Wieso nicht gleich eine DDR-Verfassung?

Panik vor AfD: Volksbefragungen als Gefahr für die Demokratie

Politik
Wahlurne & Deutschland-Konzept: Freepik; AfD-Logo: Wikimedia Commons (public domain); Komposition: Der Status.

Die kommenden Wahlen in Deutschland könnten das politische System gehörig umkrempeln. Daher geht die Sorge um Pfründe und Posten um, die man bei einem erstarken der AfD nicht mehr so einfach an Parteibuchfreunde verteilen könnte. Für die Systemparteien und ihre Handlanger wäre dies mehr als fatal. Daher sinnt man nach Mitteln und wegen sich schon vorab einzuzementieren. Und die Vorschläge zeigen, in der derzeitigen Systemendzeitstimmung steigt die Angst vor Demokratie.

Was tun, wenn die AfD bei den kommenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen etc. derart stark wird, dass eine Regierungsbildung schwierig wird oder die Partei gar selbst den Machtanspruch stellt? Diese Frage beschäftigt das System derzeit fast mehr als alle anderen Themen, etwa die schwächelnde Wirtschaft, die verpfuschte Energiewende oder das Versagen bei der Migration. Denn immerhin könnte die Alternative für Deutschland den Betrieb von Politik, Medien, Institutionen und "Zivilgesellschaft", in dem man es sich so schön eingerichtet hat, empfindlich stören - oder, wie man allenthalben warnt: Die "Demokratie" gefährden". Daher bastelt man Handlungsanweisungen und Empfehlungen, die skurile und bedenkliche Blüten treiben.

Beschränktheit juristischer Ausbildung

Eine solche wurde nun vom Verfassungsblog veröffentlicht. Unter dem Titel "Rechtsstaatliche Resilienz in Thüringen stärken" gibt man nach eigenem Bekunden "Handlungsempfehlungen aus der Szenarioanalyse des Thüringen-Projekts", sollte die AfD zu stark werden. Die Ergebnisse dieser Analyse des Verfassungsblogs, der Kooperationen mit mehreren Universitäten hat, unter anderem vom  Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert wird und in dem logischerweise hauptsächlich Wissenschafter und Professoren der Rechtswissenschaften publizieren, zeigen dabei auch auf erschreckende Weise die Mängel juristischer Bildung und Ausbildung und sich zunehmend auf den reinen Systemerhalt richtende Maßnahmen, bei denen man sich auch zunehmend imme weniger an die eigenen Rechtsnormen hält, die man eigentlich zu schützen vorgibt. Der Souverän, der sich früher zur Erhaltung der Normalität und der Gefahrenabwehr rechtlicher Maßnahmen bzw. Notmaßnahmen bediente, ist nun selbst zum Gegner für einen von Parteien okkupierten Staat geworden, der sich nicht mehr an die Normen hält, um den Souverän, sprich den Bürger bzw. dessen demokratische Willensäußerung zu bekämpfen.

Direkte Demokratie als Gefahr für Demokratie

So wurden vom Verfasslungsblog 7 vermeintliche "Einfallstore für autoritär-populistische Strategien" ausgemacht, durch die bei einem erstarken der AfD in Thüringen eine Gefahr für den Staat - oder besser das bisherige Parteien- und Machtsystem - ausgehen könnte. Und da wird es abenteuerlich. So wird etwa in Punkt 6 empfohlen, "konsultative Volksbefragungen" verfassungsrechtlich auszuschließen. Die Sorge dabei ist, dass die AfD konsultative Volksbefragungen als "Kampagneninstrumente" nutzen könnte, um "Gesetzesvorhaben ... an den demokratischen Institutionen vorbei eine höhere Legitimation zu verschaffen". Dabei verweist man immer wieder auf den ungarischen Premier Viktor Orban und seine nationalen Konsultationen, mit deren "manipulierten Umfrageergebnissen seine rechts-autoritäre Politik" bis heute legitimiert würde. Denn in Wirklichkeit handele es sich dabei nur um "vermeintlichen 'Volkswillen'" bzw. eine "konstruierte Mehrheitsmeinung, von der autoritäre Populistinnen und Populisten behaupten, sie sei die rechtmäßige Handlungsgrundlage für Politik". Das Orban die letzten Wahlen mit einer überragenden Mehrheit gewann und viele Ungarn offenbar dessen Politik schätzen, wird nicht hinterfragt.

