Vertauschte Ergebnisse

'Wer auszählt entscheidet': Weitere Unstimmigkeiten im SPÖ-Wahldebakel

Meinung
Stalin (wikimedia: gemeinfrei), Babler (flickr: SPÖ Presse und Kommunikation - CC BY-SA 2.0), Doskozil (flickr: EU2017EE Estonian Presidency - CC BY 2.0), Komposition: Der Status

Der ORF wollte Babler. Der "Wiener Zirkel" wollte Babler. Die ANTIFA wollte Babler. Und doch unterlag der globalistische Kandidat der Eliten am Samstag bei der Wahl zum SPÖ-Bundesvorsitzenden. Am Montag stellt sich heraus: Die Ergebnisse von Doskozil und Babler sollen in einer Exel-Liste vertauscht worden sein. Babler gewinnt. 19 Mitglieder der Wahlkommission - Angehörige beider Lager - sollen bis dahin nichts von der Verwechslung bemerkt haben. Ist diese Geschichte wahr oder frei erfunden? Der Status fragte in der SPÖ nach und sprach mit einem Parteitags-Delegierten.

"Genosse" Josef Stalin sagte: „Die Leute, die die Stimmen abgeben, entscheiden nichts. Die Leute, die die Stimmen zählen, entscheiden alles.“ Fest steht: Jene "Genossen", die die Stimmen der Wahl zum SPÖ-Parteivorsitzenden auszählten, haben in Stalins Sinne alles entschieden. Doch viele fragen sich, ob das am Samstag oder erst am Montag geschah. 

Der Kandidat des Mainstreams

Andreas Babler hat in den letzten Jahren so einiges aufgegeben: Den Marxismus, seine kritische Haltung zu Nato und EU. Probaten Ersatz scheint er in der vorgebenen Doktrin zu Great Reset und dem Anti-Russland-Kurs gefunden zu haben. Beständig scheint Bablers Kurs hingegen in Asylfragen: Durch sein Bekenntnis zu offenen Grenzen und unendlicher Umverteilung erreichte er als Bürgermeister des Ortes mit dem größten Asyl-Erstaufnahmelager Österreichs landesweite Bekanntheit.

Als der "woke" Kandidat sollte er im Sinne des Wiener Zirkels die bestehende SPÖ vorm von den Eliten gehassten Kandidaten Hans Peter Doskozil noch einmal in letzter Sekunde retten. Denn Doskozil ließ durch seine an SPÖ-Verhältnissen gemessene asylkritische Haltung, seine Koalition mit der FPÖ auf Landesebene und seinen teilweisen Widerspruch gegen die Corona-Impfpflicht zu stark durchscheinen, dass er für die Eliten nicht so einfach "steuerbar" ist. Der Popanz der von medialer Seite für die Wahl Bablers betrieben wurde, schien irrational. Doskozil hingegen erteilte im Zuge seiner Parteitagsrede der Maschinerie rund um die "Österreich"-Zeitung eine Absage, versprach, dass die SPÖ unter ihm keine Inserate mehr in Fellners Medium schalten werde. Von Anfang an war Babler der Kandidat von ORF, Falter, Standard und "Österreich", wie Der Status berichtete

Erbitterte Gegnerschaft im Wiener Zirkel

Mehrfach wurde die Wahl Hans Peter Doskozils seitens der Parteigranden verhindert. Der Wiener Zirkel machte kein Geheimnis daraus, dass Doskozil für ihn keine Option darstellt. Obwohl Doskozil in der Mitgliederbefragung knapp auf Platz 1 vor Rendi-Wagner und Babler gelandet war, ließ man entgegen der vorherigen Beschlüsse Babler zur Kampfabstimmung auf dem Parteitag zu, in der Hoffnung, das Ruder rumzureißen. Mit Michael Ludwig hat der burgenländische Landeshauptmann einen mächtigen und offenen Gegner.

