Hickhack, 'Gefurze' & 'rechte Hetze' im Standard

Rote Netzwerke bohr(e)n dicke Bretter: Schiefe Optik in 'Causa Schilling'

Politik
Hintergrund: Freepik (2); S. & M. Bohrn-Mena: beide Saschaosaka, Wikimedia Commons (1/S., 2/S., beide CC BY-SA 4.0; Schilling: Karo Pernegger/Die Grünen, Flickr, CC0; Komposition: Der Status.

Am Dienstagabend riss ausgerechnet der linksliberale "Standard" mit einem Hit-Piece die grüne EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling aus den Träumen eines sauberen Wahlkampfs. Zum Vorwurf gemacht wurden der Klima-Fanatikerin charakterliche Unzulänglichkeiten sowie die Erfindung von Gerüchten gegen Weggefährten. In einer ungeschickten Presse-Konferenz, bemühten sich die Grünen mit Stehsätzen um Schadensbegrenzung. Vizekanzler Werner Kogler sprach in Zusammenhang mit dem "Standard"-Artikel sogar von "rechter Hetze". Doch sowohl das Timing als auch die Involvierung des im Vorfeld linker Parteien bestens vernetzten Ehepaares Bohrn-Mena in die Causa werfen etliche Fragen auf.

Plötzlich Intrigantin: Medialer Abgesang auf Schilling

Sobald die Geschichte erschien, war gewiss: Was auch immer dran ist, es tun sich Abgründe zum Sittenbild im polit-medialen Komplex und darin insbesondere in der "linken Reichshälfte" auf. Auf der einen Seite steht die Erzählung der mutmaßlichen Intrigantin, die sich mit Un- & Halbwahrheiten, durch geschickten Einsatz ihrer Reize und viel Schmutzkübel den Weg an die politische Spitze bahnt und dabei Schützenhilfe von mächtigen Personen in der Partei bekommt, die notfalls auch grüne Mandatare wegen offenbar unzutreffenden Vorwürfen der Belästigung Schillings über die Klinge springen lassen und dies später abstreiten. 

Ausgerechnet Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer versuchte es hier trotz entsprechender Medienberichte mit absurdem Gaslighting:

Kogler & Gewessler: "Rechte Hetze" im Standard

Demgegenüber steht die Verteidigungslinie der "bösartigen Kampagne", für welche die Grünen jedes Schlagwort bedienten. Etwa die Sexismus-Keule, oder der Maximalvorwurf schlechthin: Denn sowohl Vizekanzler Werner Kogler als auch "Klima-Ministerin" Leonore Gewessler sprachen von "rechter Hetze", gegen welche Schilling angeblich so mutig kämpfe. Hier zeigt sich einmal mehr: Es handelt sich um einen leeren Vorwurf, mit dem die selbsterklärten Weltverbesserer einfach pauschal alle betiteln, die ihnen in die Quere kommen. Mal ist's die Opposition, mal sind es regierungskritische Demonstranten - und nun wittert man "rechte Hetze" offenbar sogar beim "Standard"...

"Gefurze": Vizekanzler in seinem Element

Selbst im besten Fall müssten sich Kogler & Co. allerdings fragen, ob sie mit der Aufstellung des politisch relativ unbeleckten und über krasse Bildungslücken verfügenden, "feschen Poster-Girls" nicht danebengriffen, indem man bestenfalls riskiert, es zu "verheizen". In beiden Fällen stellt sich die Frage: Wer brachte den Stein ins Rollen und wer profitiert von ihrer Beschädigung? Denn junge, ambitionierte Frauen mit einem Hang zum Tratsch sowie Intrigen in der Politik haben den Nachrichtenwert von "Hund beißt Mann".

Stil kann man nicht kaufen - Kogler charakterisierte die Vorwürfe als "anonymes Gemurkse und Gefurze":

Beim Tratsch hört die Freundschaft auf

Der Hauptvorwurf des "Standard"-Artikels spinnt sich um eine Unterlassungserklärung, dass Schilling nicht mehr behaupten darf, eine ehemalige Freundin sei von ihrem Mann brutal geschlagen worden. Außerdem möge sie nicht weiter verbreiten, diese und ihr Mann würden mafiös anmutende Machenschaften pflegen. Menâ sawut Weronika (russisch für "ich heiße Veronika"): Mittlerweile bestätigte Veronika Bohrn-Mena, dass sie die betroffene "Freundin" sei. Sie leitet die Stiftung "COMÚN" mit ihrem aus Funk & Fernsehen bekannten Gatten Sebastian Bohrn-Mena, der einst in Wien für die SPÖ kandidierte, sich zeitweise aber prominent bei der Pilz-Liste "JETZT" engagierte.

