Wenn das System kollabiert

Schweizer Notfallmediziner: "Wir stehen am Rande eines Zusammenbruchs"

Politik
Symbolbild: Freepik

Nicht nur in Österreich und in Deutschland, auch in der Schweiz ist es um das Gesundheitssystem nicht zum Besten bestellt. Der Mangel an Ärzten und Pflegepersonal ist auch dort dramatisch. So fehlen 4.000 Ärzte und fast 15.000 Pflegekräfte. Die sogenannte Pandemie - wo Gesundheitsbedienstete als Helden gefeiert wurden, ehe man ihnen im Folgejahr die Rute ins Fenster stellte, wenn sie auf die Corona-Spritze verzichteten - hat bisher auch nicht dafür gesorgt, dass die Arbeitsbedingungen sich nachhaltig verbessert haben.

"Am Rande eines Zusammenbruchs"

Der Schweizer Notfallchef Vincent Ribordy schlägt in der "SonntagsZeitung" dramatische Töne an. "Wir stehen am Rande eines Zusammenbruchs", so der oberste Schweizer Notfallmediziner. Denn auch das Gesundheitssystem in der Schweiz steht auf der Kippe. Es gibt einen gewaltigen Mangel an Personal im Gesundheitsbereich. Dieser betrifft sowohl Ärzte als auch Pflegekräfte. 3.904 Ärzte werden gesucht und auch 14.779 Pflegekräfte, 30 Prozent mehr als noch vor der Pandemie. Auch Yvonne Ribi vom Verband der Pflegefachpersonen SBK bestätigt den massiven Mangel: "Seit Anfang 2022 stellen wir einen Exodus aus dem Beruf fest."

Pandemie-Maßnahmen und Belastungen

Monatlichen würden so bis zu 300 Pfleger aus dem Beruf ausscheiden, was für die verbleibenden eine zusätzliche Belastung darstellt. "Nach fast drei Jahren Pandemie und keinen merkbaren Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen sehen viele die Kündigung als einzige Lösung", nimmt Ribi kein Blatt vor den Mund. Dabei würden sich sogar nach wie vor viele junge Menschen für einen Pflegeberuf entscheiden. 2021 waren in der Schweiz sogar überdurchschnittliche viele Antritte zur Ausbildung zu verzeichnen. Doch auch die Ausfallquote ist hoch, rund 40 Prozent steigen nach wenigen Jahren aus dem Lehrberuf wieder aus und somit sind die Ausbildungszahlen auch nicht nachhaltig.

Bedarf an Pflegepersonal steigt

Die hat zur Folge, dass sich Spitäler gezwungen sehen Bettenkapazitäten zu streichen oder Notfallstationen zu bestimmten Zeiten zu schließen. Aber der Bedarf an Personal steigt weiter. Arbeiten derzeit in der Schweiz 185.600 Personen in Spitälern, Alten- und Pflegeheimen wird der Bedarf bis 2029 auf 222.100 Personen steigen, ein Plus von fast 37.000 mehr und dieser Bedarf wird nur schwierig abzudecken sein, zumindest wenn sich nichts ändert. Denn derzeit stehen oftmals nicht Personal und Patienten im Vordergrund, sondern das Geld und die Wirtschaftlichkeit.

Fehlerrisiko steigt

Notfallmediziner Vincent Ribordy macht zudem noch auf ein weiteres Problem aufmerksam. Durch den permanenten Druck und die Belastungen, denen Ärzte und Pflegepersonal ausgesetzt sind, steigt auch das Fehlerrisiko. Denn die Überbelastungen zeigen ihre Folgen. Zudem verweise man Personen, die nicht akut gefährdet sind, an die Hausärzte und versuche die Aufenthaltszeit der Patienten möglichst kurz zu halten.

Aber klar ist: "So kann es nicht weitergehen", mahnt Ribordy. Zudem appelliert er an die Menschen, sich nicht wegen jeder Kleinigkeit an die Notfallstationen zu wenden, sondern zuerst an die Hausärzte und die Apotheken. Im Grunde ist die Lage verfahren, in jedem Bereich würde Mangel herrschen, auch bei den Hausärzten. "Bis jetzt konnten wir den Missstand irgendwie auffangen.  Doch das geht jetzt nicht mehr", So Ribordy.

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