Einen Tag vor dem Parteitag agitierte Ludwig offen gegen die Wahl Doskozils - woraufhin Doskozil Ludwig sogar den Handschlag verweigerte. Ludwig gratulierte Doskozil nie zur vermeintlich gewonnenen Wahl, ließ aber am Montag mit den Glückwünschen für Babler nicht lange warten. So als hätte er ohnehin gewusst, dass Doskozil letztlich nicht zum Parteivorsitzenden werden würde.

Wahlkommission aus 19 Mitgliedern bemerkte keine Unstimmigkeit

19 Mitglieder und damit Vertreter aller Lager und Bundesländer, gehörten der Wahlkommission am Samstag an. Wer jemals Wahlbeisitzer war, kennt folgendes Prozedere: Jeder zählt für sich jede einzelne Stimme nach, notiert die Ergebnisse und vergleicht im Anschluss. Am Ende bürgt er mit seiner Unterschrift für die Richtigkeit des Wahlablaufs. Soweit bekannt ist, soll niemand der 19 Kommissionäre bei der Verkündung des Wahlergebnisses am Samstag aufgeschrien haben. Und so endete der Parteitag mit einem Gewinner und zukünftigen Parteivorsitzenden Doskozil und einem, wie ein Delegierter exklusiv gegenüber Dem Status beschreibt, "aggressiven Babler mit hochrotem Kopf".

Auf Doskozil gingen 316 Stimmen, auf Babler 279. 

Das SPÖ-Mitglied, das seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, schildert: "Ich bin vieles gewöhnt, doch das war übertrieben und unangenehm. Er hat es überhaupt nicht ausgehalten, dass er verloren hat."

Unstimmigkeiten: Ein Delegierter berichtet

Erst nachdem der ORF-Journalist Martin Thür am Wochenende bemerkte, dass eine Stimme im kolportieren Ergebnis fehlte, wurde von einigen Seiten eine Nachzählung gefordert.

Eine Nachzählung, die nach üblichem Prozedere bei SPÖ-Parteitagen gar nicht möglich wäre, wie uns der SPÖ-Delegierte berichtet: "Normalerweise - und so kenne ich das von jedem Parteitag, sei es auf Bezirksebene, Landesebene oder Bundesebene - werden die Wahlzettel nachdem sie bestätigt wurden, immer vernichtet. Der Vorsitzende der Wahlkommission berichtet das Ergebnis und stellt dann mündlich den Antrag auf Vernichtung der Wahlzettel. Die Delegierten stimmen per Handzeichen darüber ab. Das ist in der SPÖ so üblich und wird bei jeder Wahl gemacht. Es ist sehr ungewöhnlich, dass das dieses Mal nicht passiert ist."

Je eine Stimme zu viel: Was passierte mit Wahlzetteln in der Löwelstraße?

Statt die Stimmzettel nach der Bestätigung des Ergebnisses zu vernichten, wurden diese wie man heute weiß, nach dem Parteitag in Linz in Plastiksäcken nach Wien transportiert. Dort seien sie in der Zentrale in der Löwelstraße verwahrt worden. Ob sie plombiert oder unplombiert waren, ist nicht bekannt, es bestehen unterschiedliche Aussagen hierzu. Laut den Aussagen Hans Peter Doskozils habe dieser jedenfalls bereits am Montag vormittag von "Gerüchten" über "Unstimmigkeiten" erfahren. Und wie die neue Sprecherin der Wahlkommission, Klaudia Frieben, in einer heutigen Pressekonferenz stotternd auf die Frage eines Journalisten erklärte, hantierten "Mitarbeiter" der SPÖ in der Wiener Löwelstraße bereits am Vormittag an den Wahlzetteln. Ebenso nervös reagierte Frau Frieben auf die Frage, ob es stimme, dass am Samstag Wahlzettel nachgedruckt worden seien. Ihr sei dazu nichts bekannt, entgegnete Frieben unsicher. 