Hier wird's spannend: "COMÚN" betätigt sich im linksliberalen Vorfeld, etliche Akteure im aktuellen oder ehemaligen Beirat haben allerdings eine bekannte oder kolportierte Nähe zur SPÖ; darunter etwa die für ihre Berührungspunkte zum linken Rand umstrittene Politologin Natascha Strobl, ihre Politologen-Kollegin Barbara Prainsack, Ex-Volkshilfe-Chef Josef Weidenholzer oder Ex-ORF-Moderator & SPÖ-Politiker Eugen Freund. Ergänzt wurde dies durch Personen aus dem grünen Umfeld wie Ex-Wien-Vizebürgermeisterin Birgit Hebein. Bis vor wenigen Monaten fungierte auch Lena Schilling als Beirätin der Stiftung. Durchaus ein Grund, um etwas nachzubohr'n...

Auch mit triefender Ironie lässt sich der richtige Riecher andeuten - die Stellungnahme zum Fall durch Sebastian Bohrn-Mena war verräterisch: 

Linke mit prüdem Wertekanon

Irgendwann dürfte es zum Bruch zwischen den Bohrn-Menas und der "Euro-Grünen" Schilling gekommen sein, die sich obendrein bei Journalisten unbeliebt gemacht haben soll. Medial sowie im Umfeld einschlägiger Politikberater wurden auch die Gerüchte gestreut, wonach Schilling mit Personen just aus dem polit-medialen Bereich mitunter Affären unterhalten oder erfunden haben soll. Vorwürfe, die ein Sittenbild transportieren, die jene, die mit den menschlichen Abgründen des politischen Betriebs vertraut sind, kaum noch schockieren - aber letztendlich den höchstpersönlichen Lebensbereich betreffen. Das Private ist politisch: Die alte radikalfeministische Parole frisst ihre Kinder. 

Der rote Werbefuzzi Rudi Fußi befeuerte die Gerüchteküche um Schilling sogleich erneut:

Was Der Status-Redakteurin Bernadette Conrads dann durchaus skurril fand:

Grüne plötzlich unter Zugzwang

Und die Vorwürfe tauchen im traditionell bei roter Inseratengunst nicht unbedingt darbenden Zentralorgan der linksliberalen Blase auf - zu einem merkwürdigen Zeitpunkt. Nach der heimischen Europawahlordnung muss die Wahlkommission die Parteilisten bis 31 Tage vor der Wahl - also bis Donnerstag - finalisieren, sie tagte letztendlich aber bereits am Mittwoch. Man stellte die Grünen vor die Wahl, Schilling noch rasch auf Zuruf zu opfern - oder sie trotz drohender weiterer Enthüllungen zu verteidigen.

Von einer Unruhe bei den Grünen profitiert vor allem die SPÖ: Wie bei der Nationalratswahl 2017 könnte sie grüne "Leihstimmen" erhalten. Die mögliche Hoffnung: Wenn man schon inhaltlich nicht an der FPÖ vorbeikommt, könnte dies die SPÖ dennoch durch wütende Grüne unerwartet bei der EU-Wahl auf Platz 1 spülen. Dies brächte Rückenwind für den angeschlagenen Babler für die Nationalratswahl im Herbst. Dessen Kampagne zur Parteichef-Wahl wurde pikanterweise von "COMÚN"-Beirätin Strobl orchestriert.

Das Timing wirft dann doch einige Fragen auf...:

Basti und die gebo(h)r'ne Glaskugel

Am Ende stellten sich die Grünen hinter Schilling, Sebastian Bohrn-Mena könnte freilich mit der umgekehrten Route spekuliert haben. Schon Anfang April stellte er einen prominenten Politiker-Rücktritt für den Mai in Aussicht, der Staub aufwirbeln würde. Hatte er als Betroffener hier Insider-Wissen, dass eine Story kommen würde? Oder meinte er mit seinem Tweet gar nicht Schilling? Versuchte er einfach nur sein Glück mittels Glaskugel? Die Optik ist jedenfalls beeindruckend, denn er argumentierte seine vermeintlichen Hellseher-Fähigkeiten damals mit seinen guten Netzwerken.

