Prigoschin kocht eigenes Süppchen

Oligarchen-Putsch: 'Wagner'-Söldner nahmen Rostow ein, Putin spricht von Verrat

Welt
Screenshot: Telegram; Russland-Flagge: Freepik; Putin/Prigoschin (2010): Government of the Russian Federation, Wikimedia Commons, CC BY 3.0

Am Freitagabend eskalierte die Lage in Russland: Nach angeblichen Angriffen der russischen Armee auf Stellungen der "Wagner-Gruppe" des Oligarchen Jewgeni Prigoschin, erklärte dieser, sich mit 25.000 Gefolgsleuten gegen die Armee zu stellen. Während einige Stimmen im Westen bereits von einem Regimewechsel im Kreml träumen, verurteilte Putin am Samstagmorgen den Aufstand auf Schärfste und sprach von einem Verrat am Vaterland.

Prigoschins Söldnertrupp nimmt Rostow ein

Prigoschin, dessen von seiner Person selbst geführter Söldnertrupp etwa aktiv an den Kämpfen um Bachmut, war außer sich: In einer wütenden Videobotschaft kündigte er einen Bruch mit der russischen Armee und Verteidigungsminister Sergej Schoigu an, den er mit einem Beschuss seiner Stellungen begründete. Er behauptete zudem, die offizielle Kreml-Begründung für den Krieg entspräche nicht der Wahrheit. In den Stunden vor seiner Ankündigung hatten sich Mitglieder der "Gruppe Wagner" laut Informationen in sozialen Medien teilweise bereits von ihren Familien verabschiedet, für den Fall, dass die Aktion schiefgeht. 

Das offizielle Russland nahm die Bedrohung durchaus ernst: Noch am Freitagabend versuchte Sergej Surowikin, bis Jänner der Kommandeur der russischen Streitkräfte in der Ukraine und in Prigoschins Augen einiges Ansehen genoss, den Oligarchen & Söldner-Chef von seinen Putschplänen abzuhalten und stellte sich auf die Seite des russischen Präsidenten. Letztlich ein erfolgloser Versuch: Prigoschins Trupps übernahmen die Kontrolle über die grenznahe Stadt Rostow-am-Don und vor allem das dortige Armeezentrum für den Süden, dem eine zentrale Rolle in der Koordination des Ukraine-Feldzugs zukam - angeblich relativ widerstandslos. 

Putin verurteilt Aufstand als "Verrat"

Am Samstagmorgen meldete sich Präsident Putin in einer Rede zu Wort - und spätestens da war endgültig klar, dass es sich um kein Täuschungsmanöver unter Mitwissen des Kreml handelt. Der Staatschef verurteilte die bewaffnete Meuterei Prigoschins als "Stich in den Rücken" und "Verrat am Land" und gelobte, Russland und sein Volk gegen diese Bedrohung verteidigen zu wollen. Er appellierte an all jene, die "durch Täuschung oder Drohungen in eine kriminelles Abenteuer hineingezogen" worden seien, zur Umkehr und zur Rückkehr von Recht & Ordnung. Er bediente Vergleiche mit den inneren Querelen der Revolution von 1917, die Russland um einen Sieg im Kriege gebracht habe. 

Er habe kein Verständnis für dieses Vorgehen: "Die Helden, die Soledar und Bachmut, Städte und Städte des Donbass, befreiten, kämpften und ihr Leben für Novorossija, gaben für die Einheit der russischen Welt: Ihr Name und ihre Herrlichkeit wurden auch von denen verraten, die versuchen, eine Rebellion zu organisieren, das Land in Anarchie und Bruderschaft zu treiben." Alle, die sich absichtlich auf den Weg des Verrats begeben hätten, würden bestraft. In Moskau, der umliegenden Region und weiteren Regionen würden Anti-Terror-Maßnahmen laufen, man sei zudem bemüht, die Lage in Rostow zu stabilisieren.

