Frühe Chance auf Frieden vergeben

Selenski-Parteifreund über Friedensverhandlungen 2022: 'Nichts wird unterschrieben, es wird gekämpft'

Politik
Hintergrund: Freepik; Selenski: CC0; Putin: Kremlin.ru, CC BY 4.0 (beide Wikimedia Commons); Komposition: Der Status

Es sind interessante und auch schockierende Details, die der Fraktionsführer der Selenski-Partei "Diener des Volkes" Dawyd Arachamija über die gescheiterten Friedensverhandlungen 2022 zwischen Russland und der Ukraine offenbart. So wären die Russen damals im März ernsthaft an einem Frieden im Austausch gegen die ukrainische Neutralität interessiert gewesen. Aber man wollte nicht. Englands Premier Boris Johnson erklärte: "Nichts wird unterschrieben, es wird gekämpft."

Seit über 21 Monaten tobt der Krieg in der Ukraine und hat hunderttausenden Soldaten aber auch Zivilisten bisher das Leben gekostet. Und ein Ende des Konflikts in der Ukraine ist nach wie vor in weiter Ferne, dass Leiden geht weiter und der zweite Kriegswinter steht bevor. Dabei hätte der unselige Krieg bereits nach 35 Tagen im März 2022 wieder vorbei sein können. Dies ist zumindest die Aussage des  Selenski-Beraters und Fraktionsvorsitzenden der Partei "Diener des Volkes" Dawyd Arachamija, der damals Delegationsleiter für die Ukraine der in Weißrussland und in der Türkei stattfinden Verhandlungen war.

"Sie waren bereit den Krieg zu beenden"

In einem Interview mit der Journalistin Nataliia Moseichuk plaudert der Politiker aus dem Nähkästchen. So hätte die russische Delegation damals Frieden versprochen, im Gegenzug dafür, dass Kiew nicht der NATO beitritt und sich für neutral erklärt.  Aber man hätte den Russen damals nicht geglaubt. "Sie haben wirklich fast bis zum letzten Moment gehofft, dass sie uns zwingen würden, ein solches Abkommen zu unterzeichnen, damit wir die Neutralität annehmen. Das war das Wichtigste für sie. Sie waren bereit, den Krieg zu beenden, wenn wir - wie einst Finnland - der Neutralität zustimmten und uns verpflichteten, der NATO nicht beizutreten. Das war in der Tat der entscheidende Punkt", so  Arachamija, der zudem darauf verweist, dass die anderen vermeintlichen Kriegsgründe, wie die Entnazifizierung nur Rhetorik gewesen seien.

NATO-Mitgliedschaft und Verfassung

Allerdings, so  Arachamija, hätte man kein Vertrauen zu Russland und auch zu möglichen Sicherheitsgarantien gehabt. "Wir könnten nicht etwas unterschreiben, uns zurückziehen, alle würden sich entspannen, und dann würden sie noch besser vorbereitet einmarschieren ... Deshalb könnten wir diesen Weg nur dann beschreiten, wenn absolute Sicherheit besteht, dass so etwas nicht wieder passiert. Diese Gewissheit gibt es nicht", erklärt der damalige Delegationsleiter. Was aber noch viel wichtiger ist, sei die Tatsache, dass man sich nicht einfach zu einer Neutralität hätte verpflichten können, dies hätte weitere Schritte nötig gemacht. "Um diesem Punkt zuzustimmen, muss zunächst die Verfassung geändert werden. Unser Weg in die NATO ist in der Verfassung festgeschrieben", erklärt Selenskis Parteifreund der Journalistin.

"Nichts wird unterschrieben, es wird gekämpft."

