Multipolare Weltordnung

Ende der US-Hegemonie: Russland und Indien planen Freihandelsabkommen

Politik
Bild: kremlin.ru, Wikimedia Commons, CC BY 4.0

Die Welt verändert sich zunehmend und weder die USA, die sich an ihren Herrschaftsanspruch klammern, noch Europa bzw. die EU sind noch der Nabel der Welt. Denn diese beginnt sich um neue Achsen jenseits des "Werte-Westens" zu drehen. So schaffen immer mehr Staaten den US-Dollar als Leitwährung ab. Indien, was seit dem Krieg in der Ukraine den Handel mit Russland verstärkt hat, erwägt nun sogar ein Freihandelsabkommen mit dem Kreml.

Abgesang auf US-dominierte Weltordnung

Es hört sich an wie der Abgesang auf eine mehr als 30 Jahre alte Weltordnung. Damals, kurz nachdem die Trennung der Welt in Ost und West aufhörte zu existieren, der Warschauer Pakt und die Sowjetunion zerbrachen und sich die USA samt NATO als Sieger der Geschichte wähnte. Ohne Gegenpol bzw. Konkurrenz konnte man schalten und walten und brachte "Demokratie" in viele Länder der Erde.

Häufig mit Bomben und Militär, aber immer recht zielsicher dorthin, wo Bodenschätze oder sonstige Gegebenheiten den Interessen der USA entgegenkamen. So wirkt nun der G7-Gipfel irgendwie aus der Zeit gefallen - und auch wenn die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock daran teilnimmt - wie ein Klub "alter weißer Männer", die die Zeichen der Zeit überhört haben.

Status quo der internationalen Ordnung

Denn wenn die G7 - angeblich die Runde wirtschaftsstarker Demokratien - sich nun in Japan treffen und dabei vor "jeglichen einseitigen Versuchen", den Status quo der internationalen Ordnung "durch Gewalt" zu ändern, warnen, ist dies zwar nett gemeint, aber die Welt ändert sich auch ohne Gewalt. Dass die Adressaten dabei Russland und China waren -  gemeint ist die russische Aggression in der Ukraine und das Machtstreben Chinas - ist jedem klar, doch wirkt es wie eine verzweifeltes "Haltet den Dieb".

Denn die "Früchte des US-Imperialismus" und seiner Bombensaaten um den halben Globus möchte man sich nicht von anderen streitig machen lassen. Dabei braucht es aber keine Gewalt, wie sich schon seit Jahren zeigt.

BRICS-Staaten gegen US-Hegemonie

Denn als sich Anfang der 2000er Jahre wirtschaftsstarke "Schwellenländer" zu sammeln begannen, denen nach ihren Anfangsbuchstaben die Bezeichnung BRICS zufiel - Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika - entstand ein damals nicht sofort wahrgenommener Gegenpol zur Dominanz des "Westens". Und in den vergangenen Jahren haben die BRICS-Staaten ganze Arbeit geleistet.

Als der Konflikt in der Ukraine ausbrach, scharten sich die Staaten der Erde nicht um die Fahne des Westens, sondern verharrten abwartend und beobachtend. Und daran hat sich bis heute wenig geändert, bis auf NATO und EU - und selbst da nicht alle - tragen kaum Staaten die Sanktionen gegen Russland mit. Und auch kaum ein anderer Staat bezieht öffentlich Stellung gegen Russland. Wer beißt schon die Hand, die Rohstoffe liefert...

Wirtschaft in neuen Bahnen

So vertieften sich die Handelsbeziehungen zwischen Russland und Indien nach Beginn des Krieges in der Ukraine massiv. Bedingt durch die Sanktionen der USA und der EU verfünffachten sich 2022 die russischen Importe nach Indien, vor allem die von Energie - Der Status berichtete. Nun geht man offenbar auch daran, dies auf weitere Güter auszudehnen. So erklärte der russische Handelsminister Denis Manturow, dass die beiden Länder ein Freihandelsabkommen diskutieren, um die bilateralen Handelsbeziehungen, die seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine aufgeblüht sind, weiter zu vertiefen.