Medienstaatsvertrag, Landtagspräsidenten, Verfassungsgericht

Bei den anderen Punkten schlägt man etwa eine Änderung der Wahl des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vor. Bisher wurde dieser mit zwei Dritteln der Landtagsstimmen gewählt. Hier geht die Furcht vor einer Sperrminorität der AfD um. Statt mit einer politisch und vom Wähler legitimierten Partei zu reden, soll der Gerichtshof doch lieber selbst seine Mitglieder vorschlagen, die dann mit einfacher Mehrheit einfach durchgewunken werden. Aber auch, dass der Ministerpräsident bisher Verträge, wie den Rundfunkstaatsvertrag einfach aufkündigen kann, bereitet Sorge. Da solle gleich die thüringische Verfassung geändert werden, um den Landtag einzubinden. Ebenso soll für die Thüringer Landeszentrale für politische Bildung Sicherheit her. Nachdem diese nirgends rechtlich verankert ist und somit einfach aufgelöst werden könnte, sollte sie laut Empfehlung in eine "teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts" umgewandelt werden. Bei der Wahl des Landtagspräsidenten will man zukünftig nicht nur wie bisher der stärksten Fraktion das Vorschlagsrecht einräumen, dies könnte ja die AfD sein, sondern alle Fraktionen sollten Vorschläge unterbreiten können.

Angst um politische Beamte

Besondere Besorgnis macht sich auch um den Umgang mit politischen Beamten breit, die auch bisher schon immer vom Wohlwollen der Regierenden abhängig waren und daher kaum unabhängig agierten. Diese könnten, wie auch bisher vom Ministerpräsident sofort entlassen werden - dazu zählen auch die Chefs von Landespolizei und Verfassungsschutz.  "Diese beiden Ämter sollten aus der Kategorie der politischen Beamten herausgenommen werden, da bei ihrer Ausübung die politische Neutralität besonders wichtig ist", so die Empfehlung des Verfassungsblog, wobei bisher die politische Neutralität bei der Besetzung zumindest vordergründig keine wesentliche Rolle spielte. Dass man auch die Wahl des Ministerpräsidenten von geheim auf eine offene Abstimmung ändern will, scheint gegenüber den anderen Vorschlägen eher harmlos. Deutlich wird allerdings, dass man alles daran setzt, mögliche Wahlergebnisse bestmöglich ignorieren zu können. Der Wille des Souveräns, in diesem Falle der Bürger und Wähler soll hinter dem Willen der "etablierten" Polit-Kaste zurücktreten.

Verteidigung der Pfründe

Dabei sind derartige Diskussionen nicht neu. Bereits Ende Januar 2024 diskutierte man im Bund, wie man die Besetzung von Verfassungsrichtern oder Beamten nach wie vor und ungeachtet etwaiger Wahlergebnisse weiterhin in der Hand behalten könnte. Immerhin wächst in den Umfragen die Gefahr, dass nicht mehr nur die "Guten" zum Verteilen von Posten kommen. So empfahl etwa der Professor für öffentliches Recht in Augsburg Josef Lindner, Änderungen im Beamtengesetz, wonach nur, wer nach Eignung und Leistung qualifiziert sei "und über eine hinreichende Erfahrung in dem Bereich verfügt", Posten besetzen dürfe. Ein Vorschlag, der wenig Widerhall fand, wo käme man auch hin, wenn für die Altpartien plötzlich Parteibuch- und Vetternwirtschaft abgeschafft wäre. Bei all diesen Diskussionen um Behörden, Posten und Pöstchen übersieht man allerdings den einfacheren Weg.

Demokratie-Simulation und DDR 2.0

Anstatt unzählige Gesetze und Bestimmungen auf die Gefahr hin zu ändern, doch etwas zu übersehen, würden einige wenige Federstriche genügen, um sich abzusichern. Man müsste nur das Demokratie-Simulation spielen beenden und am Grundgesetz einige wenige Änderungen vornehmen. Etwa in Artikel 20. Dort könnte es fortan in Anlehnung an Artikel 1 der Verfassung der DDR heißen: "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung 'unter Führung der etablierten Parteien' ausgeübt." Daher gründet man noch eine Art "Nationale Front" und ändert vielleicht noch ein paar Rahmengesetze und Mehrheiten von über 90 Prozent für Systemparteien wie Union, SPD, Grünen, FDP - vielleicht sogar mit der Linkspartei - steht fortan nichts mehr im Wege...

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