Am Tag nach NÖ-Wahl veröffentlicht

Fast 109.000 Asylanträge: Versagen der Pannen-Regierung wird deutlich

Politik
Erinnerungen an 2015 werden wach - Bild: C.Stadler/Bwag, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

In der unmittelbaren Nachbetrachtung der Niederösterreich-Wahl rangen die Verlierer-Parteien ÖVP und SPÖ um Fassung. Während die Roten dabei den Schwarzen vorwarfen, das Migrationsthema "hochgespielt" zu haben und damit den fulminanten FPÖ-Wahlsieg bezweckt zu haben, ist die Volkspartei faktisch der Ansicht, dass sie sowieso alles richtig macht. Die am heutigen Montag veröffentlichten Asylzahlen für das Vorjahr sprechen eine deutlich andere Sprache, sodass sich nur mehr die Frage stellt: Kamen sie nur deshalb erst nach der Wahl an die Öffentlichkeit, um den schwarzen Total-Absturz in Niederösterreich etwas abzufedern?

Asyl-Rekorde purzelten im Vorjahr

Nicht weniger als 108.781 Personen stellten im Vorjahr in Österreich einen Asylantrag. Dieser Wert übertraf sogar das bisherige Rekordjahr 2015 noch um knapp 20.000 Personen - wobei über 70.000 Ukraine-Vertriebene in dieser Zahl noch gar nicht eingerechnet sind. Im Vergleich zu 2021 (39.930) betrug die Steigerung satte 172,4 Prozent - also fast eine Verdreifachung. Und das, obwohl die 2016 von der nö. Noch-Landeshauptfrau und Wahlverliererin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) anvisierte "Obergrenze" von maximal 37.500 Anträgen im Jahr bereits damals überschritten worden war. 

Unter Schwarz-Grün explodierten die Asyl-Zahlen regelrecht. Im Vergleich zum Tiefststand im zweiten und letzten Amtsjahr von FPÖ-Chef Herbert Kickl im Jahr 2019 (12.886 Anträge) als Innenminister haben sich die Anträge in Österreich sogar mehr als verachtfacht. Da hilft auch die Beschwichtigung, dass etwa 41.000 Antragsteller - und somit mehr als ein Drittel - in diesem Jahr in weiterer Folge in ihr eigentliches Zielland (häufig Deutschland) weiterzogen. Denn den Rest machen immer noch über 67.000 Personen aus. Insgesamt sind noch 54.255 Verfahren offen - das ist der höchste Wert seit sechs Jahren. Auch 92.929 Menschen in der Grundversorgung sind ein Allzeit-Rekord.

Höchste Pro-Kopf-Quote im Schengenraum

Österreich unter Nehammer, Kogler, Karner & Co. ist der europäische Asylmagnet schlechthin. Schon die Detailzahlen im EU-Vergleich für die ersten drei Quartale wiesen dies deutlich aus: In absoluten Asylzahlen belegte man mit damals 71.865 Anträgen hinter den weitaus bevölkerungsreicheren Ländern Deutschland (154.385), Frankreich (110.055), Spanien (86.365) den vierten Platz - noch vor Italien (57.390), obwohl dieses an der EU-Außengrenze liegt. Gegenüber Griechenland (24.010) verzeichnete man sogar den dreifachen Wert. Dänemark (3.845), das man sich zum Vorbild nehmen wollte, übertraf man fast um das 18-fache, Nachbarland Ungarn (40) sogar um das 1.796-fache.

Auch die Herkunftsländer sprechen eine klare Sprache - auf den ersten sechs Plätzen befinden sich Afghanistan (24.241), Indien (19.504), Syrien (19.150), Tunesien (12.667), Marokko (8.471), Pakistan (7.643). In diesen Ländern tobt aktuell samt und sonders kein Konflikt. Es kommen weiterhin hauptsächlich junge Männer zwischen 15 und 30 Jahren_ Diese machten etwa zwei Drittel aller Anträge aus. Insgesamt machten Männer 91 Prozent der Antragsteller, Frauen hingegen nur 9 Prozent aus. Das Innenministerium legt wert auf die zusätzlich Angabe, dass kein einziger Antrag "ohne geschlechterspezifische Angaben" registriert wurde. 

Menschen überall als Verlierer

Dass die schwarz-grüne Koalition in dieser Frage katastrophal versagt hat, kommt den Handelnden freilich nicht in den Sinn. ÖVP-Innenminister Gerhard Karner faselte etwas davon, dass "das System Schengen kaputt" sei. Das ist eine Ausflucht - denn im Schengenraum hat Österreich mit Abstand die höchste Pro-Kopf-Asylquote. Das einzige EU-Land, das eine höhere Pro-Kopf-Quote besitzt ist Zypern - es ist kein Schengen-Mitglied, liegt dafür aber direkt an der EU-Außengrenze. Und auch der Umstand, dass in Österreich alleine im Vorjahr über 20.000 Aufenthaltstitel vergeben wurden und damit so viele wie seit 2017 nicht mehr, lässt sich nicht mit Schengen erklären. 

Die ÖVP schiebt die Verantwortung nach Brüssel ab - und hat selbst keine Lösungen für den Asyl-Ansturm in der Größe einer mittleren Völkerwanderung. Leidtragende von der Situation sind die Menschen. Ländliche Regionen und Dörfer werden von Neuankömmlingen überrannt, bekamen im Herbst zeitweise Asyl-Zelte ins Wohngebiet gesetzt. Die Migranten haben oft keine Bleibeperspektive und werden in behelfsmäßigen Unterkünften einquartiert. Die Herkunftsländer werden der Männer einer Generation beraubt, die sie eigentlich für Aufbau und Entwicklung im eigenen Land bräuchten. Aber irgendwo spechtelt gewiss schon ein ÖVP-Großhotelier auf billiges Humankapital zur Ausbeutung in seinem Betrieb...

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