Gefährder als Vorwand

Überwachung total: Nehammers Staatsschutz-Chef will unsere Chats durchleuchten

Politik
Hintergrund: Freepik (2); Haijawi-Pirchner: Silverblue2, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0; Komposition: Der Status

In einem "Standard"-Interview ließ Omar Haijawi-Pirchner, Chef der "Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst" (DSN) von Nehammers Gnaden tief blicken. Denn er wünscht sich eine weitreichende Ausweitung der Überwachungsmöglichkeiten seiner Behörde. Im Kampf gegen vermeintliche "Gefährder" will er nicht nur die Telefongespräche anzapfen, sondern auch diverse Messenger-Dienste. Damit das Volk bei seinen Überwachungsplänen keinen Verdacht schöpft, verkauft man es als Maßnahme gegen radikale Islamisten. Seine bisherigen Äußerungen lassen allerdings durchklingen, dass es wohl auch gegen Regierungskritiker gehen soll.

DSN-Chef sieht Regierungskritiker als "Gefährder"

Im Spätherbst 2021 gingen hunderttausende Menschen auf die Straße, um gegen den staatlichen Stichzwang und für die Rückkehr ihrer Grund- und Freiheitsrechte zu protestieren. Haijawi-Pirchner, dessen Frau des Kanzlers Parteikollegin ist, wetterte damals gegen freiheitsliebende Bürger. Er bezeichnete die Demos als "größte Bedrohung in der Republik" und schickte führenden Köpfen der Freiheitsbewegung sogar Staatsschutzbeamte vorbei, um sie mittels "Gefährderansprachen" einzuschüchtern. Er faselte etwas von "potenziell gefährlichen Teilnehmern" und "extremistischen Verbindungen", die sich bei den Kundgebungen angeblich tummeln würden. 

Damals kündigte er an, auf Telegram einwirken zu wollen, um angeblich problematische Beiträge zensieren zu lassen. Gegenüber dem Bilderberger-"Standard" tönt der DSN-Chef: "Wir müssen unsere rechtlichen Befugnisse an moderne Kommunikationsformen anpassen [...] Kriminelle und Gefährder nutzen verschlüsselte Messenger wie Telegram, Signal oder Whatsapp." Er beklagte erneut "radikale Botschaften in der Pandemie" auf Telegram. Neben Zugriffen auf Messenger kann er sich die Erstellung von Bewegungs-Profilen vorstellen. Dass man auf "großflächige Überwachung" setzen wolle, dementierte er. Aber bekanntlich sollte ja eine Impfpflicht ebenso wenig kommen wie die Berliner Mauer... 

Herbei fabulierte "Rechtsextremisten" als Ziel

Solche Dementis sind ihm wichtig: Zum einen ist das Konzept der digitalen Total-Überwachung, wenn es eingeführt wird, für die Menschen kein Neuland mehr - Neurolinguistik-Experten bezeichnen diesen psychologische Kniff auch als "Pre-Teaching". Und zum anderen weiß er wohl, wie umstritten sein Vorschlag ist. Also braucht er auch ein Narrativ, um es dem Volk schmackhaft zu machen. Er findet es im Kampf gegen radikale Islamisten und spricht ausführlich über die Lage in dieser Szene. Doch der Teufel steckt im Detail: So will er diese Ermittlungsmethoden auch für "den Bereich des Rechtsextremismus, der eine gleich hohe Gefahr für Anschläge aufweist." 

Einen Beleg für diese Behauptung bleibt er schuldig - gemeint sind wohl aufgebauschte Phänomene wie die bundesdeutsche "Rentner-Rollatoren-Revolution", die man zur Reichsbürger-Terrorzelle hochschrieb. Aber als "rechtsextrem" kann heute jeder gelten: Unvergessen ist die Tirade von Vizekanzler Werner Kogler, der friedliche Demonstranten als "Staatsverweigerer, Demokratiefeinde, Neonazis und Neofaschisten" bezeichnete. Detail am Rande: Ob die Überwachung, die technisch wohl nur durch einen Bundestrojaner möglich ist, auch gegen linksextreme Antifa-Extremisten, die sich europaweit zu Angriffen auf Andersdenkende verabreden, zum Einsatz kommt, ließ Haijawi-Pirchner offen.

Überstunden zur Überwachung der Bürger

Während er unbescholtene Bürger offenbar unter dem Vorwand eines "Extremismus"-Verdachts bespitzeln lassen will, ist Haijawi-Pirchner mit an Paranoia grenzender Vorsicht gesegnet. Auch dies geht aus dem Gesprächs-Setting hervor, wie die beiden Autoren der lachsrosa Zeitung beschreiben: "Wer mit [ihm] sprechen will, muss sämtliche elektronischen Geräte in einem Kasten verwahren und eine Sicherheitsschranke durchlaufen. Sogar der Kamerakoffer der Fotografin wird durchleuchtet. Erst dann empfängt Österreichs oberster Verfassungsschützer den STANDARD in einem karg eingerichteten Raum in der 'roten Zone' der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN)."

Österreichs Bevölkerung als gläserner Bürger für die Staatschutz-Überwachung: Entsprechend hart sind die Arbeitsanforderungen, welche Haijawi-Pirchner nach bester neoliberaler Gesinnung an seine Mitarbeiter hat: "Das Thema ist weniger, dass wir nicht genügend Planstellen haben – die hat uns das Innenministerium zur Verfügung gestellt. Das Problem ist eher, Personen zu finden, die in diesem Bereich auf höchstem Niveau täglich sehr lange arbeiten und die Verantwortung übernehmen möchten." Heißt konkret: Seine dutzenden "Cybercrime"-Mitarbeiter sollen im Idealfall bei der Bespitzelung der Bürger Überstunden bis zum Umfallen leisten.

Überwachung auch im Regierungsbunker

Bislang unklar ist, ob die Überwachungsmaschinerie im Krisenfall ebenfalls im 50 Mio. Euro teuren unterirdischen Regierungsbunker weiter stattfinden soll, der das "Herzstück" der Krisenpläne der schwarz-grünen Regierung ist. Dort wird jedenfalls ein "Bundeslagezentrum" eingerichtet, wo auch ein "ständiges Monitoring der Entwicklung in zentralen Bereichen wie Sicherheit, Gesundheit oder Energie" stattfindet. Im Raum steht dabei auch, über diese Einrichtung die bundesweite öffentliche Propaganda im Krisenfall gleichzuschalten.

Stellungnahmen gegen das zugrundeliegende "Krisensicherheitsgesetz", bei dem die Regierung jederzeit nach Gutdünken eine "Krise" ausrufen kann, sind noch bis kommenden Donnerstag, den 2. März auf der Parlamentswebseite möglich. Von diesem Recht machten bislang fast 10.000 Österreicher Gebrauch - die allermeisten Bezugnahmen auf das schaurige Allmachts-Gesetz sind kritischer Natur. 

Weitere Artikel, die Sie interessieren könnten