Blitz-Ergebnis wirft Fragen auf

Pilnacek-Obduktion: Unfall oder Suizid - Mord wird ausgeschlossen

Politik
Bundesministerium für Finanzen, CC BY 2.0 , via Wikimedia Commons; Google Maps, Komposition: Der Status

Nur einen Tag, nachdem die Forderungen nach dem Ergebnis der Obduktion im Fall Pilnacek unüberhörbar wurden, soll dieses plötzlich fertig sein. ÖVP-nahe Medien präsentierten es zuerst. Ein Fremdverschulden sei ausgeschlossen. Gleichzeitig wandte sich der Ersteller des Tapes, das den Parlamentspräsidenten Sobotka und die ÖVP in Bedrängnis bringt, an die Öffentlichkeit. Obwohl nun die Staatsanwaltschaft gegen Wolfgang Sobotka wegen Amtsmissbrauchs ermittelt, denkt dieser nicht daran, zu gehen. Der Krimi rund um Christian Pilnaceks Nachlass-Bombe geht weiter.

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Sebastian Kurz sprach von "Suizid" - Obduktion sieht auch möglichen "Unfall"

Nun soll das veröffentlichte Ergebnis der Obduktion bestätigen, was Sebastian Kurz schon wenige Stunden nach dessen Tod ganz genau gewusst haben will. Ein Fremdverschulden am Tod des Christian Pilnacek, der lange als einer der mächtigsten Männer in Österreichs Justizwesen galt, sei ausgeschlossen. Zur Erinnerung: Kurz erklärte im Zuge seines Falschaussage-Prozesses wenige Stunden nach dem Ableben Pilnaceks, dass er mit diesem noch in der Nacht seines Todes telefoniert habe. Und dass es sich um Suizid handle. Jetzt gesellt sich zur Kurz'schen These vom kolportierten Suizid eine weitere mögliche Todesursache: Unfall.

Rufe nach Netflix-Serie und unabhängiger Untersuchungskommission

Dass sowohl ein Unfall als auch ein Suizid möglich sind, ein Fremdverschulden aber ausgeschlossen werden kann, hinterfragen viele. Wie sich dieses Ergebnis zusammensetzt, das zuvörderst von ÖVP-nahen Medien veröffentlicht wurde, ist unklar. Und das öffentliche Interesse ist groß. Auf Twitter mehren sich die Wünsche nach einer eigenen Netflix-Serie zur Causa, die für viele einen Thriller aus "White Collar Crime" und "Deepstate" zu versprechen scheint. Quasi eine Wiener Version von "House of Cards". Kritische Stimmen, wie etwa der Journalist Thomas Oysmüller, fordern eine unabhängige Untersuchungskommission zum mysteriösen Tod des Christian Pilnacek.

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Framing: Wer hinterfragt, ist pietätlos

Doch geht es nach der ÖVP, so soll über den Tod des Pilnacek eine Mauer des Schweigens errichtet werden. Von Anbeginn bemühten sich ÖVP-Kanzler Karl Nehammer und dessen Partei darum, jede kritische Fragestellung zur Causa als Pietätlosigkeit zu verunglimpfen. Die politische Auseinandersetzung mit Christian Pilnaceks Aussagen, die wie aus dem Jenseits das Land erschüttern, sei eine "Störung der Totenruhe", so Nehammer. Und: "Christian Pilnacek kann sich dazu nicht mehr äußern". 

Tape-Leak - Ersteller schlägt zurück: "Die Totenruhe hat als erstes Sebastian Kurz gestört"

Dass sich Pilnacek zu all dem nicht mehr äußern kann und sich in Untersuchungsausschüssen in Bezug auf etwaige Druckausübungen durch die ÖVP stets enthielt, bedauern viele. So wohl auch Christian Mattura. Der Unternehmer aus dem Glücksspielbereich, der gleichzeitig in Gegnerschaft zur Novomatic (die bekanntlich "alle" zahlen soll) steht, bekannte sich zur Veröffentlichung des Tapes, das er aufgezeichnet haben soll.

Er erklärte betreffend der Pietätsvorwürfe in einem Interview: "Die Totenruhe hat als erstes Sebastian Kurz gestört." Hätte die ÖVP nicht gezielt die Schuld für den kolportierten Pilnacek-Suizid auf die WKStA geschoben, wäre er nicht an die Öffentlichkeit gegangen. Grundsätzlich habe er den Mitschnitt nur für sich persönlich angefertigt und nie vorgehabt, diesen zu publizieren. 

Die ÖVP fordert nun durch Generalsekretär Christian Stocker - wieder mit Verweis auf eine angebliche Pietätlosigkeit - eine Verfolgung Matturas durch die Staatsanwaltschaft. Und die FPÖ fordert eine Entschuldigung seitens der ÖVP, nachdem diese die Publikation des Tapes der FPÖ zugeschoben habe. Denn eine Gleichsetzung mit dem früheren BZÖ lassen die Blauen offensichtlich nicht auf sich sitzen.

