Komplikationen vorprogrammiert

Damit die Profite steigen: Das kommerzielle Ende des Humaninsulins

Medizin
Bild: Alan Levine, CC BY 2.0, Flickr

Insulin als lebensrettendes Hormon bei einem diabetischen Koma gilt als eine der großen Errungenschaften der Medizin im 20. Jahrhundert. 100 Jahre nachdem Frederick Banting und John James Rickard Macleod den Nobelpreis für dessen Entdeckung erhielten, scheint jetzt die Ära des Insulins zu Ende zu gehen. Offiziell wegen „Herstellungsproblemen“ beendet Weltmarktführer Sanofi die Produktion fast aller Zubereitungen von Humaninsulin.

Insulin verschwindet nicht aus der Medizin, weil wir das Ende des Diabetes erleben. Im Gegenteil, Diabetes ist dank des fettreduzierten und kohlenhydratreichen Junkfoods, den uns die Nahrungsmittelindustrie serviert, für Big Pharma ein boomender Milliardenmarkt mit zweistelligen Zuwachsraten. Aber seit knapp 30 Jahren gibt es auch die gentechnisch produzierten Insulinanaloga. Ohne relevanten Vorteil gegenüber dem Humaninsulin sind diese gewinnträchtiger.

Eine Frage des Preises

Die von Sanofi jetzt zurückgezogenen Produkte waren in Deutschland 34% bzw. 57% billiger. Im weltweiten Vergleich kosten kurzwirksame Insulinanaloga sogar das Doppelte des Humaninsulins. Bei den langwirksamen Varianten beträgt die Preisdifferenz ein Mehrfaches. Inzwischen werden die in Deutschland von den Krankenkassen zu zahlenden Preise geheim gehalten.

Probleme bei der Behandlung

Hersteller, aber auch Ärzteschaft scheinen sich nicht daran zu stören, dass durch die ausschließliche Verwendung der Insulinanaloga die Therapiekomplikationen für Diabetiker steigen werden. Schon jetzt sind 9 von 10 komatöse Zustände von Diabetikern nicht der Grundkrankheit, sondern einer Unterzuckerung durch die Insulingaben geschuldet. Da die Insulinanaloga schneller anfluten, aber auch kürzer wirksam sind, räumt selbst Sanofi ein, dass engmaschigere Blutzuckerkontrollen erforderlich sind, um den Blutzucker im erwünschten Bereich zu halten.

Der Pharmaindustrie gegensteuern

Folgen absehbar auch die anderen Hersteller von Insulinen der Firma Sanofi, ist nicht nur die Ära des Humaninsulins zu Ende, sondern eine weitere Preiseskalation vorprogrammiert. Humaninsulin dient bisher noch als Preisanker für die Kostenträger. In Kalifornien ist man deswegen schon dabei durch eine staatliche Firma namens CalRx eine öffentliche Insulinproduktion aufzubauen, um die Kosten im Griff zu behalten und manipulierten Versorgungsengpässen vorzubeugen.

Zum Autor: Univ.-Doz.(Wien) Dr. med. Gerd Reuther ist Arzt und Medizinhistoriker sowie Autor mehrerer medizinkritischer Sachbücher wie „Der betrogene Patient“. 2023 erschienen von ihm „Hauptsache Panik – Ein neuer Blick auf Pandemien in Europa“ und „Letzte Tage – verkannte und vertuschte Todesursachen berühmter Personen“.

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