Hochgezüchteter radikaler Gegner

Geister, die sie riefen: Israel an Hamas-Gründung maßgeblich beteiligt

Welt
Symbolbilder (4): Freepik; Komposition: Der Status

Gegen einen ruchlosen Gegner lässt sich ein brutales Vorgehen leichter argumentieren: Israel und seine Unterstützer in der Weltöffentlichkeit sehen die Bilder der furchtbaren Übergriffe auf Zivilisten durch Hamas-Kämpfer als Rechtfertigung, mit schwerer militärischer Vergeltung zu antworten. Dabei führen Kritiker seit Jahren Indizien ins Feld, wonach Israel selbst die radikalislamische Gruppe in einer "Teile und Herrsche"-Taktik als Alternative zur sekulären Fatah von Ex-Palästinenserführer Jassir Arafat hochzüchtete.

Israel unterstützte Hamas gegen Arafat

Die Geschichte der Hamas ist untrennbar mit taktischen Überlegungen Israels & der USA verbunden: Diese Darstellung stammt aus Artikeln bei der 8-mal für ihre Auslands-Berichterstattung mit dem Pullitzer-Preis prämierten "Washington Post" und dem Zentralorgan der britischen Linken, dem "Guardian". In einem Gastartikel in letzterer Zeitung schrieb Avi Shlaim, ein Oxford-Professor, der jahrelang in der israelischen Armee diente: "[Israel] spielt das alte 'Teile und Herrsche'-spiel zwischen rivalisierenden Palästinenser-Gruppen. In den späten 80ern unterstützte Israel die aufsteigende Hamas, um Arafats sekuläre Nationalistenbewegung Fatah zu schwächen." 

20 Jahre später billigte Shlaim auch Vertretern der transatlantischen US-Weltpolizei-Blase eine ungute Rolle zu: "Aggressive amerikanische Neokonservative nahmen an einer sinistren Verschwörung teil, mit dem Ziel, einen palästinensischen Bürgerkrieg anzuzetteln. Deren Einmischung war ein wichtiger Faktor im Zusammenbruch der Vereinigungsregierung, in dessen Folge die Hamas sich bemüßigt sah, im Gaza-Streifen im Juni 2007 die Macht zu ergreifen um einem Fatah-Putsch zuvorzukommen." Dass die Hamas überhaupt in der Lage war, sich dort als unumstrittene regionale Machthaberin selbst einzusetzen, hat allerdings mit 40 Jahren Vorlauf zu tun. 

Man ließ Radikalislamisten gewähren

Praktisch direkt nach der Eroberung des Gazastreifens im Sechstagekrieg von 1967 ließ Israel islamistische Gruppen im Umfeld der Muslimbruderschaft frei fuhrwerken, erst 1988 sollte sich aus deren Vermächtnis im Zuge der berüchtigten "ersten Intifada" die Hamas gründen. Man sah in den Hamas-Vorläufern eine nützliche Gruppe, um Arafat und die Seinen in Schach zu halten. Schon im Jahr 2009 gab ein israelischer Beamter, der in den 80er Jahren selbst im Gazastreifen tätig war, zu: "Wenn ich die Abfolge der Geschehnisse Revue passieren lasse, glaube ich, haben wir einen großen Fehler gemacht." 

Und die Unterstützung für die Hamas-Vorgänger war groß: So billigte Israel die Schaffung der Islamischen Universität von Gaza, die heute als Hort der Militanz gilt. Man freute sich über die religiösen Extremisten, weil sie Schulen, Kliniken und Büchereien bauten - heute ein Mitgrund für den Rückhalt in der Bevölkerung Gazas. Im an den Rollstuhl gefesselten Islamisten Ahmad Yasin sah man keine Bedrohung, doch am Ende sollte sich ausgerechnet aus seiner "Mujama al-Islamiya" (Islamisches Zentrum), von Israel sogar als Wohltätigkeits-Organisation anerkannt, die Hamas-Gründer rekrutieren... 

Israel finanzierte Hamas-Vorgänger

Mit "Unterstützung" ist dabei auch offen die Finanzierung gemeint, wie der frühere israelische Militärgouverneur des Gazastreifens, Brigadegeneral Yitzhak Segev, darlegte: "Die israelische Regierung gab mir ein Budget, und die Militärregierung übergab sie an die Moscheen." Der Nahostkorrespondent der "New York Times", David Schipler, sagte im Jahr 2002 im Bezug auf diese in die Jahre 1967-75 fallenden Geldspritzen: "Diese frühe Finanzierung säte die Saat von Hamas und anderen islamischen Bewegungen, die mit Terrorismus den israelisch-palästinensischen Friedensprozess untergruben." 

Der Nahostexperte Aaron David Miller vom Woodrow Wilson Center, der Forschungseinrichtung des US-Kongresses, stellte im Jahr 2014 fest: Die israelische Regierung sei voller Politiker, die kein Interesse an der Schaffung eines separaten Pälestinenser-Staates haben. Daher käme ihr die ständige Sicherheitsbedrohung durch die Hamas-Raketen gerade recht, um politisches Kleingeld zu waschen. Die beiden Seiten können nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander leben. Auch bei der aktuellen Eskalation käme der mit innenpolitischen Protesten konfrontierte Regierung ein Angriff gelegen, um das israelische Volk per Macher-Image hinter sich einzuschwören. 

Setzte Israel auf "Macht der hässlichen Bilder"?

Tatsächlich stellt sich die berechtigte Frage, wie der Hamas-Angriff so einfach passieren konnte. Der israelische Geheimdienst Mossad gilt als einer der besten der Welt. Das milliardenschwere Überwachungssystem Israels hätte ebenfalls anschlagen müssen. Dies machte auch die israelische Journalistin Efrat Fenigson, die ebenfalls ihrem Land diente, stutzig: "Ich habe vor 25 Jahren in den Geheimdienstkräften der IDF gedient. Es ist meine Ansicht nach völlig unmöglich, dass Israel nicht wusste, was auf das Land zukommt. Normalerweise werden schon alle Kräfte mobilisiert, wenn eine Katze sich entlang des Grenzzaunes bewegt." 

In diesem Fall hingegen schaute die "stärkste Armee der Welt" offenbar zu, bis Hamas-Kämpfer auf dem Land-, See- und Luftweg nach Israel eingedrungen waren und hunderte Personen getötet hatten. Dass das ganze an einem Sabbat - dem jüdischen Ruhetag - geschah, reicht als Erklärung nicht aus. Der Verdacht, dass Israel es darauf anlegte, hässliche Bilder zu haben, mit denen man die Weltöffentlichkeit bei einem rabiaten Gegenschlag auf seiner Seite hätte, ist zumindest nicht völlig abwegig. Bereits in der Vergangenheit rechtfertigten Länder Einmärsche beim Volk und beim Ausland gleichermaßen mit Angriffen, die man im Sinne der Deutungsmacht gewähren ließ.

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