Kickl: Nicht alle Schwarzen sind so - Sobotka muss weg 

FPÖ-Chef Herbert Kickl forderte in der gestrigen Pressekonferenz gemeinsam mit FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker Konsequenzen für Wolfgang Sobotka. Er betonte, dass es auch anständige Menschen in der ÖVP gebe, die über all das den Kopf schütteln würden. Die Verfassung biete jedoch kein Instrumentarium, um den mutmaßlichen Machtmissbrauch des zweithöchsten Mannes im Staat, der die Demokratie in Geiselhaft genommen habe, abzuberufen. 

Deswegen suche Herbert Kickl, der nächstes Jahr Volkskanzler werden will, ein gemeinsames Gespräch der Klubobleute der anderen Parteien mit dem Bundespräsidenten. Denn trotz der Vorwürfe Pilnaceks, die posthum aus dem Tape hervorgehen - Kickl sieht darin eine Anstiftung zum Amtsmissbrauch - weigert sich die ÖVP eisern, Sobotka zum Abtreten zu bewegen. Auch Sobotka selbst bekundete bereits, bis zum bitteren Ende auf seinem Polit-Sessel kleben zu wollen. 

Hintergrund: Die letzten Stunden des Pilnacek

Christian Pilnacek galt als ÖVP-nah und als einer der mächtigsten Männer in Österreichs Justizapparat. Bis die grüne Ministerin Alma Zadic ihn abberief. Doch Pilnacek stand kurz vor seiner Rehabilitation. Und genau das soll ihn auch in den letzten Stunden vor seinem Tod bewegt haben. 

Es war ein launiger Abend in der ungarischen Botschaft, an dem Vertreter mehrerer Parteien teilnahmen. Viele lauschten den siegessicheren Worten Pilnaceks, der sich auf seine Rückkehr als mächtiger Justiz-Sektionschef gefreut habe. Angriffig habe er sich an diesem Abend präsentiert. Das schilderten Zeugen gegenüber dem Status. Dass Pilnacek seine Heimfahrt nach Niederösterreich mit einem gewissen Alkoholpegel antrat, das sei nichts Ungewöhnliches, erklären Bekannte des Verstorbenen.

Kenner der High-Society-Szene speziell rund um das "Schwarze Kameel", aus der Pilnacek nicht wegzudenken war, wissen, dass die politischen Nachmittage dort grundsätzlich feucht-fröhlich ausfallen. Und auch der ein oder anderen politischen Größe wurde in Folge solcher Abende bereits der Führerschein "gezupft". 

Doch an diesem Abend soll Pilnacek falsch abgebogen - oder eher falsch aufgefahren - sein. Den Meldungen ist zu entnehmen, dass Pilnacek umgehend von der Polizei aufgehalten worden sei und ihm der Führerschein abgenommen worden sei. Ein Alko-Test habe 1,5 Promille ergeben. Eine Geisterfahrermeldung war am Folgetag nicht aufzufinden. Der Status hat eine umfangreiche Presseanfrage an die Polizei Niederösterreich gerichtet, die Beantwortung steht noch aus.

Danach sei er von seiner Lebensgefährtin, bei der es sich um eine Mitarbeiterin Wolfgang Sobotkas handeln soll, abgeholt worden. Doch Sobotkas "Organisationsassistentin" Anna P. möchte zur Anfrage des Status nichts sagen. Die gemeinsame Heimfahrt soll laut Insider-Informationen jedoch gescheitert sein. Aufgrund eines heftigen Streits habe sie ihn frühzeitig aus dem Auto aussteigen lassen.

Pilnacek habe sich daraufhin zu Fuß durch eine finstere Au auf den Heimweg begeben. Doch am gemeinsamen Wohnsitz sei er nicht angekommen. Die Antwort der Polizei Niederösterreich auf unsere Anfrage, ob die Lebensgefährtin eine Vermisstenmeldung absetzte, steht derzeit noch aus. 

Mehr Fragen als Antworten nach Obduktion

Letztlich sei Pilnaceks Leichnam am nächsten Morgen in einem Bach - zuvor wurde kolportiert, es habe sich um die Donau gehandelt - bei Rossatz-Arnsdorf aufgefunden worden, wie nun bekannt wurde. Sein Leichnam sei geradezu unkenntlich gewesen. Soll er sich aus Frustration über den Führerscheinentzug und den Streit mit der Geliebten in einem Bachbett ertränkt haben? Kenner des Pilnacek halten dies für unwahrscheinlich, zumal es sich beim Führerscheinentzug in den entsprechenden Kreisen eher um ein Kavaliersdelikt handelt.

Und was die Liebe betrifft, sollte dies nicht der erste Streit des 60-Jährigen gewesen sein, der als besonders beliebt in der Frauenwelt galt. Stolperte Pilnacek im Rausch und fiel in den Bach, in dem er tödlich verunglückte? War er allein? Und wenn es sich um einen solchen Unfall handelte, wie kann in der Obduktion dezidiert ausgeschlossen werden, dass kein fremdes Zutun dazu führte? Feinde hatte Pilnacek wahrscheinlich genug. Und so wirft das Obduktionsergebnis mehr Fragen auf, als es beantwortet.


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