Intensivierung der Handelsbeziehungen

Dies zeigt auch den Stellenwert des Westens. Denn trotzdem westliche Länder seit Beginn des Krieges Indien immer wieder aufforderten, sich von Russland zu distanzieren, dachte man  in Neu-Delhi offenbar nicht daran, den wichtigsten Waffenlieferanten des Landes vor den Kopf zu stoßen. Stattdessen setzt man auf Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern.

"Wir schenken den Fragen des gegenseitigen Zugangs der Produktion zu den Märkten unserer Länder besondere Aufmerksamkeit", so Manturow bei einem Treffen in Neu-Delhi. Auch der indische Außenminister S. Jaishankar pflichtet ihm bei. Die COVID-Pandemie habe die Gespräche zwischen Indien und der von Russland geführten Eurasischen Wirtschaftsunion lediglich unterbrochen. Er hoffe, dass "unsere Kollegen dies aufgreifen werden [...] denn wir glauben, dass es unsere Handelsbeziehungen wirklich verbessern wird".

Handel in nationalen Währungen

Russland, das inzwischen vor dem Irak zum wichtigsten Rohstofflieferanten für Indien geworden ist, könnte durch den Handel mit Indien an von Sanktionen betroffene Güter für Schlüsselproduktionen wie Medikamente, Autos, Züge und Flugzeuge kommen, um die eigene Wirtschaft in diesen Bereichen zu entlasten. Für Indien würde es eine Senkung des Importüberschusses aus Russland bedeuten.

Zumal auch sich auch beide Länder auf die Verwendung "nationaler Währungen und Währungen befreundeter Länder" einigen und damit dem US-Dollar weiter das Wasser abgraben. Zuletzt hatte  die indische Zentralbank bereits ein neues Zahlungssystem eingeführt, um den Handel mit den landeseigenen Rupien zu erleichtern.

Ende der Dollar-Leitwährung

Auffallend ist zudem, dass nicht nur Indien die Rupie stärken will, sondern auch andere Länder, wie China und auch Russland zunehmend beginnen, in nationalen Währungen zu handeln. Und sogar der umstrittene linke brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva sorgte zuletzt bei seinem China-Besuch mit der Forderung für Aufsehen, dass die BRICS-Staaten eine eigene Währung für den Außenhandel entwickelten sollten, um die Dominanz des US-Dollars zu umgehen.

"Warum kann eine Institution wie die BRICS-Bank nicht eine Währung haben, die die Handelsbeziehungen zwischen Brasilien und China, zwischen Brasilien und allen anderen BRICS-Ländern finanziert? Wer hat entschieden, dass der US-Dollar die (Handels-)Währung nach dem Ende der Goldparität ist?, so Lula.

Neue multipolare Blockbildung

Dabei scheint die BRICS-Runde als Alternative zur US-Dominanz ohnehin immer attraktiver zu werden. Ob Algerien, Argentinien, der Iran oder auch Saudi-Arabien, sie alle streben die Mitgliedschaft in der BRICS und teilweise auch zusätzlich in der SOZ (Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit) an. In dieser sind neben China, Indien und Russland auch der Iran, Pakistan, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan vertreten.

Aufgeschreckt dürften sie wohl auch die Sanktionen gegen Russland und das Einfrieren von Staatsvermögen durch die USA und den Westen haben. Aber auch die Entwicklung und Schwäche der westlichen Wirtschaft dürfte ein Grund dafür sein, sich neben neuen Verbündeten auch den Überlegungen für eine neue US-Dollar unabhängige Leitwährung hinzugeben. Denn wieso sollte man mit der Verwendung derselben noch ein System unterstützen, dem man eigentlich skeptisch gegenübersteht?

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