Sein 'Verbrechen' lautet Journalismus

Assange-Prozess gestartet: 'Wird er an USA ausgeliefert, wird er sterben'

Welt
Bild (Assange 2014): David G Silvers / Cancillería del Ecuador, Flickr, CC BY-SA 2.0

Seit 12 Jahren hat Julian Assange kein Sonnenlicht mehr gesehen. Und geht's nach dem US-Machtapparat, sieht er es nie wieder. Nach zuerst sieben Jahren im ecuadorianischen Botschaftsasyl sitzt der Wikileaks-Gründer seit fast fünf Jahren im britischen Hochsicherheitsknast Belmarsh ein - in Isolationshaft, ohne Urteil. Am heutigen Dienstag startet der Prozess, in dem sich entscheidet, ob er ausgeliefert wird. Die USA wollen ihn bis zu 175 Jahre - also sein restliches Leben lang - einsperren, weil er ihre Kriegsverbrechen aufdeckte.

Verbrechen aufdecken als 'Verbrechen'

Der kollektiven Aufschrei im Westen nach dem "plötzlichen & unerwarteten" Tod des umstrittenen Kreml-Kritikers Alexej Nawalny in der Vorwoche wollen nicht enden. Selbst jene, die nicht auf Basis ihrer politisch motivierten, gerichtsmedizinische Ferndiagnose in den Krieg gegen Russland ziehen wollen, machen zumindest die Haftbedingungen verantwortlich. Die Verfolgung von Dissidenten, so der Tenor, zeige auf, dass das Putin-Reich eine mörderische Diktatur sei. Allzu oft sind die vermeintlichen Mahner für "Freiheit & Demokratie" dieselben, die zum Tod des US-Journalisten Gonzalo Lira im ukrainischen Gefängnis ebenso schweigen wie zum Schicksal von Julian Assange. 

Als der australische Investigativ-Journalist vor 14 Jahren abertausende Dokumente an die Öffentlichkeit brachte, welche schwerste westliche US-Kriegsverbrechen in Afghanistan und im Irak dokumentierten, änderte sich sein Leben schlaghaltig. Führende US-Politiker und Polit-Kommentatoren forderten im Fernsehen seine Hinrichtung, man verglich ihn sogar mit islamistischen Terroristen. Kurz darauf begann die juristische Repression mit fingierten Vorwürfen sexueller Vergehen in Schweden, die später fallen gelassen wurden, infolge derer er in die ecuadorianische Botschaft flüchtete. Als es so weit war, hatten es aber längst die USA auf seinen Kopf abgesehen.

Weil ein Status-Redakteur die oben genannte Heuchelei kritisierte, forderte SPÖ-Werbefuzzi Fußi sogar das staatliche Verbot unseres Mediums: 

CIA schmiedete schon Mordpläne

Aus seinem Botschafts-Exil, bei dem er jahrelang wegen der Gefahr von Anschlägen nicht einmal den Balkon betreten konnte, koordinierte Assange weitere Leaks, auch zu Spionage-Mechanismen der US-Geheimdienste. Die CIA reagierte auf ihre Weise: Man ließ die Botschaft verwanzen und schmiedete sogar Pläne zur außergerichtlichen Ermordung des mutigen Aufdeckers. Doch noch stand das Botschaftsasyl im Weg - allerdings nur bis April 2019. Nach einem Machtwechsel im südamerikanischen Land entzog man ihm das dortige Asylrecht und erlaubte britischen Polizisten, die diplomatische Vertretung zu stürmen und Assange in Gewahrsam zu nehmen.

Schon eine Stunde nach der Verhaftung stellten die USA ihr Auslieferungsgesuch scharf. Noch am selben Tag führte man ihm zudem einem britischen Haftrichter vor, der befand, durch seine Flucht in der Botschaft habe er sich seinerzeit der Justiz entzogen und somit gegen Kautionsauflagen verstoßen. Anstatt wie üblich eine Geldstrafe zu verhängen, verurteilte man ihn zu einer Haftstrafe. Plötzlich nahm auch Schweden die eingestellten Ermittlungen wieder auf. In den USA drohen ihm bei einer Auslieferung bis zu 175 Jahre Haft wegen "Spionage". Trotzdem erteilte die Briten-Regierung den Auslieferungsbefehl.

Seit 5 Jahren im "britischen Guantanamo"

Dieser konnte bislang noch nicht vollstreckt werden, da Assange ausholte, den Instanzenweg durchzufechten. Die britische Entscheidung sorgte weltweit ebenso für Entsetzen wie die amerikanische Sturheit, auf dem Spionage-Vorwurf zu beharren. Daran änderte sich auch nichts, als ein wichtiger FBI-Informant und Belastungszeuge zugab, in US-Verfahren gegen Assange einen Meineid begangen zu haben. Es mehrten sich in den Jahren 2019-21 die Rufe nach einer sofortigen Freilassung von Assange. Unter jenen, die sich dem Aufruf seinerzeit anschlossen befinden sich mit Karl Lauterbach (SPD), Annalena Baerbock & Robert Habeck (beide Grüne) auch mächtige, heutige Ampel-Minister.

