Gespräche statt Eskalation

Ukraine-Krieg: Hochrangige Experten legen Fahrplan zu Verhandlungsfrieden vor

Politik
Bild: Freepik

Seit März des vergangenen Jahres zieht sich der Krieg in der Ukraine. Ein Ende des Konflikts ist nicht in Sicht, weder Sanktionen noch Unmengen westlicher Waffenlieferungen haben den Frieden auch nur ein Stück nähergebracht. Vier hochrangige Militär- und Polit-Experten fordern deshalb nun endlich Schritte zu einem Verhandlungsfrieden und legen auch einen Fahrplan vor, damit dieser "Krieg gegen jede Vernunft" endlich endet.

Hochrangige Experten fordern Kurswechsel

Es ist nicht irgendwer, der in der Schweizer Zeitung "Zeitgeschehen im Fokus" unter dem Titel "Den Krieg mit einem Verhandlungsfrieden beenden" endlich einen Kurswechsel in der Ukraine-Politik fordert und zugleich einen Verhandlungsvorschlag unterbreitet. Bei den vier Personen handelt es sich um Professor Dr. Peter Brandt, Professor Dr. Hajo Funke, General a. D. Harald Kujat und Professor Dr. h. c. Horst Teltschik.

Der Historiker Peter Brandt ist der Sohn des ehemaligen Bundeskanzlers Willy Brandt, Hajo Funke ist emeritierter Politikwissenschaftler und Antisemitismusforscher. Kujat ist Bundeswehr-General a. D. und war Berater von Bundeskanzler Helmut Schmidt und Teltschik, Wirtschaftsmanager und Honorarprofessor war von 1999 bis 2008 Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz und ein enger Vertrauter von Bundeskanzler Helmut Kohl. Es kommt also auch eine geballte Expertise in dem Schreiben zu Wort und man kann die Personen wohl kaum als "Putin-Versteher" diskreditieren, sondern muss ihnen einen gesunden Realismus attestieren.

Krieg ist nicht zu gewinnen

Und für die versammelten vier Experten ist klar: Diesen Krieg kann niemand gewinnen, weder Russland noch die Ukraine. Selbst mit westlicher Unterstützung, seien es Waffen-Lieferungen oder die Ausbildung ukrainischer Soldaten, kann die Ukraine Russland nicht militärisch besiegen, sind sich die Unterzeichner sicher.

"Selbst die bisher und immer wieder aufs Neue von Laien geforderte Lieferung von 'Wunderwaffen' ist nicht der erhoffte 'Gamechanger', der die strategische Lage zu Gunsten der Ukraine ändern könnte. Zugleich steigt jedoch das Risiko, dass die Eskalation bis zum 'Äußersten' steigt, einem militärischen Konflikt zwischen der Nato und Russland, mit der realen Gefahr eines auf den europäischen Kontinent begrenzten Nuklearkrieges, obwohl die USA und Russland ihn vermeiden wollen", warnen sie vor einer weiteren Eskalation.

Zugleich sehen sie auch die Gefahr, dass die Ukraine durch zunehmende Angriffe auf Russland dieses Risiko vergrößert und zudem der Westen bei einer Fortdauer des Konflikts gezwungen sein könnte, selbst aktiv einzugreifen, um eine militärische Niederlage der Ukraine zu verhindern.

Fahrplan für den Frieden

Die Experten sind sich zudem sicher, dass mit Putin Verhandlungen möglich sind - "dies immer unter der Voraussetzung, dass Verhandlungen auch von der Gegenseite – also der amerikanischen, ukrainischen und westlichen Seite – gewollt werden." Für eine Beilegung des Konflikts sind drei Phasen vorgesehen. Für Phase I sehen sie einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates, mit einem Zeit- und Ablaufplan für einen Waffenstillstand. Zu einem Tag X werden dann sämtliche Kampfhandlungen eingestellt.

Ein Hoher Kommissar der UNO und eine Friedenstruppe überwachen die Einhaltung der Maßnahmen. Waffenlieferungen in die Ukraine und auch von russischer Seite an das Militär werden eingestellt. Zudem sollen "alle irregulären ausländischen Kräfte, Militärberater und Angehörigen von Nachrichtendiensten beider Kriegsparteien bis zum Tag X +10 vom ukrainischen Territorium abgezogen" werden.

