Mitte-Links-Koalition des Horrors

Wählertäuschung in Innsbruck: Anzengruber macht Waldvilla-Bex zu Bau-Stadträtin

Politik
Rathaus IBK: Hafelekar, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0; Anzengruber: JA - Jetzt Innsbruck, Wikimedia Commons, CC BY 4.0; Bex: (C) Innsbrucker Grüne (Pressefoto); Komposition: Der Status.

Wohl auch in der Hoffnung, er möge eine bürgerliche Mitte-Rechts-Koalition schmieden, um die skandalträchtigen Grünen aus den Entscheidungen der Stadtpolitik möglichst weit draußen zu halten, gaben viele Innsbrucker dem langjährigen Ex-Almwirten, Ex-Stadt-Vize & "ÖVP-Rebell" Johannes Anzengruber das Vertrauen, wodurch dieser den bisherigen grünen Bürgermeister Georg Willi in der Stichwahl ausstach. Doch nun holte er SPÖ & Grüne in die Stadtkoalition, verteilte amtsführenden Ressorts nur an die Listen der neuen "Caprese-Koalition". Mit Janine Bex wird ausgerechnet jene Politikerin ein Regierungsamt haben, die kurz vor der Wahl mit ihrem neuen Domizil im Wald für einen Skandal sorgte.

Anzengruber koaliert mit Grünen & SPÖ

Anzengruber gilt als leutselig und unverbindlich - und diese Bürgernähe wurde in der Tiroler Landeshauptstadt, deren politische Streitigkeiten an "italienische Verhältnisse" erinnern, zum Trumpf. Bei der Gemeinderatswahl schaffte er mit seiner Bürgerliste aus dem Stand den zweiten Platz, nur knapp hinter den in ihrer Hochburg auf 18% dezimierten Grünen. Bei der Bürgermeister-Stichwahl gelang es ihm dann, deren Stadtchef Willi um eine zweite Amtszeit zu bringen. Regelrecht zerschellt an der Konkurrenz im eigenen Lager ist Florian Tursky (ÖVP), der für den Traum vom Bürgermeister das Amt des Staatssekretärs aufgab, um bei beiden Wahlen nur Fünfter zu werden.

Doch nach der Wahl ist vor der Wahl: Anzengruber brach mit seinem Versprechen, allen im Stadtsenat vertretenen Parteien ein Ressort zuzuteilen. Nun gehen FPÖ & ÖVP dennoch leer aus und verfügen lediglich über je einen Stadtrat ohne eigenes Portfolio, womit Innsbruck neben dem Sonderfall Wien weiterhin die einzige Landeshauptstadt mit eigenem Statut bleibt, die den auf Gemeindeebene üblichen Proporz durch Tricks aushebelt. Neben Anzengruber und seiner Listenkollegin Mariella Lutz ist auch Willi weiter Teil der Stadtregierung, dasselbe gilt für SPÖ-Stadtchefin Elisabeth Mayr. Für die Grünen neu im Koalitionsteam ist ausgerechnet Janine Bex.

Bex nach Waldvilla-Skandal für Baurecht zuständig

Die Listenzweite der Grünen war kurz vor dem Urnengang in einen veritablen Skandal verstrickt - Der Status berichtete. Denn sie kaufte zum Schleuderpreis ein Haus im Stadtwald nördlich der Hungerburg - eigentlich als Hochpreislage bekannt, selbst für die ohnehin gesalzenen Innsbrucker Immobilienpreise. Andere Bieter stiegen wegen Zweifeln an der Bewilligung einer feuerwehrtauglichen Zufahrt aus. Aber Bex erhielt den Zuschlag und wie durch ein Wunder wurden Rodungen für die Verbreiterung der Zufahrt bewilligt. Die Folge ist eine vielfache Wertsteigerung. Immer mehr Enthüllungen über ihr Anwesen im Grünen setzten ihrem Ansehen zur ungünstigsten Zeit zu.

Dass ihre Partei bei der Wahl nicht noch mehr abgewatscht wurde, könnte auch damit zu tun haben, dass die Regionalpresse für sie in die Bresche sprang und die Grünen dabei unterstützte, die Opferkarte zu spielen. Doch schiefe Optik alleine ist eben noch keine erwiesene Malversation - und nach diesem Prinzip wird sie nun mit einem Sitz in der Stadtregierung belohnt. Zuständig ist sie für folgende Aufgaben: Stadtplanung, Mobilität und Integration, Klimaneutrale Stadt, Bau-, Wasser-, Gewerbe und Straßenrecht, Bau- und Feuerpolizei. Wald & Natur sind formell bei Anzengruber; letztlich könnte sie sich den nächsten Baubescheid aber quasi "selber schreiben".

