Ausgeplündertes Sozialsystem

Hohe Arbeitslosigkeit in roten Ländern: Doch Joy Pam will nicht drüber reden

Politik
Armer Mann: Freepik; Rendi-Wagner: SPÖ Parlamentsklub / David Višnjić, Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.0; Komposition: Der Status

Die SPÖ würde sich gerne in ihrer historischen Rolle als Arbeiterpartei gefallen. Unter der Ägide von Joy Pamela Rendi-Wagner als Chef-Rote droht die endgültige Aufgabe dieses Anspruchs. Im "ZIB2"-Jahresbilanz-Interview lieferte sie einen erschreckend schwachen Auftritt ab. Ihre einzigen beiden Argumente: Sie ist eine Frau - und an allem anderen ist Doskozil schuld. Über die grassierende Arbeitslosigkeit in rot-regierten Bundesländern wollte sie gar nicht erst sprechen.

Keine Ahnung von hoher Arbeitslosigkeit

"Wir sind die stärkste der Partei'n; die Müßiggänger schiebt beiseite": Es wirkt so, als hätte die Bilderbergerin und Diplomaten-Gattin, die ihre Grundsatzreden am Liebsten im noblen Innenstadt-Palais zum Besten gibt, diese Textelle der "Internationalen" gründlich missverstanden. Denn die Menschen in Lohn und Brot zu bringen, scheint unter "Joy Pam" nicht mehr das größte Herzensanliegen zu sein. 

Denn als ORF-Moderator Armin Wolf sie auf den Umstand ansprach, dass ausgerechnet jene drei Länder, die einen SPÖ-Landeshauptmann haben, die höchst Arbeitslosigkeit aufweisen, wusste sie nicht weiter. Von den tatsächlichen Arbeitslosenzahlen hat sie keine Ahnung. Aber Wien könne man eben nicht mit "dem Rest" vergleichen, wischte sie den Einwand hinweg, zeigte sie, dass ihr Horizont nicht viel weiter als das Rote Wien zu reichen scheint. 

Viele Sozialhilfe-Empfänger in Wien

Die Arbeitslosenzahlen haben es aber in sich: In der Hauptstadt lag die Arbeitslosigkeit im Vorjahr bei satten 10,5 Prozent - mit Abstand der Höchstwert aller Bundesländer. Auf den anderen Spitzenplätzen folgen Kärnten (7,1 Prozent) und das Burgenland (6,3 Prozent). Am niedrigsten ist die Arbeitslosenquote in Salzburg (3,7 Prozent), Tirol (4,0 Prozent) und Vorarlberg (5,0 Prozent). AMS-Chef Karlheinz Kopf hatte die hohe Arbeitslosenquote in Wien auch auf die Zuwanderung zurückgeführt.

Tatsächlich greifen in Wien mehrere Problematiken ineinander. So ist dort die Geldleistung der Mindestsicherung seit Jahren am Höchsten. Obwohl in Wien nur 21,5 Prozent der Bevölkerung leben, machte die Bundeshauptstadt im Jahr 2021 nicht weniger als 68,1 Prozent - also mehr als zwei Dritten der Bezieher der Sozialhilfe aus. Davon wiederum waren 57 Prozent ausländische Staatsbürger. Kritiker sprechen daher seit geraumer Zeit von einer "Zuwanderung ins Sozialsystem". 

Mantra: Doskozil ist an allem Schuld

Apropos Zuwanderung: Nachdem Rendi-Wagner noch im August "keine Asylkrise" entdecken wollte, musste ihre Bundespartei erst in der Vorwoche auf den strengeren Kurs umsteigen, für den der burgenländische Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil eintritt - Der Status berichtete. Der Landeschef glänzte dort selbst mit Abwesenheit. Im ORF-Interview stellte "Joy Pam" ihn als Buhmann dar, der für die Partei "unvorteilhafte" Aussagen treffe. Sie führte den Rückfall der SPÖ in Umfragen - aus 8 Prozent Vorsprung auf die FPÖ vor vier Monaten wurden inzwischen 4-5 Prozent Rückstand - auf die "internen Diskussion" in der Öffentlichkeit zurück.

Diese Argumentation verfängt freilich nicht: Denn in Umfragen mit Doskozil als Spitzenkandidat schneiden die Roten weitaus besser ab und kämen sogar auf den ersten Platz. Rendi-Wagner sieht das nicht so: Geschlossenheit sei der wichtigste Erfolgsfaktor. Dass ihre Partei nicht von der Krise der schwarz-grünen Regierung profitiere, glaubt sie nicht. Die Sozialdemokratie gehöre "zu den Gewinnern". Wenn man ihren "konsequenten" Weg weitergehe, sei man geradezu "unschlagbar als Sozialdemokratie", vorausgesetzt alle stehen dahinter. Wenn sämtliche Medien von einem Schwenk in der Migrationfrage sprechen, meint sie hingegen: "Ja, schön, sie zitieren Zeitungen, aber das ist nicht Fakt."

Chef-Rote: Kein Bock auf "Mathe-Stunde"

Zurück zu den Arbeitslosenzahlen: Weil Rendi-Wagner bei der Frage ins Schwimmen kam, und lieber "über Inhalte" sprechen wollte, hinterfragte Wolf die Anti-Teuerungs-Vorschläge der SPÖ. So würde die von den Roten vorgeschlagene Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel zwar 1,5 Mrd. Euro im Jahr kosten, aber notleidende Bürger nur um 10 Euro im Monat entlasten. Rendi-Wagner bestritt beide Zahlen: Die 1,5 Mrd. Euro, die von SPÖ-Bundesräten aufgestellt wurden - es wären "nur 500 bis 700 Mio. Euro". Zugleich würden die Menschen "300-400 Euro" bekommen, so die "genauen Rechnungen" der Sozialdemokratie. 

Daraufhin rechnete Wolf vor, dass die Rechnung nicht stimmen kann: Denn bei 4 Mio. Haushalten im Land würden mit ihren Zahlen pro Haushalt nur 125 Euro pro Jahr bleiben - also 10 Euro pro Monat. Darauf die Chef-Rote pampig: "Ich weiß nicht wie zielführend das ist, dass wir dauernd Mathematik-Stunden in diesen Interviews machen [...] Ich werden hier nicht nachrechnen und schnell durchrechnen." Sie glaubt weiterhin, dass man damit Pensionsten, die 4.000 Euro Nach- und 5.000 Euro Vorauszahlungen bei den Energiekosten haben, helfe. Dass ihre eigene Partei durch Stützung der Selbstmord-Sanktionen diese Preisspirale erst befördern half, verschwieg sie freilich... 

Weiblichkeit als einzige Qualifikation

"Unschlagbar" trotz Absturz in den Umfragen, keine Ahnung von Arbeitslosenzahlen oder Entlastungen: Ob sich das für Rendi-Wagner am Ende ausgeht? Oder ob sie angesichts der schlechten Werte nicht "zum Wohl der Partei zur Seite treten" wolle? Dem erteilte sie eine Absage. Ihre Argumente dafür sind dabei übrigens weder ihre Mathematik-Fertigkeiten noch ihre politische Beliebtheit. Sondern ihr Geschlecht: "Ich nehme mir als erste Frau in der Sozialdemokratie auch das Recht, als Spitzenkandidatin zu kandidieren. Ich bin jetzt gewählte Vorsitzende. Ich bin es, ich bleibe es, und ich habe auch vor als Spitzenkandidatin zu kandidieren."

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