Erst um 14 Uhr traf nach der bekannten Erzählung der Vorgänge die mittlerweile zurückgetretene Sprecherin der Wahlkommission, Michaela Grubesa, in der Löwelstraße ein. Ganz alleine soll sie die Wahlzettel noch einmal durchgezählt haben. Um wenige Stunden später peinlich berührt vor die Medien zu treten und zu erklären, dass diese vertauscht worden seien. Die fehlende Stimme sei gefunden worden und ungültig. Und dennoch zeigte sich nun ein gänzlich anderes Ergebnis. 

Auf Babler gehen nun 317 Stimmen, auf Doskozil 280. Und nach der SPÖ-Erzählung sind das pro Kandidaten je eine Stimme zu viel. Beobachter fragen sich daher: Wurde an den Wahlzetteln nachjustiert? Geschah dabei ein neuer Fehler?

Merkürdige Reaktionen von Babler und Doskozil

Beachtlich ist, dass Doskozil am Montag nachmittag umgehend seinen Rückzug aus der Bundespolitik erklärte. Weder forderte eine weitere Überprüfung der Vorgänge, noch einen neuen Parteitag. Und das, obwohl die Umbenennung des Wahlsiegers statutarisch nicht konform sein kann. Denn entsprechend des Parteitags heißt der von den Delegierten bestimmte zukünftige SPÖ-Vorsitzende nach wie vor Doskozil.

Einem neuen Parteitag wird vor allem aus den Wiener Kreisen und im ORF durchgehend eine Absage erteilt. Eine präzise Begründung hierfür lässt man missen. Und Babler, der sich auf dem Weg zur Pressekonferenz auf die humoristische Frage eines Journalisten nach seinem letzten Excel-Kurs gequält das Lachen verkniff, forderte in bemerkenswerter Selbstsicherheit eine Nachzählung der Wahlzettel.

Gequält verkneift sich Babler das Lachen:

Wie Grubesa zum Sündenbock wurde

Und Michaela Grubesa? Auch ihre robotische Schilderung der Vorgänge ist bemerkenswert. Sie erklärte in ihrem Statement am Montag: "Es ist mir ganz wichtig, dass bei der Arbeit der Wahlkommission kein einziger Fehler unterlaufen ist. Es handelt sich um einen technischen Fehler." Sie hielt fest, dass kein einziges Mitglied der Wahlkommission nach der Ergebnisverkündung eine Nachzählung forderte. Denn am Montag habe sie in der Löwelstraße bei der Nachzählung festgestellt: "Die Stimmzettel haben nicht mit dem digital verkündeten Ergebnis zusammengepasst."

Heute soll Grubesa die Hauptschuldige, das Gesicht des "Debakels" sein. Sie ist die Lebensgefährtin des Doskozil-Unterstützers Max Lercher und folgte Harry Kopietz nach dessen Rücktritt am 11. Mai als Sprecherin der Wahlkommission nach. Der Wiener Vertreter sei aus gesundheitlichen Gründen gegangen, wurde medial kolportiert. Aus SPÖ-Kreisen heißt es jedoch, das breit angemeldete Misstrauen aus den Bundesländern gegenüber der Wiener SPÖ sei die eigentliche Ursache gewesen. Hätte Grubesa, die einer gemischten Kommission von Doskozil- und Babler-Vertrauensleuten vorsaß, sich wirklich getraut, einen mutmaßlichen Betrug zu decken? Und hätten Bablers Unterstützer diesen tatsächlich bis Montag nicht bemerkt, nicht jedes Interesse gehabt, das Ergebnis bereits am Parteitag genauestens zu prüfen?

Obwohl Grubesa nun öffentlich als Sündenbock herhalten muss und vielen Vorwürfen ausgesetzt ist, ist von Bestrebungen in Richtung einer strafrechtlichen Überprüfung wegen eines mutmaßlichen Betrugs, den man der ehemaligen Kommissions-Sprecherin hintenrum vorwirft, nichts zu sehen. Der Glaubwürdigkeit der Excel-Verwechslungs-Erzählung dürfte dies nicht zuträglich sein. 


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