Gilt erst ab 5.000 Einwohnern

ÖVP-Taschenspieler-Trick: Amtsgeheimnis nur in 12,4% der Gemeinden abgeschafft

Politik
Hintergrund: Freepik; Nehammer: European People's Party; Kogler: (C) BKA / Dunker (beide Wikimedia Commons, CC BY 2.0); Komposition: Der Status

Die schwarz-grüne Pannen-Regierung hat es ausnahmsweise wieder einmal geschafft, ein lange angekündigtes Gesetz auf den Weg zu bringen. Aber auch diese ist einmal mehr eine typische "österreichische Lösung". Denn das vorgelegte Informationsfreiheitsgesetz, bei welcher Gemeinden zur aktiven Veröffentlichungspflicht von Informationen im allgemeinen Interesse verpflichtet werden, greift erst ab 5.000 Einwohnern. Damit können sich vor allem von der Kanzlerpartei geleitete Orte weiterhin Geheimniskrämerei pflegen.

Amtsgeheimnis-Abschaffung ohne Abschaffung

"Österreich ist Europas letzte Demokratie mit einer umfassenden, im Rang der Verfassung stehenden, gesetzlichen Amtsverschwiegenheitspflicht": Mit diesem Satz beginnt der Wikipedia-Abschnitt über die Situation in unserem Land. Entsprechend fand eine vergleichende Studie vor sechs Jahren heraus, dass Österreich beim Zugang der Bürger zu Informationen unter 111 Ländern auf dem stockletzten Platz lag. Seit Jahren wurde immer wieder um die Abschaffung oder Aufweichung der Bestimmungen diskutiert, doch die Gespräche scheiterten zumeist an der Blockade der Volkspartei.

In den letzten Jahrzehnten wurde der eigentliche Sinn des Gesetzes immer weiter pervertiert, es entstand der Eindruck, dass ausgerechnet die schwarzen Netzwerke das juristische Relikt immer mehr zur Verschleierung der eigenen mutmaßlichen Machenschaften missbrauchten. Weil dieses in seiner Auslegung auf nahezu jeden Sachverhalt angewendet werden konnte, sahen Experten darin eine Ursache für grassierende Korruption im Land. Auch bei der Aufklärung der Inseraten- bzw. Medienkauf-Affäre rund um Sebastian Kurz gestaltete sich die Rechtsnorm als hinderlich. Nun klopft sich die schwarz-grüne Regierung für die vermeintliche Abschaffung auf die eigenen Schultern

Nur 12,4% der Gemeinden auskunftspflichtig

ÖVP-Generalsekretär Stocker sprach von einem "Meilenstein" und einem "gigantischen Schritt zu einem modernen Staat", womit "Bürger nachvollziehen können, wie Entscheidungen angefangen von ihrer Heimatgemeinde bis hin zum Bund getroffen werden." Und Grünen-Vizekanzler Kogler sprach von einem "historischen Schritt". Der große Haken: Die aktive Veröffentlichungspflicht gilt nur für Gemeinden ab 5.000 Einwohnern - mehr als die durchschnittliche Gemeindegröße außerhalb Wiens. Das heißt konkret: nur in 259 der 2093 Gemeinden gilt es, in 1834 Gemeinden hingegen nicht. In manchen Bezirken sind gar keine oder nur eine einzige Gemeinde betroffen. 

Wem das hilft: Pechschwarzen Dorfkaisern, welche mehrheitlich die kleineren Gemeinden in Österreich befehligen. In manchen ländlichen Gebieten stellt die ÖVP gar die einzige Liste im Gemeinderat, wodurch auch eine politische Kontrolle unterbleibt: Die Gemeinde ist die Partei, und die Partei ist alles. Hier haben zwar Bürger künftig ein Recht auf eine Antwort ihrer Gemeinde auf ein Auskunftsbegehr. Diese kann aber faktisch auch so ausfallen, dass in einem Einzeiler erklärt wird, keine Auskunft erteilen zu wollen. Kogler rechtfertigte den Schiefstand damit, dass "über 60%" der Bevölkerung in betroffenen Gemeinden leben. Im Umkehrschluss: Fast 40% haben kein Recht auf Information.

