53 Prozent für Doskozil: SPÖ zeigt auch am Parteitag innere Zerrissenheit
Mit diesem Ergebnis wird wohl keine Ruhe einkehren: Die Patt-Situation aus der Mitgliederbefragung zog sich auch am außerordentlichen roten Parteitag in Linz weiter. Am Ende gaben nicht einmal vierzig Stimmen den Ausschlag zugunsten Hans-Peter Doskozil und zu Ungusten von Andreas Babler. Ob mit der einst stolzen Sozialdemokratie in Zukunft noch ein Staat zu machen sein wird, muss sich erst weisen - zumal beide Bewerber um den Chefposten eigentlich eine rot-grün-pinke Horrorkoalition bevorzugen würden.
Pyrrhussieg für Doskozil: Zutiefst gespaltene Genossen
Das Kalkül von Doskozil, sich die Gunst der Mitglieder zu sichern, um dann nach dem Parteitag neuer SPÖ-Parteichef zu werden, ging auf - allerdings denkbar knapp. Von 603 anwesenden Delegierten stimmten ganze 316 für Doskozil (53,02%), während 279 für Babler (46,81%) votierten. Das ist letztendlich ein Pyrrhussieg für den burgenländischen Landeshauptmann, denn das Lager des Traiskirchener Bürgermeisters erreichte aus dem Stand ein achtbares Ergebnis und wird nun sicherlich auf Posten schielen. Damit würde ein populistischer Kurs, der in Richtung einer sozial-patriotischen FPÖ/SPÖ-Regierung führen könnte, umso unwahrscheinlicher.
Diese Konstellation, obschon sie Doskozil für zwei Jahre lang bereits in seinem Bundesland lebte, ist ohnehin nicht sein Favorit: Noch am Parteitag bekundete er erneut, er wolle mit Grünen & NEOS paktieren und damit ausgerechnet die beiden neoliberalsten und am meisten globalistisch ausgerichteten Systemparteien ins Boot holen. Babler wiederum musste feststellen, dass trotz des Rückenwinds der mächtigen Wiener Landespartei nicht alle Unterstützer der scheidenden Bilderberger-Parteichefin Joy Pamela Rendi-Wagner in sein Lager wechselten. Er verließ sich zu Unrecht auf das Partei-Establishment, während Doskozil das Partei-Establishment brauchte, um über die Ziellinie zu kommen.
NATO-Kuschelkurs als einzige Gewissheit
Zuvor hatten beide genau die roten Klüngel kritisiert, nun war es ein Sieg des Partei-Establishments über das Partei-Establishment und eine krachende Niederlage für das Partei-Establishment gegen das Partei-Establishment. Babler hatte schon zuvor sämtliche eigenen Wurzeln verleugnet: Er distanzierte sich von seinem Einsatz für die Neutralität, von anti-imperialistischen Betätigungen und zuletzt sogar von seiner EU-Kritik, die ihm vorgehalten wurde. Auf der einen Seite verriet er seine Glaubwürdigkeit gegenüber langjährigen Weggefährten, auf der anderen Seite haben die linksliberalen Kreise, die ihn zuletzt hochjazzen, nun Lunte gerochen und werden auf ihre Einbindung pochen.
Die Zerstrittenheit der Roten dürften weitergehen, eine Partei-Einigung ist unwahrscheinlich. Die außenpolitische Frage wiederum wurde schon zuvor beantwortet. Wie Der Status bereits aufzeigte, wurde Babler in den letzten Jahren, auch von Instituten im Einflussbereich des US-Auslandsgeheimdienst CIA, bereits auf die NATO-Linie getrimmt. Und auch von Doskozil ist hier nichts Weltbewegendes zu erwarten: Als Verteidigungsminister traf er sich 2016 als erster (!) Chef seines Ressorts mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, bekundete sogar sein Verständnis für die Aufrüstung des transatlantischen Bündnisses gegen Russland. Das Lippenbekenntnis zur Neutralität fiel damals äußerst dünn aus.
FPÖ bleibt in Umfragen auf Platz 1
Bereits in der vergangenen Woche bahnte sich an, dass es aktuell völlig egal wäre, wer das Rennen macht: Auch wenn die Umfragewerte bei Babler und Doskozil besser waren als unter Rendi-Wagner, so konnte keiner der beiden die Spitzenposition der Freiheitlichen bedrohen. Während Doskozil zwar teilweise schwarze und blaue Wähler ansprechen könnte, so droht unter ihm ein "Auslaufen" in den linksliberalen Bereich.
Die Grünen & NEOS können bei der Dosko-SPÖ bessere Umfragewerte erwarten, ebenso die KPÖ Plus, bei der aktuell ebenfalls der liberal-akademische Flügel das Oberwasser hat und aktuellen Umfragen zufolge fix im Nationalrat wäre. Babler hingegen hätte von den beiden anderen Großparteien kaum Stimmen abgezogen. In beiden Fällen blieb die rot-grün-pinke Ampel ohnehin rechnerisch unmöglich. Zugleich gäbe es aber auch keine Zweierkoalition gegen die FPÖ, während diese zwischen ÖVP und SPÖ wählen könnte.
Dass Doskozil dennoch auf die "Ampel" setzen will, könnte sich noch als strategischer Fehler entpuppen:
Eine Koalition mit der ÖVP auszuschließen ist gut, die gehört dringend in Opposition. Die Absage an #RotBlau ist aber ein schwerer Fehler von #Doskozil.
— Thomas Oysmüller (@TOysmueller) June 3, 2023
Sein Pragmatismus ist leichter mit der FPÖ umzusetzen als mit der Ampel. Und diese wollen in Österreich nicht viele. Zurecht.
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