Staatsfunk-Geständnis

USA & Freimaurer Portisch: Österreichs ORF-Umerziehung

Politik
Bild: US-Flagge & Freimaurer-Zeichen: Freepik; ORF-Auge: Thomas Ledl, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 AT; Portisch: BMEIA/Dragan Tatic, Flickr, CC BY 2.0 (freigestellt); Collage: Der Status.

Hugo Portisch gilt als Österreichs erfolgreichster Journalist nach 1945. Als er 2021 starb, konnte er auf eine Bilderbuchkarriere bei Kurier und ORF zurückblicken. Zudem gilt er als "Geschichtslehrer" Österreichs, der mit zahlreichen Dokumentationen das Meinungsbild der Bürger beeinflusste. Bei genauerer Betrachtung seiner Biographie ist das jedoch kein Zufall. War er doch Teilnehmer eines der "erfolgreichsten Umerziehungsprogramme" der USA.

"Journalistenlegende", "Geschichtslehrer Österreichis", "Doyen des österreichischen Journalismus": Das sind nur einige der Zuschreibungen, mit denen Hugo Portisch bedacht wurde. Er sei "der wichtigste und einflussreichste Architekt unseres kollektiven Gedächtnisses – und Teil der österreichischen DNA", lobte ihn etwa auch ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg. Kein Wunder also, dass ihm auch der Presseclub Concordia unter dem Titel "So sahen wir Hugo Portisch. Perspektiven auf das Vermächtnis und den Nachlass eines Jahrhundert-Journalisten" derzeit eine eigene Ausstellung widmet.

US-Umerziehung

Im ORF widmete man sich auch dieser Ausstellung. Der Haus-und-Hof-Historiker der SPÖ, Oliver Rathkolb, verfasste dazu einen Artikel, in dem er einen bisher wohl etwas weniger beachteten Zeitraum in Portischs Biographie näher beleuchtet. Dabei handelt es sich um "das Umerziehungsprogramm der USA [...] das junge Journalistinnen und Journalisten mit der amerikanischen Zeitungskultur in Verbindung brachte. Eine Paradebiografie ist dabei jene des jungen Hugo Portisch", so Rathkolb.

Dabei ging es um ein Programm des Kulturaustauschs, welches am am 1. April 1947 im Wiener Kurier mit der Schlagzeile "USA kündigen aktiven Kulturaustausch mit Österreich an. Amerikanische Regierung veröffentlicht Programm für Austausch von Persönlichkeiten des kulturellen Lebens" angekündigt wurde, und welches für Rathkolb eines der - langfristig gesehen - "erfolgreichsten Umerziehungsprogramme" der US-Besatzungsmacht war.

Freie Presse nach US-Vorbild

Dieses Programm sollte junge aufstrebende Talente fördern und "Personen beider Länder (…), die auf erzieherischem, publizistischem und religiösem Gebiet an wichtiger Stelle stehen" einander näherbringen. Dazu gehörten auch "führende Männer der Presse, des Rundfunks und des Filmwesens" die dazu in die USA entsandt wurden. Von einem Expertenkomitee ausgewählte Journalisten nahmen daher ab 1950 an dem "University of Missouri Journalism Project" teil, wo sie Vorlesungen, aber auch Redaktionen großer US-amerikanischer Zeitungen besuchten und deren Arbeitsweise kennenlernen sollten. Einer der Auserwählten war dabei Hugo Portisch, neben anderen später "prominenten und einflussreichen Persönlichkeiten".

Umerziehung statt Pressefreiheit

Dass sich Österreich nach 1945 von der Lizenzpresse der Alliierten und der zugelassenen Parteizeitungen "hin zu einer freien Presselandschaft entwickeln konnte", ist für Rathkolb ein Verdienst des US-Umerziehungsprogramms, wie er dem geneigten Leser des ORF-Artikels wissen lässt. Dabei vergisst der Historiker jedoch dem Leser mitzuteilen, dass auch das "Exchange of Persons Program", welches Portisch an die "Missouri School of Journalism" der  University of Missouri führte, eng mit der Reeducation verbunden war.

