Biden liest die Kriegstreiber-Messe

"Heilige Verpflichtung": Kommt jetzt der NATO-Kreuzzug gegen Russland?

Welt
Kirche & NATO-Flagge: Freepik (2); Biden: The White Hose, Wikimedia Commons, public domain; Komposition: Der Status

Der Weltfrieden wurde schon längst am Altar der westlichen Kriegstreiberei geopfert. Nun, wo es zum Jahrestag der Eskalation gilt, das Glaubensbekenntnis zum transatlantischen Bündnis und dem Durchdrücken der US-Interessen in Osteuropa zu erneuern, schwenken die handelnden Akteure endgültig auf religiöse Rhetorik um. US-Präsident Joe Biden hält sich öffenbar auf göttlicher Mission, wenn man seine Wortwahl zum Maßstab nimmt, mit welcher er NATO-Territorium um jeden Preis verteidigen will.

Bündnisfall als "heilige Verpflichtung"

Von "Deus Vult" bis "Allahu Akbar": Mit der Bekräftigung einer quasi göttlichen Sendung konnten die Mächtigen dieser Welt schon seit Jahrhunderten naive Bürgerlein in aussichtslosen Gefechten als Himmelfahrtskommando verheizen. Bei seinem Besuch im katholischen Polen verklärte Biden die NATO-Interessen zum Kriegstreiber-Katechismus. Er sagte beim Treffen der "Bukarest 9"-Gruppe wörtlich über die Ausrufung des NATO-Bündnisfalls: "Artikel Fünf ist eine heilige Verpflichtung, welche die Vereinigten Staaten eingegangen sind. Wir werden buchstäblich jeden Zentimeter des NATO-Territoriums verteidigen."

Dass er mit dem "Wir" wirklich amerikanische Soldaten meint, ist unwahrscheinlich: Zum Kanonenfutter in einem großen Krieg werden die USA wohl eher die Europäer erküren, es sei denn die USA können sich wie in den beiden bisherigen Weltkriegen auch militärisch als heldenhafte Retter inszenieren, nachdem das Blutvergießen zuvor vor allem die Jugend Europas hinweggerafft hat. Die erste Front dieser Mission ist aber sowieso die Ukraine. "Sie wissen besser als jeder andere, was in diesem Konflikt auf dem Spiel steht, nicht nur für die Ukraine, sondern für die Freiheit der Demokratien in ganz Europa und in der Welt." 

Die Weltpolizei und der Bündnisfall

Amerika als Verteidiger der "Demokratie in der Welt": Mit diesem Schmäh destabilisieren die USA seit sieben Jahrzehnten Staaten rund um den Globus. Sie lassen Regimes, die ihnen nicht passen, stürzen und bomben ganze Länder in die Steinzeit zurück. Für ihre eigenen Ziele halten sie sogar den Tod von hunderttausenden Kindern für angemessen, wie die im Vorjahr verstorbene Ex-US-Außenministerin Madeleine Albright im Bezug auf die Irak-Kriege einst zugab. Nun schwört er die östlichen NATO-Staaten auf die heilige Mission aus Washington ein.

Beim Treffen in Warschau spricht er mit den Vertretern von Polen, Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Tschechien, der Slowakei sowie Estlands, Lettlands und Litauens. Unter diesen Ländern amtiert einzig mit Viktor Orban in Ungarn ein Politiker, der sein Land in einer neutralen Rolle sieht und kein Interesse daran hat, dass die Bürger seines Landes für fremde Interessen auf fremden Schlachtfeldern sterben müssen. Estland hatte hingegen bereits nach dem Einschlag von zwei S-300-Raketen in Polen im November gegenüber Moskau mit denselben Worten wie Biden nun gedroht ("bereit, jeden Zentimeter NATO-Territorium zu verteidigen")

Biden liest die NATO-Messe überall

Damals scheiterte das kollektive Geifern der Kriegstreiber im Westen am Umstand, dass sich herausstellte, das die Flugkörper vonseiten der ukrainischen Streitkräfte abgeschossen wurden. Sogar Polen und die USA mussten dies einräumen: Der von manchen Medienmachern herbeigeschriebene NATO-Bündnisfall wurde gegenüber dem Selenski-Regime natürlich nicht ausgelöst. Nun, nachdem sogar die internationale Empörung über die wahrscheinliche Rolle der USA als Drahtzieher des Nordstream-Anschlags ausblieb, geht allerdings auch Washington allmählich "all in": Wie zum Höhepunkt des kalten Krieges mimt Tattergreis Biden gegenüber Russland den starken Mann. 

Und egal, wo er auf seiner Europareise hinkommt, beschwört er die (un-)heilige NATO-Mission. Schon am Dienstag hatte er bei einer Veranstaltung in Warschau gegenüber Russland gedroht: "Jedes Mitglied der NATO weiß es und Russland weiß es auch: Ein Angriff gegen einen ist ein Angriff gegen alle. Es ist ein heiliger Eid, jeden Zoll NATO-Gebiet zu verteidigen." Die Ukraine will er indes bis zum bitteren Ende hochrüsten: "Wir werden nicht müde". Zu diesem Zweck fuhr Biden schon am Montag nach Kiew. Anstatt kritisch nachzufragen, jubilierte die Systempresse hingegen und zog großspurige Vergleiche zum Kennedy-Besuch in Deutschland ("Ich bin ein Berliner!") im Jahr 1963.

Zwischen Doppeldenk, Neusprech & Atomkrieg

Doch Biden wirkt mehr wie ein Käsekrainer als ein Ukrainer, nämlich wie der planlose Machthaber einer Großmacht, die seit Jahren um die Beibehaltung ihres Ranges als "Weltpolizei" ringt. Wie das Narrativ, dass Russland demnächst einen Mehrfrontenkrieg gegen den ganzen Westen aufmachen soll, damit zusammen passt, dass dasselbe Russland laut demselben Westen zeitgleich in der Ukraine ständig vor einer vernichtenden Niederlage steht, erklärt er nicht. Auch hier fragt die Systempresse nicht kritisch nach, wozu auch? In bestem Orwell'schem Neusprech sind Zusicherungen von Waffenlieferungen auf der "Siko" ein "Dialog für den Frieden", echte Friedensaktivisten dagegen "Putinversteher". 

Und so schürt die Westpresse lieber Ängste, dass Putins Aussetzung des "New START"-Abkommens den Weg in Richtung eines Atomkriegs zwischen dem Westen und dem Osten ebnen könnte. Dieses hatte die Anzahl der Atomsprengköpfe reglementiert, welche die USA und Russland aufstellen durften. Man schürt also die Sorge, dass Russland sein ganzes Atomwaffen-Arsenal gegen den Westen in Stellung bringt. Zwischendurch behauptet dann die Transatlantiker-"Bild" auf Basis eines angeblichen russischen Spionage-Überläufer, dass Moskau gar keine Atomraketen mehr besitze. Wenn man widersprüchliche Narrative lanciert, wird schon eines davon irgendwo zutreffen - oder doch keines von beiden? 

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