Putins Rede dürfte auch auf die Stimmung in Rostow einen Einfluss gehabt haben - es formiert sich erster Widerstand gegen die Entwicklungen: 

Prigoschin spekuliert sogar mit Putin-Sturz

Nach dieser Ansprache war Prigoschin außer sich und bekundete in einem Video, nun auch Putin stürzen zu wollen: "Er hat sich falsch entschieden. Bald gibt es einen neuen Präsidenten." Seine Söldner geben sich siegessicher: "Das geht an Moskau - ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie nie wir sind. Wartet auf uns: Ihr hättet nicht damit anfangen sollen!" Er behauptet zudem weiter, weite Teile der Armee auf seiner Seite zu haben und kündigt einen offenen Putsch gegen das Verteidigungsministerium an. Nach der Übernahme der Kontrolle in Rostow sollen Prigoschin und seine Wagner-Truppe auch Teile der an den Oblast Rostow angrenzenden Region Woronesch in ihrer Gewalt haben. 

Prigoschin galt lange Zeit als Vertrauter Putins. Nach Aufbau eines von einem Imbissstand ausgehenden Imperiums im Lebensmittelbereich (daher stammte der Spitzname "Putins Koch") sahnte er staatliche Aufträge ab und gründete mit seinem immensen Vermögen eine private Söldnerarmee, die "Gruppe Wagner". Diese verdiente sich im Syrien-Konflikt und in Afrika einige Sporen, bevor sie an vorderster Front in der Ukraine kämpfte. Prigoschin hatte sich in den letzten Monaten mehrfach über mangelnde Unterstützung von staatlicher Seite ebenso beschwert wie über das aus seiner Sicht zu lasche Vorgehen im Krieg. Nun forderte er Söldner, Soldaten und Zivilisten zu Aufstand & Ungehorsam auf.

Oligarchen-Putsch bereits länger im Raum

Spannend ist in diesem Zusammenhang, dass westliche Medien bereits seit vergangenem Herbst darauf spekulieren, dass die "Oligarchen Putin stoppen" könnten. Vor einigen Wochen wurde erstmals ein Prigoschin-Putsch gegen Putin in den Raum gestellt. Dabei berief man sich auf den ehemaligen Geheimdienst-Oberst Igor Girkin, der ebenfalls zu den Stimmen gehört, die Putin in der Ukraine ein zu lasches Vorgehen unterstellen. Er sagte damals offen: "Wenn Prigoschin Chef der Wagner-Gruppe bleibt, wird die Meuterei schnell und radikal kommen." Immer wieder wurden zudem auch Kontakte des Söldner-Chefs zu Kyrylo Budanov, dem Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, kolportiert.  

Die Aussagen fielen wenige Tage, nachdem ein im Dunstkreis der ukrainischen Militärführung befindliches, aus Russen gebildetes, Söldner-Bataillon mehrere Dörfer im grenznahen Kreis Belgorod angriff, nur um in Windeseile zurückgeschlagen zu werden (Der Status berichtete). Nun kommt die Umsetzung des angekündigten Prigoschin-Putsch-Versuches auch noch zur Unzeit: Zuletzt schien sich die Situation der russischen Armee in der Ukraine zu konsolidieren, sogar der Kiewer Machthaber Wolodymyr Selenski musste einräumen, dass die vom Westen mit schweren Waffen massiv unterstützte "große Gegen-Offensive" ins Stocken geraten war und nicht den erwünschten Effekt habe. 

Transatlantiker reiben sich die Hände

Der Aufstand von innen gegen Putin - er war auch im Westen immer wieder ein Teil der Überlegungen, wie ein Regimewechsel in Moskau auszusehen habe. Auch Österreichs No. 1-NATO-Lobbyist Günther Fehlinger, der sogar bei ranghohen US-Freimaurern um Unterstützung bei der Beseitigung Putins bat, äußerte sich im exklusiven Der Status-Interview dahingehend, brachte einen Oligarchen-Putsch ins Spiel. Nun wittert er Morgenluft, fordert einen "Maidan in Russland" und den Aufstand "aller Russen gegen Putin". Apropos Maidan: Bis heute gilt - neben der Finanzierung durch Regimewechsel-Financier George Soros - eine Beteiligung Washingtons am Umsturz 2014 in der Ukraine als wahrscheinlich.

Auffällig ist auch die Jubelstimmung, die noch am Freitagabend in weiten Teilen der transatlantischen Blase ausbrach. "Bild"-Journalist Julian Röpcke schrieb sogar: "Der Mann ist das größte Geschenk". 

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