Oder wie es in einer Dissertation an der Universität Wien heißt, die Rathkolb sogar als Betreuer begleitete: "Reeducation oder besser: Reorientation sollte – im Sinne US-amerikanischen Eigeninteresses – in pragmatisch-realistischer Verbindung mit dem wirtschaftlichen-ökonomischen Aufbau künftig eine profunde weltanschaulich-politische Immunisierung gegen jede Form anti-amerikanischer Aggression garantieren und durch Westintegration zur politischen Stabilität beitragen."

Private Stiftungen und CIA

Dabei ging es auch nicht vornehmlich um die Vermittlung von Bildung oder das Erlernen der Grundsätze freier Pressearbeit, sondern um die Indoktrination zukünftiger Meinungsverstärker im Sinne der USA. Dazu wurden privaten Stiftungen, Organisationen und Bildungsinstitute wie die Rockefeller Foundation, das Carnegie Endowment for International Peace, die National Education Association, das American Council for Education, das Institute of International Education, die Association of American Colleges, die American Association of University Women, die American Library Association etc., zur Finanzierung für das Austauschprogramm gewonnen.

Aber auch die CIA oder ihr nahestehende Organisationen interessierten sich für derartige Austauschprogramme. So heißt es auch wörtlich in der oben erwähnten Dissertation:

"Als Geheimdienstfachmann, Experte für Psychologische Kriegsführung und glühender Antikommunist sprach Wisner, der zum selben Zeitpunkt die Leitung der halboffizielle Geheimdienstabteilung 'Office for Policy Coordination' (OPC) innerhalb der neugegründeten CIA übernahm, vergleichsweise deutlich aus, was die unausgeprochene, asymmetrische Präambel aller künftig von amerikanischer Seite finanzierten und administrierten  Austauschprogramme darstellte: primäres Ziel war keineswegs mehr lediglich der gegenseitige Erfahrungsaustausch, sondern – wie indirekt auch immer gehandhabt – die nachhaltige Reeducation beziehungsweise Reorientierung, also die gezielte, positive Beeinflussung durch das Vorbild amerikanischer Lebensweise, Produktion, Demokratie, Wissenschaft und Bildung sowie deren Bezüge zu individueller Freiheit und wirtschaftlich-technischer Effizienz."

USA als Pressefreiheits-Exporteur?

Zurück von seinem "Bildungsausflug" aus den USA der McCarthy-Ära - die nicht unbedingt selbst der Hort der Presse- und Meinungsfreiheit waren - zeigte Portisch, was er gelernt hatte und betätigte sich im Zentralorgan der ÖVP als Kommunistenfresser. "Gegen die kommunistischen, im weiteren Sinn die marxistischen Lehren zu kämpfen" definierte er dort 1950 als seine "Hauptaufgabe". Denn, dass Portisch den USA-Ausflug zur Schulung in Pressearbeit nötig gehabt hätte oder dieses Austauschprogramm die Grundlage für die Pressefreiheit in Österreich legte, kann selbst Rathkolb nicht wirklich ernsthaft glauben.

So verfügte Österreich schon seit langem - wenn auch mit bekannten Unterbrechungen - über eine rege, vielfältige und offene Presselandschaft und eigentlich hätte Portisch das elterliche Haus gar nicht erst verlassen müssen, um diese kennenzulernen und seine ersten Schritte zu wagen. War doch sein Vater in Pressburg der Chefredakteur einer demokratischen und liberalen Zeitung gewesen, die schließlich 1939 verboten wurde.

Karriere nach der Umerziehung

Aber wie dem auch sei, Portisch stand trotz - oder eher wegen? - seines Umerziehungsausflugs in die USA eine Bilderbuchkarriere bevor. So war er Ressortleiter für Außenpolitik der "Wiener Tageszeitung", stellvertretender Leiter des österreichischen Informationsdiensts in New York, der beim Generalkonsulat angesiedelt war, Chefredakteur des Kurier - eben des Wiener Kurier der US-Besatzungsmacht, ein Zufall? - und auch Auslandskorrespondent des ORF in London und ab 1967 Chefkommentator des Staatsfunks. Als solcher erklärte er - der 1969 zudem einer Freimaurerloge beitrat - den Österreichern die Welt und wie sie Nachrichten und Ereignisse einzuordnen und zu verstehen haben.

