Inflation, kann man das essen?

Miese Honorare & Skandale: Wann wird Ärztekammer entmachtet?

Politik
Symbolbilder (2): Freepik; Ärztekammer: PictureObelix, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 AT; Komposition: Der Status.

Urologen und Zahnärzten reicht's: Sie proben nun den Aufstand gegen die skandalösen Kassen-Abschlüsse, welche die Ärztekammer-Oberen ausverhandelten. Dabei scheint man die Mediziner bei den Vergütungen verhöhnen zu wollen. Trotz einer Inflation von über 20% sollen die Ersatzraten im Schnitt nur um 3 Prozent & bei wichtigen Leistungen gar nicht angepasst werden. Es ist eine Politik, mit der sich mittelfristig der Fachärzte-Mangel insbesondere bei Kassenstellen noch weiter zu verschärfen droht.

Gesundheitssystem völlig aus den Fugen

Im Gesundheitssystem kracht es an allen Enden. Teilweise müssen in Spitälern ganze Stationen auf Notbetrieb zurückgefahren werden, weil es zu wenig Personal gibt. Zudem findet sich in manchen Bezirken für bestimmte Medizin-Teilbereiche oft nur noch ein einziger Kassen-Facharzt. Die Folge für die Bürger: Oft monatelange Wartezeiten, selbst bei lebensnotwendigen Untersuchungen. Jene Mediziner, welche noch ausharren, leiden indes unter chronischer Überarbeitung und können Patienten zugleich nicht immer jene Aufmerksamkeit zuteil werden lassen, die sie ihnen eigentlich bieten wollen, um deren Heilungsprozess bestmöglich zu begleiten. 

Doch das System hat den ohrenbetäubenden Warnschuss nicht so recht gehört. Die schwarz-grüne Koalition brachte eine Pseudo-"Gesundheitsreform" auf den Weg, bei der nur wenige neue Kassenstellen geschaffen werden. Zugleich bliesen diverse Politiker zum Halali auf Wahlärzte, denen sie die Misere anlasten. Das Resultat: Man debattierte über eine Streichung ihrer Erstattungen bei Krankenkassen, womit deren Praxisleistungen bald nur für Reiche erschwinglich wären. Wirkliche Lösungen blieb die Regierung schuldig, dafür will sie auf das Ausbau der Telemedizin und die Vorbereitung der KI-Medizin nach dem Prinzip "erst digital, dann ambulant oder stationär" forcieren.

Ärztestand für Eliten als Auslaufsmodell?

Für die Bürger droht dabei eine neue Zweiklassen-Medizin, bei der Wohlbetuchte sich einen Arzt leisten können - und der Rest mit unpersönlicher "Maschinenmedizin" abgespeist wird. Es droht aber nicht nur ein Anschlag auf die Gesundheit der Menschen - Studien beweisen, dass ärztliche Rituale den Heilungsprozess beschleunigen können - sondern auch auf die medizinischen Berufe. Die Ärzte, die bis zur Approbation eine harte Ausbildung durchlaufen mussten, sollen ausgehungert werden - in der Zukunft werden viele von ihnen schließlich nicht mehr gebraucht. Ein WEF-Bericht zum Potenzial der KI-Medizin kommt auf 50 Seiten gänzlich ohne Nennung des Arztberufs aus. 

Dies schafft man am besten, indem man die wirtschaftliche Grundlage der Mediziner angreift. Auch diese leiden unter der durch die Selbstmord-Sanktionen befeuerten Inflation. Medizinische Geräte brauchen häufig viel Strom - und der Engpass bei Medikamenten (deren Herstellung ebenso teurer wurde) treibt die Preise für Arzneien,  Diagnostika und Therapien auf allen Seiten. Natürlich haben auch viele von ihnen steigende private Ausgaben - die in Kombination mit betrieblichen Ausgaben ein Ende der einst so eisernen Regel, dass kein Arzt am Hungertuch nagen muss, in den Raum stellen. Sie sollen sich kaputt arbeiten - und am Ende bleibt ihnen herzlich wenig übrig. 

