Wenn Dominosteine fallen

Insolvenzen teilweise um über 100 Prozent gestiegen - Mainstream beruhigt

Wirtschaft
Bild: pxhere.com , CC0

Die Zahl der Insolvenzen ist 2022 stark angestiegen. Egal ob in Deutschland, Österreich oder anderswo in Europa. Allein in Österreich stiegen die Firmenpleiten im hohen zweistelligen Prozentbereich. In einigen Bundesländern lag der Zuwachs sogar bei über 100 Prozent. Und viele Unternehmer denken aufgrund des Fachkräftemangels und der massiv gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise ans Aufhören. Doch Politik und Mainstream versuchen zu beruhigen.

Die große Insolvenzwelle sei ausgeblieben, frohlocken Experten in den meisten Medien. Zwar sei die Zahl der Firmenpleiten zum Ende des Jahres 2022 hin deutlich angestiegen, aber dies sei kein Grund zur Sorge. Denn es sei lediglich eine "Flurbereinigung" der durch die Corona-Maßnahmen gezüchteten "Zombiefirmen", wird beruhigt. Dass daran Schicksale und Jobs hängen, wird bei der Betrachtung der nüchternen Zahlen vergessen. Und auch einige Widersprüche werden unreflektiert übernommen.

In Österreich 60 Prozent mehr Insolvenzen

So stiegen im österreichischen Schnitt die Unternehmenspleiten 2022 um 60 Prozent, wie der Gläubigerschutzverband Creditreform analysierte. Insgesamt waren es 4.913 Verfahren. Auffällig war, dass die Zahl der Firmen, deren Insolvenzantrag mangels Vermögen abgewiesen wurde, sogar um 95,5 Prozent auf 1.951 anstieg. Bei den Zahlen gibt es ja nach Bundesland starke Unterschiede. Die größte Zunahme an Insolvenzen hatte Vorarlberg mit 127,5 Prozent zu verzeichnen, gefolgt von Oberösterreich (106,9) und Tirol (93,9).

Die wenigsten Insolvenzen hatte das Burgenland mit 21,8 Prozent. Österreichweit gingen damit mehr als 10 von 1.000 Unternehmen insolvent, wobei mit 17 von 1.000 Wien den höchsten Wert zu verzeichnen hat und Vorarlberg mit weniger als 6 von 1.000 den geringsten. Besonders betroffen waren der Handel, unternehmensbezogene Dienstleistungen und das Bauwesen.

Für dieses Jahr können man noch keine Prognosen abgeben, so die Creditreform, man rechne jedoch mit rund 6.000 Firmeninsolvenzen. "Das österreichische Insolvenzgeschehen kehrt zur Normalität zurück", so Creditreform-Geschäftsführer Gerhard Weinhofer.

Ähnliches Bild in Deutschland

Auch in Deutschland wird darauf verwiesen, dass sich die Insolvenzen dem Vorkrisenniveau wieder annähern. Im Jahresschnitt stiegen hier die Insolvenzen im Vergleich zum Vorjahr um 23 Prozent. Vor allem gegen Ende des Jahres nahmen die Pleiten zu. Lagen sie in den ersten Monaten 2022 bei nur 1,3 Prozent über dem Vorjahreszeitraum, stiegen im September die Fälle um 17,6 und im Oktober um 17,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat an. Im November stiegen sie um 1,2 Prozent gegenüber dem Oktober und im Dezember nochmals um 3,1 Prozent gegenüber dem Vormonat.

Für das Statistische Bundesamt jedoch auch kein Grund zur Beunruhigung. Denn in der Statistik seien nur Fälle nach der ersten Entscheidung des Insolvenzgerichts erfasst. Das heißt, dass der Zeitpunkt des Insolvenzantrags bereits rund drei Monate zurückliegt. Angesichts anderer Meldungen kann dies allerdings kaum als Entwarnung aufgefasst werden. Zumal auch, wenn Insolvenzanträge mangels Vermögen abgewiesen werden, wie dies in Österreich zunehmend der Fall ist, schnell die Gläubiger in die Pleite schlittern können.

Keine Kredite, gestiegene Kosten

Denn immer mehr Kleinunternehmer überlegen, ihre Geschäfte zu schließen. Schuld sind daran unter anderem die massiv gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten. Auch aber finanziell wird es für viele immer enger. Denn die Banken zeigen sich, aufgrund der gestiegenen Zinsen zunehmend zurückhaltender bei der Kreditvergabe, wie aus einer Umfrage des ifo Instituts hervorgeht. So berichtet fast ein Drittel der Unternehmen (29,9 Prozent Prozent), dass es immer schwieriger werde, Kredite zu erhalten.

Vor allem Dienstleistungsbetriebe sind davon mit 34,6 Prozent besonders betroffen, wobei hier die Gastronomie mit 67,7 Prozent hervorsticht, gefolgt von Architektur- und Ingenieurbüros (43,2 Prozent), den Erbringern wirtschaftlicher Dienstleistungen (42,2 Prozent) und Dienstleistern im Bereich der wissenschaftlichen und technischen Tätigkeiten (39,1 Prozent).

"Für einige Selbständige ist die aktuelle wirtschaftliche Lage schwierig. Für sie ist der Bankkredit immer noch eines der wichtigsten Finanzierungsinstrumente. Das verschärft für viele Selbständige die Situation", so Klaus Wohlrabe, der Leiter der ifo-Umfrage. Und wenn Kredite ausbleiben, droht schnell die Insolvenz.

Kampf um das Baquette

Wie kritisch die derzeitige Situation ist, zeigt auch ein Blick nach Frankreich. In einer Umfrage erklärten 80 Prozent der Bäckereien, dass ihnen der Konkurs drohe. Gestiegene Preise für Zutaten und horrende Energierechnungen lassen die Kosten steigen, die von den typischen kleinen "boulangeries" nicht ohne weiteres an die Kunden weitergegeben werden können. Steht man doch schon so unter dem Preisdruck der industriellen Backwaren aus Fabriken. Der Kampf ums Baquette - immerhin sind die länglichen Teigwaren inzwischen UN-Weltkulturerbe - wurde daher auch zur Chefsache erklärt.

Die Regierung Macron übernimmt die Hälfte der Stromrechnungen der Bäckereien, aber ob dies ausreicht ist fraglich. Auch ob die Energiekonzerne der Aufforderung von Wirtschaftsminister Bruno Le Maire nachkommen, die Strompreise für die Bäckereien massiv zu senken, steht in den Sternen. Und auch die Ankündigung von Premierministerin Elisabeth Borne, die Bäcker könnten Steuern und Sozialabgaben vorerst stunden lassen, ist keine Hilfe, denn bezahlt werden müssen sie, wenn auch später. Und auch in Österreich kommen Bäcker zunehmend in Schwierigkeiten oder sind bereits, wie einige Traditionsbäckereien im Konkurs. 

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