Vorwürfe nicht fallen gelassen

Ballweg unter Auflagen frei: Nach neun Monaten fragwürdiger Untersuchungshaft

Soziales
Stammheim: Ra Boe, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 (gefiltert); Screenshots (2): Twitter; Komposition: Der Status.

Am gestrigen Dienstag war es so weit: Der "Querdenken"-Gründer Michael Ballweg wurde aus der Untersuchungshaft in Stuttgart-Stammheim entlassen. Grund dafür ist unter anderem, dass das zu erwartende Strafmaß zu gering ist, um eine fortgeführte Festsetzung zu rechtfertigen. In den vergangenen Monaten hatten viele kritische Stimmen sowohl in den Vorwürfen als auch hinter der andauernden U-Haft eine politisch instrumentalisierte Justiz vermutet, viele hatten sich mit Ballweg solidarisiert.

"Querdenken"-Gründer saß neun Monate in U-Haft

Ballweg war einer der ersten Kritiker, die breitenwirksame Demos gegen die schikanöse und ruinöse Corona-Politik veranstalteten. Obwohl - oder gerade weil - die Teilnehmer ihren lauten Protest friedlich auf die Straße trugen, schäumte das System darüber. Politiker wie der bayerische CSU-Ministerpräsident Markus Söder fantasierten sich eine "Corona-RAF" herbei, um Repression gegen den Widerstand aus dem Volk zu rechtfertigen. Und tatsächlich wurde Ballweg behandelt wie ein Schwerverbrecher: Genauso wie einst die mörderischen RAF-Terroristen verbrachte man den Unternehmer und Demo-Organisator in die Justizanstalt Stuttgart-Stammheim und behielt ihn fast ein Jahr lang dort. 

Das überschießende Vorgehen gegen Ballweg nahm seinen Ausgang im Juni des Vorjahres. Damals stürmten Polizeibeamte seine Wohn- und Geschäftsräume und nahmen den Stuttgarter in Gewahrsam. Man warf ihm "Geldwäsche und Betrug" vor, und bezog sich dabei auf lukrierte Spendengelder in Höhe von 650.000 Euro. Die Justiz hängte sich am Umstand, dass viele dieser Überweisungen als "Schenkungen" vermerkt waren, auf. Ballweg beteuerte hingegen stets, keinen einzigen Cent für seine eigenen Zwecke benutzt zu haben und sich an die Gesetze gehalten zu haben. Zuletzt wurde offenbar sogar der Geldwäsche-Vorwurf fallen gelassen - aber Ballweg blieb in U-Haft (Der Status berichtete). 

Vorwürfe wirkten für Beobachter konstruiert

Diese Justiz-Posse ist vorläufig zu Ende: Am Dienstag wurde der Vollzug der U-Haft ausgesetzt. Ausgestanden ist die Sache aber noch nicht - auch wenn die Vorwürfe & Anklage abenteuerlich klingen. Niemand kam finanziell zu schaden, dennoch unterstellt man ihm weiterhin "versuchten Betrug" in 9.450 Fällen. Anwälte aus dem systemkritischen Bereich hatten schon im Vorjahr auf den Eindruck eines "konstruierten" Verfahrens hingewiesen, dessen Sinn es sei, führende Köpfe des Widerstands aus dem Verkehr zu ziehen. Auch für viele Bürger und diverse alternative Medien war das Vorgehen nicht schlüssig, sie solidarisierten sich in sozialen Medien mit Ballweg oder schrieben ihm Briefe. 

Unter der Auflage, zwei Zustellbevollmächtigte zu nennen, darf Ballweg in Freiheit auf die Hauptverhandlung warten. Beobachter aus dem kritischen Lager hegen die Hoffnung, dass dies ein Indiz dafür sein könnte, dass der Prozess im Sinne Ballwegs verlaufen könnte. Auch, dass die Staatanwaltschaft derart lange brauchte, um eine dermaßen "dünne" Anklage zu formulieren und sogar die U-Haft über die maximalen sechs Monate hinaus verlängerte, sorgt für Kopfschütteln. Im Interview mit "Achtung Reichelt!" bezeichnete Ballweg die Vorwürfe als "absurd" sowie als "politisches Manöver, um zu verhindern, dass sich die außerparlamentarische Opposition stärkt und Strukturen aufbaut." 

Ballweg lässt sich nicht einschüchtern

Im selben Gespräch erklärte Ballweg: Das, worauf er sich am meisten freue, sei nun ein Spaziergang mit seinem Hund sowie wieder die freie Landschaft genießen zu können. Man merkt: Mehr als neun Monate an mutmaßlichem "Gesinnungskerker" haben ihre Spuren auf seinem Gemüt hinterlassen. Dennoch zeigte sich Ballweg am Tag nach der Entlassung bereits wieder in Aufbruchstimmung und bekundete, sich nicht einschüchtern zu lassen und seinen politischen Weg weitergehen zu wollen: "Ich setze mich auch weiterhin für Frieden und Freiheit mit viel Freude ein." 

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