Gegen Kriegstreiberei, für Diplomatie

EU-Bonzen in Sorge: Orban auf Friedensmission in Russland

Politik
Bild: Annika Haas (EU2017EE), CC BY 2.0, Flickr

Als der ungarische Premier Viktor Orban dieser Tage in die Ukraine reiste, um sich mit Wolodymyr Selenski zu treffen - die erste Reise Orbans nach Kiew seit Beginn des Konflikts - störte sich in der EU niemand daran. Vielmehr betrachtete man einen Besuch des Ungarn nach den anderen "Dauergästen" als mehr als überfällig. Doch nun herrscht Panik im Establishment. Denn statt ein paar Waffen und Milliarden dazulassen und schöne Worte zu finden, reiste Orban - der derzeit auch den EU-Ratsvorsitz innehat - weiter nach Russland. Eine Friedensmission, wie er es selbst nennt.

Mit seiner Politik der vergangenen Jahre hat sich der ungarische Regierungschef Viktor Orban wenig Freunde gemacht. Neben einem Dauerstreit mit der EU wegen Migrations- und Asylpolitik oder Widerstand gegen LGBTQ und andere woke Agenden, war es auch Orban, der die Ukraine- und Russlandpolitik Brüssels scharf kritisierte, Waffenlieferungen und Milliardenzahlungen anprangerte und verzögerte, gar Waffenlieferungen über ungarisches Staatsgebiet verweigerte und beständig zu Frieden und Diplomatie mahnte. Dabei nahm das NATO-Mitglied Ungarn eine Rolle ein, die anderen EU-Staaten, wie dem neutralen Österreich, ebenfalls gut zu Gesicht gestanden hätte.

Panik vor Russlandbesuch

Dann wurde gestern, Orban verweilte zuvor in der Ukraine, das Gerücht laut, dass Orban womöglich gar nach Russland weiterreisen könnte. "EU besorgt über möglichen Orban-Besuch im Kreml", schrieb etwa der Spiegel. Wenig später war dann klar, der ungarische Regierungschef schert sich allerdings wenig um die Sorgen der EU und reist nach Moskau. Auf einer Friedensmission, wie er es selbst bezeichnet. 

Damit ist Orban der erste europäische Regierungschef seit April 2022, der sich zu Putin mit Gesprächen trifft. Im April 2022 hatte der österreichische Kanzler Karl Nehammer eine Reise nach Moskau unternommen, um von seinem Cobra-Libre-Skandal abzulenken und zugleich den untauglichen Versuch zu unternehmen, sich als Staatsmann zu präsentieren. In Wahrheit schien Nehammer dann vor allem bei Putin um Gas zu betteln, statt wirklich vermitteln zu wollen.

Entsetzen der EU

Bei der EU sorgt die Reiseplanung Orbans für blankes Entsetzen. Während es beim Ukraine-Besuch noch völlig egal war, machte man nun extra darauf aufmerksam, dass die Reise - immerhin hat Orban derzeit auch turnusmäßig die EU-Ratspräsidentschaft inne - ohne Mandat der EU stattfinde, wie der belgische Politiker Charles Michel. bis zur Ablösung durch Orban selbst Ratspräsident sofort auf sozialen Medien mitteilte: "Die rotierende EU-Präsidentschaft hat kein Mandat, im Namen der EU mit Russland in Kontakt zu treten".

Orban ficht dies allerdings wenig an. Ebenfalls über soziale Medien ließ er seinen Vorgänger Michel wissen: "Vom bequemen Sessel in Brüssel aus kann man keinen Frieden schaffen. Auch wenn die rotierende EU-Ratspräsidentschaft kein Mandat hat, im Namen der EU zu verhandeln, können wir uns nicht zurücklehnen und darauf warten, dass der Krieg auf wundersame Weise endet. Wir werden ein wichtiges Instrument sein, um die ersten Schritte in Richtung #Frieden zu machen. Das ist es, worum es bei unserer Friedensmission geht."

Verhandlungen statt Krieg

Dabei hatte Orban bereits bei seinem Besuch in Kiew deutlich gemacht, dass für ihn ein schnelles Ende des Konflikts im Vordergrund steht. So hatte er eine Waffenruhe vorgeschlagen, als Grundvoraussetzung für anschließende Verhandlungen. Von Selenski kassierte Orban damit jedoch eine Absage, in Kiew wolle man einen "gerechten Frieden".

Zeitgleich zu den Reisen Orbans soll, so die Daily Mail, die sich auf den ukrainischen Journalisten Dmitri Gordon sowie den russischen Telegram-Kanal "Gosdumskaya" beruft, Russland abermals Unterhändler in die USA entsandt und ein weitreichendes Verhandlungsangebot gemacht haben. Zwar gibt es keine Bestätigung über die Echtheit, angesichts des Vormarsches Russlands in den vergangenen Wochen, wären die Vorschläge jedoch ein Entgegenkommen und als Verhandlungsbasis geeignet.

Keine NATO-Mitgliedschaft, geteilte Krim

So ist einer der Hauptpunkte, der von Russland zudem auch immer als Grund für den Konflikt genannt wurde, dass die Ukraine nicht der NATO beitreten darf. Schon in der Vergangenheit hatte Russland immer wieder ein Heranrücken der NATO an seine Grenzen als inakzeptabel für die eigene Sicherheit bezeichnet. Zudem müsse sich die Ukraine aus den Regionen Donezk und Lugansk, die hauptsächlich von ethnischen Russen bewohnt werden, zurückziehen. Um die rohstoffreichen Regionen tobte schon vor dem 24. Februar 2022 ein jahrelanger Konflikt zwischen Seperatiste-Bewegungen und ukrainischen Militärs, bei dem sich beide Seiten wenig schuldig blieben.

Diese Regionen sollen Teil Russlands werden. Die Ukraine betont zwar immer die Unverletzlichkeit ihres Territoriums, jedoch spaltete sich auch das Kosovo - mehrheitlich von Albanern bewohnt, mit Hilfe der NATO von Serbien ab. Im Gegenzug bietet Russland jedoch an, das AKW Saporoschje und die nahe gelegene Stadt Energodar an Kiew zurückzugeben und ebenfalls über die Räumung und Übergabe der Regionen Cherson und Saporischschja zu verhandeln. Außerdem soll auch überraschenderweise die Krim Teil der Verhandlungen werden.

Diese könnte zu einem speziell entmilitarisierten Verwaltungsgebiet mit Unterordnung sowohl unter russische als auch ukrainische Verwaltung werden. Weitere Bedingungen sind noch festzulegende Maximalgröße für die ukrainische Armee und auch eine Aufhebung der westlichen Sanktionen gegen Russland. Ein besseres Angebot als Verhandlungsgrundlage, sollte es wirklich so unterbreitet worden sein, wird man so schnell wohl kaum aus dem Kreml erhalten, um das Blutvergießen bald möglichst zu beenden. Oder funkt diesmal wieder der Werte-Westen dazwischen, und lässt bis zum letzten Ukrainer kämpfen?

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