Kann das so stimmen...?

Vor Hamas-Angriff informiert: Presse-Fotografen angeblich klüger als Mossad

Welt
Symbolbilder (3): Freepik; Mossad-Logo: Wikimedia Commons (public domain) Komposition: Der Status

Am heutigen Donnerstag taucht in der Medienlandschaft plötzlich die Behauptung auf, dass Fotografen, die mit renommierten westlichen Nachrichten-Agenturen zusammen arbeiten, als "Embedded-Journalisten" die Hamas bei ihrem Angriff vom 7. Oktober begleitet hätten. Die Erzählung wirft nicht nur Fragen nach dem journalistischen Ethos auf. Sondern auch, ob es sich entweder um eine Blendgranate zur Rechtfertigung unhinterfragter Vergeltung handelt - oder ob das offizielle Israel nur zum Schein überrascht wurde.

7. Oktober: Zweifel an offiziellem Narrativ

Bereits kurz nach dem Hamas-Angriff auf mehrere israelische Kibbuzim und ein Psytrance-Festival blieben viele Fragen offen. Obwohl normalerweise der Grenzzaun überwacht wird und lieber zuerst geschossen wird, statt Fragen zu stellen, konnte die Hamas sich angeblich monatelang vorbereiten. Völlig überraschend sollen Terroristen mit Gleitschirmen in der Luft, mit Baggern auf dem Land und auch über den eigentlich von Israel blockierten Seeweg die Barriere überwunden und ein Massaker angerichtet haben. 

Auch der Mossad als angeblich "bester Geheimdienst der Welt" soll im Vorfeld geschlafen haben. Schnell tauchte daher die These auf, dass Netanjahu nach dem "Pearl-Harbor-Muster" eine Eskalation gerade recht kam, um von innenpolitischen Kalamitäten abzulenken und die Palästinenserfrage einer endgültigen Lösung zuzuführen. Zwei Wochen zuvor hatte er beim UNO-Gipfel eine Landkarte ohne Palästinensergebiete als Teil seiner Vision für einen "neuen Nahen Osten" gezeigt - Der Status berichtete.

Journalisten: Informiert, nun Freiwild?

Nun bekommen jene, die es für plausibel halten, dass Israel nicht den gesamten Wissensstand preisgab, neues Futter - in Form sensationalistischen Berichterstattung, auf die auch die "Bild" aufspringt. Mehrere Fotojournalisten, die ihr Material bei internationalen Agenturen abliefern, sollen vorab vom Angriff gewusst und die Hamas begleitet haben. Urheber der Geschichte ist die NGO "Honest Reporting", deren Ziel es ist "Medien auf ihre Voreingenommenheit gegenüber Israel zu überwachen".

Das offizielle Israel gibt sich bereits empört, Premier Netanjahu spricht von "Komplizen bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Der im Kriegskabinett vertrete Ex-Verteidigungsminister Benny Gantz gibt Journalisten im Zweifel schon einmal zum Abschuss frei: "Journalisten, die von dem Massaker wussten und dennoch tatenlos zusahen, wie Kinder abgeschlachtet wurden, unterscheiden sich nicht von Terroristen und sollten als solche behandelt werden."

Auch Israel nutzt "eingebettete" Berichte

Diese Stoßrichtung ist gleich doppelt unehrlich, denn Israel setzt selbst auf "eingebetteten Journalismus". So wiederholt "Bild"-Reporter Paul Ronzheimer seine Rolle aus dem Ukraine-Krieg und fährt mit IDF-Soldaten durch den Gazastreifen. Diese Art des Journalismus, die in der Kriegsberichterstattung mit dem US-Krieg im Irak erstmals im großen Stil Einzug hielt, ist umstritten. Zum einen liefert man frontnahe Bilder, zum anderen unterliegen die Reporter der Kontrolle der Militärs, die sie begleiten.

Sie nehmen die Dinge mitunter nicht mehr als neutrale Beobachter war, sondern durch die Linse eines gesteuerten PR-Agenten, zudem kann Militärzensur unliebsames Material "ausfiltern" oder durch geschickte Anleitung verhindern. Ex-WDR-Intendant Friedrich Nowottny (Jahrgang 1929), ein Relikt aus der goldenen Ära des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, charakterisierte diesen Typ Journalismus einst treffend: "Der Blick des Journalisten fällt durch den Sehschlitz des Panzers. Und der ist nicht sehr groß."

Unwissend oder durchtrieben?

So weit, so gut - doch folgt man der neuen Erzählung der Reporter, die mit der Hamas nach Israel stürmen, wird erneut die Frage nach dem Wissensstand des offiziellen Israel virulent. Denn egal, welche Deutung zutrifft, wären die Implikationen alarmierend. Denn entweder wissen freie Fotojournalisten aus der Region besser Bescheid als ein international renommierter Geheimdienst - oder die israelischen Nachrichtendienste wussten mehr, als sie zugeben wollten und ließen die Hamas in der Tat gewähren. Denn bei allen Unterschieden in der Ausrichtung der Netanjahu-Regierung und der Hamas vereint sie eines: Die Ablehnung einer friedlichen Zwei-Staaten-Lösung.

So muss nun sogar der ORF eingestehen: "Geblendet wurde Netanjahu dabei von seinem eigenen, seit mehr als 20 Jahren verfolgten 'Konzept', so das Gros der Kommentatorinnen und Kommentatoren in Israel in seltener Einigkeit: Man müsse Hamas bis zu einem gewissen Maß stärken, um so die gemäßigte Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zu schwächen und damit internationalem Druck für eine politische Lösung des Nahost-Konflikts das Wasser abzugraben." Dass Israel die Hamas in der Vergangenheit nicht nur aus taktischem Kalkül "großwerden" ließ, sondern sogar finanziell und organisatorisch unterstützte, deckte Der Status bereits auf.

+++ Folgt uns auf Telegram: t.me/DerStatus & auf Twitter/X: @derStatus_at +++

Dir gefällt unsere Arbeit? Unterstütze uns jetzt mit deiner Spende, damit wir weiterhin berichten können!

Kontoinhaber: JJMB Media GmbH
IBAN: AT03 1500 0043 9102 6418
BIC: OBKLAT2L
Verwendungszweck: Spende

Weitere Artikel, die Sie interessieren könnten