Doch dann änderte sich die Lage. Zum Zeitpunkt der Verhandlungen in Instanbul am 29. März 2022 verkündete Russland zugleich sich aus dem Gebiet von Kiew zurückzuziehen. Damit habe die Delegation nach der Meinung von Arachamija auch ihre wichtigsten Aufgaben erfüllt gehabt, "weil die Russen noch "abgereist" sind - also sich aus Kiew zurückgezogen hätten und sich dann alles in eine rein militärische Richtung entwickelt hat. Denn bis zu diesem Moment hätte noch viele - Arachamija eingeschlossen - an eine mögliche Einkesselung von Kiew geglaubt. "Und als wir aus Istanbul zurückkamen, kam Boris Johnson nach Kiew und sagte, dass wir überhaupt nichts mit ihnen unterschreiben würden und dass wir einfach kämpfen sollten", schildert er die weiteren Entwicklungen.

Kriegstreiberei des Westens

Das dies damals die Einzelmeinung des damaligen britischen Premiers war, ist wohl eher unwahrscheinlich. Denn laut Arachamija  sei der Westen in die Verhandlungen eingebunden gewesen und hätten auch Zugang zu den Dokumenten gehabt. Allerdings, so betont er, haben die westlichen Partner nicht versucht, eine Entscheidung für die Ukraine zu treffen sondern hätten vielmehr nur Ratschläge gegeben. "Sie haben uns sogar geraten, keine flüchtigen Sicherheitsgarantien [mit Russland] einzugehen, die zu diesem Zeitpunkt gar nicht hätten gegeben werden können", erklärt er die Ratschläge. Doch wie sonst Sicherheitsgarantien in welcher Form auch immer nach Ansicht der westlichen Partner hätten aussehen sollen, dies läßt er offen. Der weitere Verlauf ist bekannt, ein Treffen zwischen Selenski und Putin kam nicht zustande - dies wäre nötig gewesen, da die Delegation der Arachamija vorstand, keinerlei Befugnisse hatte, Abkommen zu unterzeichnen, dies hätte dem Präsidenten oblegen. In weiterer Folge erklärte dann Selenski, dass Putins Erklärungen Frieden zu wollen nicht aufrichtig seien und billigte die Entscheidung des Nationalen Sicherheitsrates, dass Verhandlungen mit ihm unmöglich seien.

Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan

Nun wird jedoch immer deutlicher, dass der Westen sich offenbar verzockt hat. Die damalige Möglichkeit zu einem schnellen Frieden zu kommen war nicht im Interesse der USA, schließlich galt es, die europäischen Märkte für Energie und Rüstungsgüter aus "Gods own Country" zu öffnen und damit auch die eigene Wirtschaft anzukurbeln. Nachdem dieses Ziel erfüllt war, zeigten sich - auch bedingt durch den Angriff der Hamas auf Israel - verstärkt Anzeichen, dass man Kiew zu einer Verhandlungslösung und zu einem Ende des Krieges drängt - Der Status berichtete. Jetzt vollzog zuletzt auch das Springerblatt Bild, welches bisher eher mit seines Sieges- und Durchhalteparolen aufgefallen war, einen Kurswechsel. Unter dem Titel "Strategie von Scholz und Biden enthüllt - Neuer Geheimplan für die Ukraine", berichtet dass Blatt, dass man Kiew weiter mit genau den Waffen und in genau den Mengen zu beliefern will, die es der ukrainischen Armee ermöglichen würden, die derzeitige Front zu halten, aber nicht Gebiete zurückzuerobern. Selenski solle dadurch selbst zu der Einsicht kommen, dass es so nicht weitergehen kann. Der Ukraine-Machthaber soll sich freiwillig an die ukrainische Nation wenden und erklären, dass man mit Russland verhandeln müsse. Ein Plan B wäre - ganz im Interesse der USA - dass nach einem kompletten Rückzug der USA aus der Unterstützung Kiew dennoch weiterkämpft und die EU die Rechnung zahlt und man damit Russland weiter zu schwächen versuche. Ob es im Interesse der Ukraine ist, weiter ihre Bürger sterben zu lassen, ist allerdings fraglich. Und das Sterben geht auf beiden Seiten weiter...

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