Dieses Netzwerkertum führte in der Vergangenheit dazu, dass einstige Weggefährten ihm in der Vergangenheit unterstellten, hier Anspruch und Realität auseinander klaffen zu lassen. So behauptete Martin Balluch, der Obmann des "Vereins gegen Tierfabriken" (VGT) - der seinerseits übrigens einst per Freispruch rechtsstaatlich bestätigt bekam, keine "Mafia" gebildet zu haben - einst, dass Bohrn-Mena, obwohl Initiator des Tierschutz-Volksbegehren, Vertretern der Geflügel-Lobby Beratungsleistungen gegen hohe Geldsummen angeboten habe. Auch die "Presse" berichtete damals darüber. Bohrn-Mena wies die Vorwürfe hingegen weit von sich, die Causa ebbte wieder ab.

Balluch präsentierte damals dennoch angebliche Sitzungsprotokolle, welche die Vorwürfe seiner Ansicht nach untermauern sollten: 

Vroni, die Stiftung & der Feminismus

Während der Enkel eines sozialistischen exil-chilenischen Ex-Gouverneurs sich zwischenzeitlich von der einstigen roten politischen Heimat entfremdet hatte, verschwand seine Gattin nie ganz aus dem erweiterten Dunstkreis der SPÖ. Sie engagierte sich über Jahre in der Gewerkschaft und verfasste zwischen 2017 und 2020 nicht weniger als 20 Beiträge für "Kontrast", ein Online-Portal im 100%-Besitz des SPÖ-Parlamentsklubs. Nun orchestrieren die beiden von ihrer "Homebase" im nördlichen Waldviertel die Stiftung mit Berührungspunkten zu roten Vordenkern und Initiativen zum Zweck des "sozialen, ökologischen und demokratischen Wandels".

Die Stiftung versteht sich auch offen als "feministisch". Auf der Homepage schreibt man: "Wir wollen für mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft sorgen, die Position von Frauen in Familien und im Berufsleben stärken und zu ihrem Schutz beitragen. Denn Gewalt gegen Frauen ist auch im 21. Jahrhundert noch allgegenwärtig." Dem für seinen "Ius primae noctis"-Tweet ins Kreuzfeuer geratenen SPÖ-Nationalrat Andreas Kollross erteilte Veronika Bohrn-Mena aber nach einer Spende den Persilschein. Dafür framte ihre Stiftung eine parlamentarische Anfrage (!) zu den Aktivitäten ihrer Beirätin Strobl einst als "rechten Angriff" gegen eine Frau und rief den "GegenRechtsSchutz" ins Leben.

"Wenn er nicht gerade [...] ist er ein Guter" - bei häuslicher Gewalt gegen Frauen würden Feministinnen solche Denkweisen als fatal erachten:

Am eigenen Anspruch zerbröckelt?

Eine interessante Stellungnahme und Sichtweise zu den aktuellen Vorwürfen bietet die einstige Grünen-Politikern Sibylle Hamann auf ihrem Blog an: "Sie hat (in einem privaten Gespräch in ihrem allerengsten Lebensumfeld!) Sorge geäußert, ob eine Freundin vielleicht von ihrem Ehemann geschlagen wird. Genau das sollten wir alle tun: Hinschauen, Warnsignale wahrnehmen, Rat suchen, und Hilfe anbieten, falls notwendig. Exakt dieses Verhalten bewerben wir in millionenteuren 'Schau nicht weg'-Gewaltschutz-Kampagnen. Dass die Sorge um die Freundin im konkreten Fall offenbar unbegründet war – umso besser."

"Vroni" muss nun dicke Bretter bohr'n: Sie erklärt in sozialen Medien, dass sie lange gezögert habe, bevor sie die Unterlassungserklärung an die "Standard"-Journalisten weiterreichte, nachdem man sie seit Wochen auf die Thematik ansprach. Und doch nutzt das Medium ihren Fall, um ihrer früheren Freundin auszurichten - und es sitzt wie ein Stock-Schilling. Ob kleines Puzzleteil oder Schlagader der Story: Die Freundschaft mit Schilling war offenbar vorbei, als deren Tratsch ihren Göttergatten betraf. Eines ist so oder so gewiss: Der "Glaubt allen Frauen"-Anspruch hat seine Grenzen erreicht. Denn obschon beide Damen ihn verfechten - zeitgleich stimmen die Versionen wohl kaum.

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