Rhetorik wird schärfer

'Sind im dritten Weltkrieg': Israeli-Minister verteidigt Brutalität gegen Gaza

Welt
Bild: U.S. Embassy Jerusalem, Wikimedima Commons, CC BY 2.0

Bereits nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges im Vorjahr hielt sich das Transatlantiker-Blatt "Bild" nicht zurück. Die Gefahr eines "dritten Weltkrieges" zu riskieren wurde sogar als wünschenswert dargestellt. Anderthalb Jahre später ist es dieselbe Zeitung, die diese Phrase bringt: Kein geringer als der israelische Energie-Minister und wohl baldige Außenminister Israel Katz erklärte in einem Interview, dass dieser bereits im Gange sei. Zum großen Feind soll diesmal wohl die gesamte islamische Welt und ihre Diaspora werden.

Israeli-Minister offen: "Sind im Dritten Weltkrieg"

Diesmal sagt man gar nicht mehr durch die Blume, worauf es hinauslaufen soll, sondern erschreckend direkt: "Wir befinden uns gegenüber den radikalen Islam im Dritten Weltkrieg. Deshalb geht es nicht nur um Israel," meint Katz im Gespräch mit "Bild"-Reporter Paul Ronzheimer, der bereits im Ukraine-Krieg durch einseitige Berichterstattung auffiel. Zwar achte sein Staat darauf, seine Kriege alleine zu führen - wenn auch mit finanzieller und militärischer Unterstützung des Westens, aber: "Es ist nicht nur unser Krieg. Der Krieg ist auch innerhalb Europas. In radikalen Gemeinschaften."

Als Drahtzieher dieser Entwicklung macht er den großen Erbfeind seines Staates aus: "Heute wird dieser Weltkrieg vom Iran geführt," so Katz. Das Land sieht er als Hort alles Bösen, der überall im Nahen Osten seine Stellvertreter habe: Die Hisbollah im Libanon, die Chuten im Jemen, die schiitischen Milizen im Irak, nicht näher bezeichnete "Kräfte" in Syrien sowie die Hamas und den "Islamischen Dschihad" in Gaza. Zudem habe er "Zellen in Europa", die Teil eines Systems sei, das einen "einzigen Zweck" habe, nämlich eine "schiitische, radikal-islamische Revolution zu exportieren." So zumindest die einfach gestrickte Verschwörungstheorie des Netanjahu-Parteifreunds. 

Strohmänner für totale globale Eskalation

Dass in den meisten von ihm genannten Gebieten tatsächlich sunnitische Muslime in der Mehrheit sind - und dies insbesondere für die Hamas gilt, die ursprünglich auf eine Abpaltung der radikalen sunniten Muslimbrüder zurückgeht, scheint Katz für sein Narrativ einerlei. Und Ronzheimer fragt auch nicht kritisch nach, denn es geht nur darum, uns auf möglichst brutales Kriegsgeschehen oder zu allermindest auf einen westlichen Krieg gegen den Iran einzustimmen. Daher warnt Katz auch vor dem Atomkrieg: "Sollte er, Gott behüte, darüber verfügen, wird es unmöglich, gegen diese Akteure zu handeln, und zwar aufgrund der iranischen Bedrohung." 

Dabei reiche es, dass der Iran alleine drohen könnte: "Darum befinden wir uns inmitten des Dritten Weltkrieges." Und dabei sieht er die Rollen klar verteilt: "Die westlichen Staaten. die Regierungen und große Teile der Öffentlichkeit verstehen das mehrheitlich und unterstützen den Staat Israel, der an der Front steht." Und hierbei ist Katz kein Mann der Kompromisse, sagte er doch schon vor knapp zwei Wochen: "Die gesamte Zivilbevölkerung in Gaza wird aufgefordert, den Gazastreifen sofort zu verlassen. Wir werden siegen. Sie werden keinen Tropfen Wasser oder eine einzige Batterie erhalten, bis sie die Welt verlassen."

Rechtfertigung von Kriegsverbrechen

Kündige einen faktischen Völkermord an und bekomme einen Auftritt in Deutschlands größter Zeitung: Wenn man für die "richtigen" geopolitischen Ziele steht, dann ist das möglich. Und der Springer-Verlag, zudem die "Bild" gehört, fügte eben das Existenzrecht Israels sowie das Einstehen für das transatlantische Bündnis sogar in Arbeitsverträge ein. Wer auch nur einen Millimeter von diesem aus Washington befohlenen "Gut-Böse-Schema" abweicht, kann nicht für die Springer-Blätter arbeiten. Und wer eben fürchtet, dass auch nur mildeste Kritik als Vertragsverfehlung und somit Kündigungsgrund herhält, bejubelt Israel halt lieber vollumfänglich. 

So darf Katz seinen Punkt noch vertiefen: "Jede humanitäre Hilfe setzt die Freilassung der Entführten voraus. Das ist für mich das moralische Gebot, darum habe ich es so gesagt und diese Linie vertreten. Wir haben die Stromlieferung aus Israel ausgeschaltet, das Wasser aus Israel, die Brennstofflieferungen nach Gaza auch, um Druck auszuüben, die Entführten freizulassen.“ Der Hinweis, dass man hier womöglich offen das Völkerrecht brach, indem man die Zivilbevölkerung gezielt leiden ließ, bleibt seitens des Journalisten aus. Doch weil die Vorgehensweise sogar den USA zu unsauber war, fragt Ronzheimer eher halbseiden: "Was hat zum Umdenken geführt?"

Sogenannte "freie Welt" als Teil des Kriegs

Nichtsdestotrotz behauptete Katz, dass es nicht im israelischen Interesse sei, die Bevölkerung Palästinas verhungern zu lassen, immerhin wäre man ja "human". Dafür, dass sein Land den Gazastreifen noch nicht dem Erdboden gleichmachte, will er offenbar sogar Applaus: "Es gibt viele Staaten, die ich kenne, die Sie kennen, die nach solchen Begebenheiten das Nachbarland ausradiert hätten. Wenn es in die USA, Gott behüte, so einen Angriff aus Mexiko auf Texas gegeben hätte, gäbe es kein Mexiko." Ganz nach dem Prinzip: Was sind schon zwei Millionen Araber, wenn man über 100 Millionen Mexikaner als Strohmann aufstellen kann? 

Im Hinblick auf die Bodenoffensive beteuerte er, dass diese unmittelbar bevor stehe. Er sieht sich auf der richtigen Seite der Geschichte: "Die meiste freie Welt will, dass Israel die Hamas niederschlägt, denn es ist auch ihr Krieg; der Krieg von Deutschland, von England von Frankreich, von allen und auch von den USA und vielen anderen Staaten." Und um gar keinen Zweifel entstehen zu lassen, wo die Trennlinien verlaufen: "Die USA haben ihre Flugzeugträger hierher gebracht, um den Iran und die Hisbollah abzuschrecken, da es hier um einen Weltkrieg geht, um einen Dritten Weltkrieg gegen den radikalen Islam – mit russischer Beteiligung und einem ganzen Hintergrundspiel."

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