Kaum auf der Regierungsbank angekommen, schienen dieselben Politiker plötzlich auf Assange zu vergessen. Kein Wunder: Denn nun gilt es, sich US-Interessen bedingungslos unterzuordnen. Auf voller Länge: Während Baerbock auf der "Münchener Sicherheitskonferenz" (MSC) die Nähe zur nur wenige Stunden nach dem Tod ihres Mannes schon wieder grinsende Nawalny-Witwe suchte, schweigt die Außenministerin beharrlich zum Fall Assange, auch zum aktuellen Prozessbeginn. Dabei verschlechtert sich die Gesundheit des Aufdeckers ständig, er hatte im Gefängnis bereits einen Schlaganfall. 

Harte Haftbedingungen bedrohen sein Leben

Sein schlechter Allgemeinzustand ist sicher auch eine Folge der brutalen Haftbedingungen: Seit knapp fünf Jahren ist er im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London, in dem sonst nur Schwerverbrecher sitzen - in einem Trakt, der üblicherweise für Terroristen reserviert ist. Die Haftanstalt, wegen ihrer Härte auch als "britisches Guantanamo" bezeichnet, hält ihn in Einzel- und Isolationshaft. Man verweigert ihm den Kontakt zu anderen Häftlingen, 23 Stunden am Tag muss er in der Zelle bleiben. Wie Thomas Oysmüller am TKP-Blog berichtet, soll sein "Freigang" daraus bestehen, die restliche Stunde in einem anderen, totalüberwachten und geschlossenen Raum verbringen zu müssen.

"Seine Blässe lässt sich am besten als Totenblässe beschreiben": Diese drastischen Worte nützt ein Freund, der ihn vor Kurzem besuchte. Eine seltene Freude: Auch seine Frau und seine beiden jungen Söhne durften ihn teilweise monatelang nicht sehen. Am heutigen Dienstag beginnt nun der Prozess, in dem entschieden wird, ob Assange in Großbritannien alle Rechtsmittel ausgeschöpft hat. Wird seinem Widerspruch gegen die Überstellung in die USA nicht stattgegeben, startet das formelle Auslieferungsverfahren. In Kürze könnte Assange dann ungeachtet gesundheitlicher Beschwerden, wegen der er der Verhandlung fernbleiben musste, noch härtere Haft erdulden müssen. 

Weltweite Solidaritäts-Demos für Assange

All dies geschieht, während man ihm im Westen am Liebsten vergessen würde. Eine besonders absurde Scharade lieferte dabei der "Österreichische Journalisten-Club" (ÖJC) ab. Hatte dieser noch vergangenen August die "sofortige Freilassung" gefordert, warf er nun ein Mitglied seines Vorstandes heraus und erteilte diesem Hauverbot, weil dieses sich im Vorfeld des aktuellen Prozesses nämlich für Assange stark machte. Die absurde Begründung: Die Übergabe offener Briefe an die Botschaften von Australien, Großbritannien und der USA sei problematisch. Denn der ÖJC dürfe "nicht politisieren", weil im dies der Ethikkodex des ORF (!) verbieten würde - kein Witz!

Doch während der polit-mediale Komplex lieber den Mantel des Schweigens über die Vorgänge breiten würde, lässt sich das Volk sein Rechtsempfinden nicht diktieren. Weltweit finden Solidaritäts-Demos für Assange statt. An jener vor dem Gerichtsgebäude in London nahm auch seine Frau Stella teil. Und auch in der Wiener Innenstadt findet bzw. fand am Dienstagnachmittag eine von der GGI-Initiative veranstaltete Kundgebung statt, die seine Freilassung forderte. Viele Menschen wollen nicht verstehen, wie es möglich ist, dass man im sogenannten "freien Westen" einem Journalisten zum Vorwurf macht, zu mächtigen Leuten etwas zu genau auf die Finger geschaut zu haben. 

Auslieferung als faktisches "Todesurteil"

"Über ein Verbrechen zu berichten ist niemals ein Verbrechen": Mit diesen Worten bringt es seine Frau auf den Punkt. Das sehen auch unzählige Menschen in sozialen Medien so, die sich seit Tagen solidarisch mit Assange erklären. Aber in diesen bewegten Zeiten geht's in westlichen Ländern auch im Justizapparat weniger um ethische Überlegungen oder Grund-, Freiheits- und Menschenrechte, sondern um die "richtigen" Interessen.

Der High Court in London hat es in der Hand, dem Leidensweg von Assange ein Ende zu setzen - oder diesen noch zu verschlimmern. Wird er ausgeliefert, käme es einem Todesurteil gleich, so seine Frau mit Verweis auf seine angeschlagene Gesundheit: "Wenn er ausgeliefert wird, wird er sterben." Der Prozess ist vorerst für zwei Tage anberaumt, wann genau die Entscheidung feststeht, ist noch unklar. Es ist allerdings zu befürchten, dass er sich schon in wenigen Tagen im Flieger in die USA befinden könnte...

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