Enteignungs-Willi darf im Gemeindebau fuhrwerken

Seine skurrilen Hinterzimmer-Deals zur neuen Stadtkoalition nutzt Anzengruber dennoch für das Narrativ, künftig alle Fraktionen in die Sacharbeit einbeziehen zu wollen. In der Realität beschränkt sich diese "Beteiligung" aber darauf, jeweils einen Sitz in Ausschüssen an FPÖ, KPÖ, ALI, Liste Fritz und die ÖVP-Liste "Das Neue Innsbruck" zu verteilen. Innerhalb der Stadtregierung wiederum lassen auch weitere Ressortverteilungen nicht unbedingt auf Verbesserung hoffen. Zentrale Aufgabenbereiche wie das öffentliche Personal, Sicherheit und Veranstaltungswesen oder Gesundheit krallte sich der neue Bürgermeister freilich selbst.

Auch der abgewählte Stadtchef Willi kann sich nicht beschweren: In den Bereichen Soziales, Kultur, Wohnungsvergabe und Außenbeziehung kann der nunmehrige erste Vize-Bürgermeister gemeinsam mit Bex weiter die grüne Umbau-Agenda vorantreiben. In der letzten Amtsperiode sorgten Enteignungsabsichten und die Ankündigung, wonach sich Innsbrucker idealerweise mit 10 Quadratmeter pro Person an Wohnraum zufriedengeben sollten, für Aufregung. Für Wirtschaft, Tourismus & Tiefbau ist seine Listenkollegin Lutz zuständig. Andere soziale Agenden wie Bildung, Kinder/Jugend/Generationen oder Behindertenbeirat sicherte sich SPÖ-Mayr als 2. Vizebürgermeisterin.

Doch nicht "alles besser als ein Grüner"?

Damit vollbringt Anzengruber nun das Kunststück, nach "Mitte-Rechts" zu blinken, um scharf nach links abzubiegen. Denn nach der Wahl eines bürgerlichen Stadtchefs ist deren Regierung nun deutlich weiter links als dies in den letzten Monaten seines grünen Vorgängers der Fall war. Zuletzt herrschte in Innsbruck nämlich das freie Spiel der Kräfte; häufig schlossen sich FPÖ, Anzengruber noch als ÖVP-Mann und die einstige ÖVP-Abspaltung "Für Innsbruck" bei Sachthemen zusammen; die FPÖ stellte zudem den Vizebürgermeister. Willi und die Seinen, auch wegen fragwürdiger Personalentscheidungen in der Kritik, wackelten - und sitzen nun umso fester im Sattel.

Ob dies im Sinne der Innsbrucker Bürger ist, wird sich herausstellen. Fakt ist jedenfalls: Einige jener Wahlsprengel in Arbeiterviertel wie im südlichen Teil von Pradl, in der Reichenau, im Olympischen Dorf sowie in Teilen von Hötting-West, die bei der ersten Runde der Bürgermeisterwahl und bei der Gemeinderatswahl mitunter überdurchschnittlich ihr Kreuz bei den Freiheitlichen machten, waren bei der Stichwahl regelrechte Anzengruber-Hochburgen. Die Hoffnung, dass "alles besser als ein grüner Bürgermeister" wäre, belohnt der ehemalige Wirt der Arzler Alm, die er 2020 beim Gang in die Politik nach zwei Jahrzehnten aus der Familie gab, nun mit einem Mittelfinger.

Abgewählte Politik nun Stadträson

Klare Worte der Kritik fand hierfür in sozialen Median auch Der Status-Gastautor Chris Veber, der bei der Innsbruck-Wahl mit der Bürgerliste "TUN" antrat - dort allerdings wie auch das "Gerechte Innsbruck", das den Bex-Skandalöffentlich machte an der neuen und auf Gemeindeebene einmaligen Prozenthürde scheiterte. Er schrieb: "Damit ist klar, Johannes Anzengruber ist ein Bürgermeister für Alle. Sofern sie linkswokegrün sind. Wer kein Anhänger der grünwoken Sekte ist, darf leider nicht mitreden. Anzengruber hat seine Wähler so richtig verarscht. Mit Anlauf."

Er erinnerte daran, dass der Sinn von Wählervertrauen auch beinhalte, sich zu überlegen, was der Souverän mit seiner Stimme ausdrücken wollte: "Anzengruber ist mit den 60% der Stimmen Bürgermeister geworden, die ein Ende der linksgrünwoken Politik wollten und macht jetzt linkswokegrüne Politik. Er hat nicht verstanden, dass seine Wähler ihm ihre Stimme nur geliehen haben, um den Willen der Wähler umzusetzen." Gut möglich also, dass mit diesem als Verrat am Wähler empfundenen Route auch ihn das Schicksal seines Vorgängers ereilt und in sechs Jahre nach einer Amtszeit schon wieder Schluss für ihn ist. Es sei denn, er findet einen Dummen, der ihn mit einem neuen Posten versorgt.

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