Das Volk lässt sich nicht so leicht hinters Licht führen: 

Ortskaiser können schalten & walten

Entsprechend kopfschüttelnd fiel die Reaktion der Oppositionsparteien auf das Gesetz, das im Nationalrat eigentlich eine Zweidrittelmehrheit benötigt, aus. So etwa vonseiten FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst: "Wir Freiheitliche stehen für größtmögliche Transparenz bei gleichzeitiger Einhaltung von Datenschutzbestimmungen. Es wäre daher angebracht gewesen, allen Gemeinden die proaktive Veröffentlichung vorzuschreiben und nicht erst ab einer Einwohnerzahl von 5.000 oder mehr."

Die Folgen sind fatal: "Damit können diese Ortskaiser [...] auch weiterhin nach Belieben schalten und walten. Sie müssen zwar Auskunft erteilen, aber eben nur auf konkrete Anfrage einzelner Bürger. Als gelernte Österreicherin weiß ich, dass es für diese Bürger in dieser Gemeinde dann schwierig wird, wenn er sich so mit dem Bürgermeister anlegt", kritisiert Fürst.

Ihr Parteikollege Werner Herbert erinnerte zudem daran, dass es sogar Verschlechterung zur derzeitigen Rechtslage gibt: "Bislang mussten auf Verlangen alle Studien, Gutachten und Umfragen veröffentlicht werden, die von der öffentlichen Hand in Auftrag gegeben wurden, solange nicht unter bestimmten Umständen Geheimhaltung geboten ist. Für alle Gemeinden unter 5.000 Einwohnern fällt das jetzt komplett weg."

Zudem weisen beide darauf hin, dass einige Punkte aus dem Erstentwurf gestrichen wurden: "Die ursprünglich geplante ‚Cooling-off-Phase‘ für Höchstrichterposten ist ebenso weggefallen wie die dringend notwendige Möglichkeit, dass der Rechnungshof Unternehmen schon ab einer 25%-Beteiligung der öffentlichen Hand prüfen kann. Hier hat die ÖVP die Grünen nach Strich und Faden über den Tisch gezogen. Die FPÖ wird dem Gesetz in dieser Form keine Zustimmung geben."

Wird SPÖ wieder zum Steigbügelhalter?

Ähnlich äußerten sich die NEOS: Durch die 5.000-Einwohner-Grenzen entstünden "genau jene Dunkeldörfer", vor denen man gewarnt habe. Es gebe keinen Beauftragten für die Informationsfreiheit, sodass bei einer Weigerung der Gemeinden die Bürger sofort teuer den Rechtsweg beschreiten müssten, so NEOS-Vize-Klubobmann Nikolaus Scherak. Etwas aufgeschlossener gab sich die SPÖ: Diese will den Vorschlag "genau prüfen", sieht aber immerhin in der 5.000-Einwohner-Grenze eine Benachteiligung weiter Teile der Bevölkerung.

Gut möglich aber, dass sich das Schauspiel aus der Corona-Zeit wiederholt: Damals ließ sich die SPÖ zuerst beim "Reintesten" bzw. der 3G-Regel durch faule Kompromisse "einkaufen", dasselbe geschah bei der Zustimmung zum staatlichen Stichzwang. Man darf schon gespannt sein, welche Konzessionen die Regierungsparteien den roten Genossen diesmal machen. Hinter mir die Sintflut: Gelten soll das Gesetz erst 2025 - mit den Folgen des Pfusch-Gesetzes muss sich also dann die nächste Regierung herumschlagen... 

Recherche-Vorwarnung für Korrupte? 

Auf eine weitere Absurdität wies ZIB2-Moderator Martin Thür hin: Denn hinkünftig müssen die Organe eine betroffene Person nach einem Auskunftsbegehr "nach Möglichkeit verständigen und hören". Was auf den ersten Blick wie Transparenz und Datenschutz klingt, könnte journalistische Recherchen behindern - oder andernfalls korrupte Netzwerke vorwarnen, dass man ihnen auf die Schliche gekommen ist. Bei einem größeren "betroffenen" Personenkreis könnte die Anhörung ausbleiben und die Auskunft endet in einer Alibi-Antwort; etwa zur Frage, an welche Großbetriebe COFAG-Gelder flossen. 

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