Familienfeindliche Politik

Eiskalt, unsozial, ÖVP: Kocher will bei Teilzeit weniger Sozialleistungen

Politik
Bild: BMF/Wenzel, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons

Dass der ÖVP die Sorgen und Nöte der Menschen egal sind, zeigte jetzt wieder ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher. Damit mehr Menschen in Vollzeit arbeiten, will er für diejenigen, die in Teilzeit arbeiten, die Sozial- und Familienleistungen kürzen. Betroffen wären bei den unsozialen Plänen vor allem wieder Frauen, die sich um die Kinder kümmern und deshalb keinen Vollzeitjob annehmen.

Sparen bei den Menschen, statt im System

In Zeiten der höchsten Inflation und massiv gestiegener Kosten, will die ÖVP sparen, allerdings nicht im System, wie der über 100 Mann starken Presse- und PR-Abteilung des Kanzlers, sondern bei jenen, die wesentlich zur Zukunft Österreichs beitragen. Denn wie der Minister in einem Interview mit dem "Kurier" erklärte, sollen diejenigen, die freiwillig weniger arbeiten auch weniger aus dem Sozialtopf bekommen. "Wir brauchen weitere Schritte, um Vollzeitbeschäftigung attraktiver zu machen, wie eine geringere Abgabenbelastung und noch treffsichereren Einsatz von Sozialleistungen. In Österreich wird wenig unterschieden bei Sozial- und Familienleistungen, ob jemand 20 oder 38 Stunden arbeitet. Wenn Menschen freiwillig weniger arbeiten, dann gibt es weniger Grund, Sozialleistungen zu zahlen“, so der Minister in dem Interview.

Armutsgefährdet auch mit Vollzeitjob

Dass auch vielen Menschen mit einer Vollzeit-Tätigkeit, dank der Politik der schwarz-grünen Regierung und auch der Selbstmord-Sanktionen, nicht mehr genug Geld zum leben bleibt und am Ende immer noch zu viel Monat übrig bleibt, ficht den Minister nicht an. Mit 19.072 Euro im Monat sind die derzeitigen Preissteigerungen auch noch geradeso verkraftbar. Und auch, dass rund ein Drittel der derzeit beim AMS ausgeschriebenen Stellen unter 1.700 Euro brutto liegen, was bedeutet, dass das Nettoeinkommen etwa 1.386 Euro beträgt - was nur 15 Euro über der Armutsgefährdungsschwelle für Ein-Personen-Haushalte von 1.371 Euro liegt (Der Status berichtete) - ist für den Arbeitsminister kein Grund etwas zu unternehmen. Ebenso wenig, dass seit Wochen Lohnverhandlungen im personalgeschwächten Gesundheitsbereich stattfinden und immer wieder zu Streiks führen, weil ein Mindestlohn von 2.000 Euro und voller Inflationsausgleich gefordert wird. Das zeigt, dass es am Arbeitsmarktsektor in Österreich einiges für den Minister zu tun gäbe.

Kinder sind die Zukunft

Doch statt Politik für die Menschen zu machen, versucht die ÖVP wieder die Forderungen der Konzerne zu erfüllen. Da offenbar trotz massiver Zuwanderung von "Fachkräften" ein Fachkräftemangel in vielen Bereichen herrscht, soll nun der Hebel angesetzt werden. Allerdings nicht mit steigenden Gehältern, sondern indem man die Menschen mit der Streichung von Sozial- und Familienleistungen in schlecht bezahlte Vollzeitjobs drängt. Besonders betroffen wären von so einer Regelung vor allem wieder Frauen, die Teilzeit arbeiten, um sich um Familie und Kinder kümmern zu können. Aber auch dies ist typisch für die ÖVP, die es immer wieder verabsäumt, diesen "Dienst" an der Gesellschaft und für die Zukunft des Landes ausreichend zu würdigen.

Familienfeindliches Gesicht der ÖVP

"Die Aufgabe des ÖVP-Ministers besteht darin, dass er sich gemeinsam mit seinen Regierungsgenossen darum kümmern soll, eine vernünftige Erziehungszeiten-Anrechnungsregelung zu schaffen. Es muss den Eltern möglich sein, ihrem Kind die ersten Jahre jene Betreuung geben zu können, die sie für notwendig finden – und das, ohne große Einbußen in ihrer späteren Pension hinnehmen zu müssen", kritisiert die freiheitliche Nationalratsabgeordnete und Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch die Aussage des Ministers.

Denn es zeuge von einer besonderen sozialen Armut, wenn man junge Mütter lapidar informiert, dass sie bei längerer Erziehungszeit einen massiven Verlust bei ihrer zukünftigen Pension in Kauf nehmen müssen. Denn "ein Kind zu bekommen, bedeutet nicht Aufgabe seines Wohlstandes, sondern Aufgabe seines Egoismus, hin zu einem Beitrag zu einer gesunden Familie und Gesellschaft", so Belakowitsch, die zugleich fordert, dass dieser "neoliberale Quatsch der Ahnungslosen" endlich durch Neuwahlen sein Ende finden müsse, zum Wohle der Kinder, Familien und der Gesellschaft.

Auch FPÖ-Frauensprecherin Rosa Ecker wies auf diesen Aspekt hin: "Das ist nicht nur familienfeindlich, das ist frauenfeindlich und gerade in Zeiten der höchsten Inflation und Teuerung seit der Nachkriegszeit ein Hohn für all jene, die auf Sozialhilfen angewiesen sind." Kocher kenne die Lebensrealität vieler Familien nicht. Oftmals müssten Frauen Teilzeit arbeiten, weil es sich mit der Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen nicht anders vereinbaren lasse. Bereits vor Corona und Teuerung sei zudem gerade bei alleinerziehenden Frauen die Armut besonders hoch gewesen: "Mit diesen unüberlegten und unqualifizierten Ankündigungen will Kocher offenbar die Situation noch verschärfen“,

Auch Kritik von anderen Parteien

Auch die anderen Nationalratsparteien hielten mit ihrer Kritik an Kochers Plänen nicht hinter dem Berg. Für SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch war klar: "Gegen den Arbeitskräftemangel fällt der Regierung nichts ein, außer die Situation für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer per Gesetz zu verschlechtern. Dabei müsste es doch genau umgekehrt sein." Der Vorstoß Kochers sei für ihn das Unsinnigste, was er gehört habe.

Auch für die NEOS ist ist Kochers Ansatz der falsche, denn die Teilzeitfalle werde nicht bekämpft, wenn man die Sozialleistungen streicht. Vielmehr müsste an den Steuerstufen, den Absetzbeträgen und Versicherungsbeiträgen gedreht werden. Und selbst die Grünen als Koalitionspartner richteten der ÖVP aus, dass die Überlegungen Kochers nicht nur unangebracht seien, sondern auch der bisherigen Regierungslinie widersprechen.

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