwischenstand" hinterlässt Kommentatoren im kritischen Lager mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Zum einen wurde seine Berufung praktisch zugelassen und er wird nicht sofort in die USA ausgeliefert. Zum anderen bleiben die Vorwürfe aber weiter aufrecht, einige Argumente seiner Verteidiger wurden verworfen - etwa die US-Verschwörung, ihn zu ermorden.
Vor allem wird er wohl bis zu einem weiteren Jahr in Belmarsch verbringen müssen, und weiter um sein Recht kämpfen. In der Zwischenzeit muss er weiterhin physisch und psychisch zermürbende und zerstörende Haftbedingungen über sich ergehen lassen, obwohl sein Allgemeinzustand schlecht ist. Das Damoklesschwert, in absehbarer Zeit für das "Verbrechen" des investigativen Journalismus bis ans Lebensende weggesperrt zu werden, besteht weiterhin - ebenso wie die Gefahr, noch vor der Auslieferung zu versterben. Nicht Fisch und nicht Fleisch: Es ist wie ein Silberstreif am Horizont, aber in einer finsteren, wolkenbehangenen Neumond-Nacht.
Stelle Assange in einer ersten Stellungnahme nach der Verhandlung:
Stella Assange vor dem High Court in London, nach der Urteilsverkündung am 26.03.2024.
— Songül 🕊️ (@SonguelSunny) March 26, 2024
Sie fängt an mit: "Danke, dass ihr hier seid. Die Entscheidung von heute ist bemerkenswert. Die Gerichte haben anerkannt, dass Julian Assange einer eklatanten Einschränkung seiner Freiheit und… pic.twitter.com/nom9yYdCRn
Anlass zu verhaltener Freude oder großer Sorge?
Wir haben einige Stimmen zu den Neuigkeiten im Fall Assange gesammelt - teilweise sind es dieselben Kommentatoren, die sich zuerst über den Hoffnungsschimmer freuten, aber dann bei genauerer Analyse des Gerichtsprotokolls feststellen mussten, dass der Etappensieg einen fahlen Beigeschmack hat. Wieso der politische Ruf nach seiner Freilassung nicht lauter ist, will ebenso wenig einleuchten. Auch nach dem aktuellen Urteil meldeten sich unter Politikern vor allem Oppositionelle zu Wort.
Unrühmlich ist die Rolle der deutschen Ampel-Regierung, deren Politiker vor einigen Jahren noch exakt dies forderten - diese hehren Absichten aber in vorauseilendem Gehorsam beim Eintritt ins Ministeramt an der Garderobe abgaben. In Österreich stimmte die schwarz-grüne Regierung einen Antrag, sich für die Freilassung einzusetzen, schon vor einigen Jahren nieder. Zuletzt erinnerte einzig FPÖ-Chef Herbert Kickl mahnend an die Ungerechtigkeit, die Assange widerfährt - Der Status berichtete.
Julian #Assange: Etappensieg – die Berufung wird zugelassen
— GGI - Grüne für Grundrechte & Informationsfreiheit (@GGIund2G) March 26, 2024
Heute, am 26. März 2024 wurde das Urteil verkündet: Julian Assanges Berufung wurde zugelassen.
Als Gründe gibt das Gericht laut Stella Assange an, dass Julian Assange potenziell die #Todesstrafe drohen könnte, dass er… pic.twitter.com/f0wwjTfhIt
Dem Berufungsantrag von Julian #Assange wurde stattgegeben. Das bedeutet mindestens ein weiteres Jahr im kafkaesken Rechtssystem Grobbritanniens. Aber immerhin keine direkte Auslieferung an die USA. pic.twitter.com/Bn3iMaXsxc
— Martin Sonneborn (@MartinSonneborn) March 26, 2024
Besser als eine Auslieferung, aber denkt daran, dass Assange nicht am Prozess teilnehmen konnte, weil er beim Husten seine Rippe gebrochen hat. Beim HUSTEN. So sehr haben sie ihn zerstört.
— Jonas Danner (@MrJonasDanner) March 26, 2024
Jetzt bleibt er noch ein Jahr in Haft.
Die Wahrscheinlichkeit, dass er stirbt, ist hoch. https://t.co/yWRk90ds1e
*Breaking
— Manaf Hassan (@manaf12hassan) March 26, 2024
Gericht entscheidet: Assange darf gegen Auslieferungsbeschluss in Berufung gehen
Ein sehr wichtiger Erfolg für Julian Assange.
Der Kampf geht weiter. Er muss endlich freigelassen werden.#FreeAssangeNOW ✊🏼
Unglaublich. Das britische Gericht hat sich geweigert, neue Beweise für Pläne der CIA zur Entführung + Ermordung von Julian Assange zuzulassen.
— Jonas Danner (@MrJonasDanner) March 26, 2024
Begründung: Mit Auslieferung falle Grund für Entführung + Tötung weg. Daher seien Beweise redundant.
WTF pic.twitter.com/YrlLcciwlc
Ich war etwas zu voreilig & euphorisch beim neuen Urteil zu #Assange.
— Manaf Hassan (@manaf12hassan) March 26, 2024
Der Berufsantrag von Assange wurde in 6 von 9 Punkten abgelehnt. Bei den anderen 3 Punkten hängt es lediglich davon ab, ob die US-Regierung & der britische Innenminister bestimmte Garantien abgeben könnten.…
Dem Berufungsantrag von #JulianAssange wurde teilweise stattgegeben, eine Auslieferung an die USA vorerst gestoppt. Das ist aber nicht als Erfolg zu bezeichnen. #Assange befindet sich weiterhin in Haft, weil er Kriegsverbrechen aufgedeckt hat - und damit lediglich seine Arbeit…
— Bernhard Zimniok (@BernhardZimniok) March 26, 2024
Der #HighCourt in London hat heute dem Berufungsantrag von #JulianAssange zumindest teilweise stattgegeben. D.h. vorerst keine Auslieferung an die #USA. Doch wirklich freuen kann man sich ja kaum über weiteren Verbleib von #Assange im Belmarsh-Knast. Daher: #FreeAssageNow pic.twitter.com/xw56Ng7v9k
— Florian Warweg (@FWarweg) March 26, 2024
Gericht gestattet Berufung auf Grundlage von 3 von 9 beantragten Punkten, sofern die #USA innerhalb von drei Wochen keine ausreichenden Zusicherungen in diesen Punkten abgeben: dass #Assange sich auf den ersten Zusatzartikel der Verfassung der Vereinigten Staaten berufen darf…
— Sevim Dağdelen, MdB (@SevimDagdelen) March 26, 2024
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