Dass dies - in auch heute noch bewährter ORF-Tradition - alles andere als neutral oder objektiv geschah, kommt selbst Rathkolb nicht umhin, zuzugeben. So schrieb er in seinem Portisch-Nachruf im Falter 2021: "Längst ist die Kritik der Linken an Portischs Analysen zur US-Außenpolitik im Kalten Krieg verebbt." Kein Wunder, hatte er ja in einem Interview zum 75. Jahrestags des Kriegsendes die Bedeutung der Roten Armee positiv hervorgehoben, auch wenn er für sich selber aus dieser Zeit attestierte: "Die Russen waren da schon am Stadtrand von Wien, da wollte ich entkommen."

Einmal kritisch hinterfragen

Wenn auch der ORF Portisch in seinen Nachrufen als "Vermittler österreichischer Zeitgeschichte schlechthin" bezeichnet, der für Millionen Österreicher "über Jahrzehnte der beste Vermittler von internationalen und historischen Zusammenhängen" gewesen sei, sollte man vielleicht auch kritisch hinterfragen, aus welcher Sichtweise und mit welcher Intention Portisch Zusammenhänge erklärte. Zumal Historiker wissen, dass man sich den geschichtlichen Geschehnissen zwar annähern, den Punkt absoluter Wahrheit aber nie erreichen kann.

Und wenn der ORF weiters schreibt, dass Portisch "komplizierte Sachverhalte in einfachen Worten zu erklären und Wissen mit hoher Kompetenz, aber ohne erhobenen Zeigefinger zu vermitteln" vermochte, ist der fehlende Zeigefinger nicht vielleicht nur ein Indiz dafür, dass die Propaganda- und PsyOps-Schulungen in den Staaten von überraschend hoher Qualität waren? Dass seine Bücher und Dokumentationen jedenfalls Unterhaltungswert hatten und Millionen Österreicher begeisterten, ist unbestritten. Allerdings legte Portisch den Österreichern auch ein gewaltiges Ei...

ORF als Gefahr für die Pressefreiheit

Und zwar mit dem Rundfunkvolksbegehren 1964. Bis dahin war klar, dass der ORF von SPÖ und ÖVP nach dem Proporzsystem parteipolitisch besetzt war und als Sprachrohr der Parteien diente. Mit dem Volksbegehren sollte der ORF unabhängig werden und nicht mehr im Einflussbereich der Politik stehen. Als das Volksbegehren mit dem neuen ORF-Gesetz Jahre später 1966 umgesetzt wurde, endete jedoch nur die direkte und offene politische Einflussnahme. Allerdings firmiert der ORF seitdem unter den Attributen "unabhängig und objektiv", was er dann jedoch selbst zu Portischs Zeiten als Chef-Erklär-Onkel bzw. Chefkommentator nie war. 

Vielmehr ist der ORF seitdem ein Hemmschuh für eine wirkliche Pressefreiheit in Österreich. Denn seitdem dienen alle Gesetze - einschließlich der aktuellen Haushaltsabgabe - dazu, die Macht des ORF auszubauen und zu stärken. Und genau diese Gesetze waren es, die dem ORF auch ein Monopol sicherten, welches das Aufkommen von privaten Radio- oder Fernsehsendern über Jahrzehnte verhinderte. So war Österreich 2001, als man endlich Privatfernsehen erlaubte, das Schlusslicht der westlichen Welt und lag sogar Jahre hinter Balkanstaaten zurück.

Und das gilt faktisch noch immer, weil die Politik und der ORF Hand in Hand weiterhin an der Monopolstellung festhalten. Und das, obwohl der Staatsfunk seit all den Jahrzehnten kaum objektiver oder neutraler geworden ist. Der Geist der Umerziehung wirkt fort, nur unter anderen, weniger anti-kommunistischen Vorzeichen.

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