Friedensverhandlungen unter UNO-Vorsitz

Die Friedensverhandlungen finden am Sitz der Vereinten Nationen in Genf unter UNO-Vorsitz statt. Zugleich zieht die Ukraine ihre Streitkräfte aus einer Zone von 50 Kilometern Breite bis zur russischen Grenze, einschließlich der Regionen Lugansk, Donezk, Saporoschje und Cherson zurück, während auch Russland seine Truppen auf den Stand vom 23. Februar 2022 zurückzieht. Die freigewordene Zone wird von UNO-Friedenstruppen besetzt und überwacht.

Zudem soll sich die Ukraine als neutraler Staat erklären und auch auch den Besitz und die Stationierung von Atomwaffen auf ihrem Territorium verzichten. Die Fragen der Krim und Sewastopol sollen auf bilateraler Ebene binnen 15 Jahren geklärt werden. Für die Regionen Donezk, Lugansk, Saporoschje und Cherson, sollten Verhandlungen keine Lösung bringen, müsste unter Überwachung der UNO ein Referendum durchgeführt werden, in dem die Bevölkerung über den künftigen Status entscheidet.

Ausschaltung geopolitischer Interessen

In Phase III soll schließlich eine dauerhafte Sicherheits- und Friedensordnung installiert werden. Dabei soll die Ukraine ihren Platz in der europäischen Sicherheitsarchitektur finden, in der "die geostrategische Lage der Ukraine keine Schlüsselrolle mehr für die geopolitische Rivalität der Vereinigten Staaten und Russlands spielt". Dabei sehen die Unterzeichner den Weg dorthin über "Konferenzen im KSZE-Format"  (Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa), die in den 70er Jahren und den folgenden Jahrzehnten den Ost-West-Konflikt merklich entspannte und 1990 mit der Charta von Paris beendete.

Diese gelte es nun, "unter Berücksichtigung der gegenwärtigen sicherheitspolitischen und strategischen Rahmenbedingungen" weiterzuentwickeln. Denn so die Unterzeichner, "Frieden ist möglich" und es gilt jetzt "für die europäischen Staaten und die Europäische Union, deren weltpolitisches Gewicht im Krieg und durch den Krieg laufend reduziert wird, alle Anstrengungen auf die Wiederherstellung eines stabilen Friedens auf dem Kontinent zu richten und damit einen grossen europäischen Krieg zu verhindern".

Hätte nicht so weit kommen müssen

Und, da sind sich die Unterzeichner ebenfalls einig, der Konflikt hätte nicht in dieser Form eskalieren müssen. "Der Krieg hätte verhindert werden können, hätte der Westen einen neutralen Status der Ukraine akzeptiert – wozu Selenski anfangs durchaus bereit war – , auf eine Nato-Mitgliedschaft verzichtet und das Minsk II-Abkommen für Minderheitenrechte der russischsprachigen Bevölkerung durchgesetzt. Der Krieg hätte Anfang April 2022 beendet werden können, hätte der Westen den Abschluss der Istanbul-Verhandlungen zugelassen. Es liegt nun erneut und möglicherweise letztmalig in der Verantwortung des 'kollektiven Westens' und insbesondere der USA, den Kurs in Richtung Waffenstillstand und Friedensverhandlungen zu setzen", schrieben sie in der Schweizer Zeitungen. Denn wenn der Westen diese Möglichkeit weiter versäumt, könnten andere Staaten das Ruder in die Hand nehmen, eine Initiative afrikanischer Staaten gibt es bekanntlich bereits.


+++ Folgt uns auf Telegram: t.me/DerStatus & auf Twitter/X: @derStatus_at +++

Dir gefällt unsere Arbeit? Unterstütze uns jetzt mit deiner Spende, damit wir weiterhin berichten können!

Kontoinhaber: JJMB Media GmbH
 IBAN: AT03 1500 0043 9102 6418
BIC: OBKLAT2L
Verwendungszweck: Spende

Weitere Artikel, die Sie interessieren könnten