Kernleistungen nicht an Inflation angepasst

Besieht man die Verhandlungen der Ärztekammer mit den Sozialversicherungen, insbesondere mit der Selbständigen-Krankenversicherung (SVS), gewinnt man den Eindruck, dass dies durchaus so gewollt ist. Denn, obwohl die Gesamtinflation seit Jänner 2022 bei etwa 21% liegt, ist die Anpassung der Tarife für viele der wichtigsten Untersuchungen faktisch nicht existent. Besonders eklatant ist dies etwa bei Urologen, wo unter den sieben häufigsten Untersuchungen bei Patientinnen & den acht häufigsten Untersuchungen bei Patienten nur die erste Ordination angepasst wird - und das immer noch deutlich unter dem inflationsbereinigt erwartbaren Wert. 

Wie Insider dem Status bestätigen, beträgt die Anpassung im Schnitt nur etwa 3 Prozent, was einem Realverlust von 17% entspricht. Selbst die "Verbesserungen" entpuppen sich bei genauerem Hinsehen als Augenauswischerei. Der Behandlungszuschlag für Kontinenz-Störungen bei Kindern ist mangels Patienten-Frequenz quasi ein Leerposten. Auch die erhöhten Leistungen für Blasenspiegelungen betreffen nur einen geringen Anteil der Patienten. Die Öffnung des Leistungskatalogs für Positionen aus der Chirurgie und Gynäkologie ist für die Ärzte mit erheblicher Mehrarbeit verbunden, somit für die Ärzte trotzdem ein klassisches Nullsummenspiel. 

Nachverhandlung & Mitsprache gefordert

Diese Frotzelei wollen die Kassen-Urologen nicht auf sich sitzen lassen, denn sie fühlen sich über den Tisch gezogen. Entsprechend entschloss der Hauptausschuss des zuständigen "Berufsverbandes der Österreichischen Urologie" in seiner jüngsten Sitzung einstimmig, gegen den Ärztekammer-Abschluss zu protestieren. In einem Schreiben an die Kammer fordert man die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der SVS, eine echte Inflationsanpassung der Leistungen, einen Sitz am Verhandlungstisch für die Obleute aller Fachgruppen bei zukünftigen Verhandlungen und auch generell, dass die ÖAK endlich die Interessen der Mediziner vertreten möge. 

Und sie sind nicht die Einzigen: Denn auch die Zahnärzte gehen auf die Barrikaden, den bei ihnen sieht es ähnlich aus. Sie richten eine Petition an den zuständigen ÖAK-Bundeskurienobmann Dr. Edgar Wutscher. Auch sie fordern unverzügliche Nachverhandlungen der Abschlüsse mit der Krankenkasse. Zudem wollen auch sie, dass Fachgruppen-Obleute und Wirtschaftsexperten künftig Teil des Verhandlungsteams sind - und nicht, wie bis jetzt, nur Ärztekammer-Funktionäre. Diese sollen dann künftig vor den Verhandlungen verbindliche Mindestziele festlegen. Das sei eine existenzielle Frage: "Dies ist entscheidend für den Erhalt der Kassenmedizin!" 

Ärztekammer versinkt im Skandal-Sumpf

Doch all dies ist nur symptomatisch für eine Ärztekammer, die seit Jahren zunehmend im Skandal-Sumpf versinkt. Ob ominöse Luxus-Immo-Deals, irre Fantasien über Zwangsimpfungen, Maulkorb-Erlässe gegen kritische Ärzte, Mauscheleien mit der Politik über die Impf-Empfehlung oder Facebook-Gruppen, in denen Impfschäden verleugnet wurden: Am Ende stolperte der rote Ex-Ärztechef Thomas Szekeres über die lange Liste der Ungeheuerlichkeiten in seiner Amtszeit. Doch auch sein früherer Vize und Nachfolger Johannes Steinhart geriet schnell in Teufels Kücheals Malversationen um die Ärzte-Einkaufsplattform "Equip4Ordi" (E4O) öffentlich wurden.

Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen mehrere Personen wegen Untreue, Begünstigung und zuletzt sogar schwerem Betrug. Dabei standen Prämienzahlungen auf Basis falscher Gewinne und fragwürdige Kreditgeschäfte in Millionenhöhe im Raum. Die Beschuldigten behaupteten, auf Weisung bzw. Genehmigung von Steinhart gehandelt zu haben, dieser wies die Vorwürfe zurück. Dieser stand auch wegen ominöser Marketing-Zuschüsse für eine Ärzte-Software, laut einer Anzeige womöglich verdeckte Wahlkampf-Geschenke, in der Kritik. Es gilt zu allen Punkten die Unschuldsvermutung, aber das Entsetzen über die höchsten Vertreter des eigenen Berufsstandes ist bei der Ärzteschaft groß.

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