Absurdistan übertrifft sich selbst

Polit-Prozess gegen Höcke: Wirbel um 'KZ-Spruch' an Gerichtsgebäude

Politik
Landgericht: Catatine, Wikimedia Commons; Höcke: Sandro Halank, Wikimedia Commons (beide CC BY-SA 4.0; Detail: Screenshot Twitter/X; Komposition: Der Status.

Am heutigen Donnerstag beginnt in Halle (Saale) der Prozess gegen den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, weil er einst in einer Rede im Nachbarbundesland Sachsen-Anhalt die Wortfolge "Alles für Deutschland" gebrauchte. Unter dem Vorwurf, dabei handle es sich um eine Parole der NS-Sturmabteilung (SA), wird ihm wegen des "Verwendens von Kennzeichnen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen" (§ 86a StGB). Doppelt absurd am Prozess: Auf einer Mauer des Altbaus des zuständigen Landgerichts steht der Spruch: "Jedem das Seine" - und der stand neben unbedenklichen Verwendungen bekanntlich auch am Tor des Konzentrationslagers in Buchenwald.

"Allerweltssatz" zur "SA-Parole" aufgebauscht

"Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland": Wegen dieser Ansage macht man Höcke den Prozess. Man unterstellt ihm, damit bewusst an die SA-Losung angeknüpft haben zu wollen. Was für den neutralen Beobachter bereits absurd genug klingt, wird noch verrückter, wenn man bedenkt, dass dieser Satz immer wieder in der Öffentlichkeit auftauchte. So etwa in einem "Spiegel"-Kommentar zu Olaf Scholz; auch Franz Beckenbauer benutzte ihn zur Unterstützung des DFB-Nationalteams einst. In früheren Zeiten benutzte etwa die deutsche Zentrumspartei den Satz. Höcke will von der angeblichen historischen Belastung nichts gewusst haben.

Er verteidigte sich in der Vorwoche beim TV-Duell mit CDU-Landeschef Mario Voigt mit dem Hinweis auf einen "Allerweltssatz" mit reger Benutzung durch öffentliche Personen. Irrtümlicherweise behauptete er dabei allerdings auch, dass die Deutsche Telekom mit diesem Slogan geworben habe. Diese will Höcke deswegen nun klagen. In Wahrheit haute er allerdings nur knapp daneben: Denn die Telekom musste 2001 gut 15 Mio. Broschüren zurückrufen, weil sie darin den Slogan "Jedem das Seine" benutzte. Medien erinnerten damals daran, dass es sich dabei allerdings um eine Parole am Eingangstor im KZ Buchenwald (und in anderen Lagern) handelte...

Nach dieser Logik: "KZ-Spruch" am Gericht?

Doch die ganze Sache wird noch skurriler: Denn genau dieser Spruch ("Jedem das Seine" (Suum cuique)) prangt auch auf der seitlichen Fassade des historischen Altbaugebäudes des Landgericht Halle, das - allerdings in einem anderen Gebäudekomplex - gegen Höcke wegen §86a StGB verhandelt. Freilich: Das Gebäude ist von 1905, allerdings wurde der Spruch auch bei der Renovierung vor gut 10 Jahren nicht entfernt. Wozu auch: Handelt es sich doch um einen Grundsatz aus der antiken Philosophie, dessen Gebrauch sich von Platon über Cicero, die byzantinischen Gesetzbücher und Bach bis zu Inschriften in mehreren Universitäten oder in preußischen Orden und dem preußischen Gardestern bis zum Wahlspruch der Feldjägertruppe der Bundeswehr zieht.

Der Gebrauch der Parole ist jedoch seit dem Missbrauch in Buchenwald nicht unumstritten - gerade nicht aus Sicht des Zeitgeistes. Die Ampel ließ die Zeitmäßigkeit der Losung in der Armee sogar überprüfen. Es fanden sogar schon Gerichtsprozesse zu "Jedem das Seine" statt: Ein NPD-Mitglied, der den Schriftzug tätowiert hatte, wurde sogar zu einer Haftstrafe verurteilt - allerdings nur, weil dieser in Verbindung mit einem KZ-Wachturm abgebildet war. Bei "Alles für Deutschland" wiederum gibt es den Fall eines Amtsrichters in Hamm "Nordrhein-Westfalen", der einen 16-jährigen Jugendlichen wegen der öffentlichen Verwendung der Parole verurteilte.

Polit-Prozess mit widersprüchlicher Präzedenz

Dies gilt nun als "Quasi-Präzedenzfall", anhand dessen die Verwendung von "Alles für Deutschland" als Zeichen einer strafrechtlich relevanten Gesinnung gedeutet wird. Im Verständnis der allermeisten Deutschen ist dieser Satz allerdings wohl nicht mit dieser Zeit in Verbindung zu bringen. Vermutlich auch deshalb verzichten etliche Medien, darunter auch der Staatsfunk MDR, auf die Nennung der konkreten Parole, sondern schreiben nur darüber, dass Höcke einen SA-Spruch verwendet habe, in den Überschriften sowieso. Immerhin muss ja der Teufel an die Wand gemalt werden, führt die Höcke-Partei doch wenige Monate vor der Landtagswahl haushoch in Umfragen. 

Wie absurd alleine die Anklage anmutet, zeigt allerdings nicht nur die "Jedem das Seine"-Inschrift am Gerichtsgebäude, sondern auch die bisherige Praxis mit belasteten Parolen. So erteilten Historiker der in den Nullerjahren vom Bertelsmann-Konzern koordinierten Werbekampagne "Du bist Deutschland" einen Persilschein, als bekannt wurde, dass die NSDAP diese Parole im Bezug auf Hitler bei einem Aufmarsch im Jahr 1935 gebraucht wurde. Umgekehrt urteilte der Bundesgerichthof in Karlsruhe, dass der deutlich schärfere Satz "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" in Deutschland nicht strafbar ist. Auch etliche andere einschlägige Parolen wären nicht strafbar...

Wenn Argumente ausgehen, folgt Nazi-Keule

Wenn die Argumente ausgehen, folgt die "Nazi-Keule": Ein ähnliches Beispiel - allerdings nicht strafrechtlich relevanter Natur - findet sich in Österreich. Dort versucht der polit-mediale Komplex aktuell der FPÖ zu unterstellen, mit der Forderung nach einem "Volkskanzler" nehme Kickl gezielte Anleihen an Adolf Hitler. In Wahrheit sind unter diesem Begriff in der 2. Republik vielmehr die Altkanzler Leopold Figl (ÖVP) und Bruno Kreisky (SPÖ) bekannt. Eine ähnliche Nummer versucht man mit dem Begriff "Systemparteien" - obwohl dieser in den letzten 20 Jahren u.a. auch von Politikern der NEOS und sogar der Grünen benutzt wurde - Der Status berichtete.

Der erste Prozesstag gegen Höcke endete ohne Urteil, kommenden Dienstag geht's weiter. Manchen Systemmedien leuchten aber bereits die Augen bei der Vorstellung, dass man Höcke im Falle einer Haftstrafe von über sechs Monaten sogar für bis zu fünf Jahre das passive Wahlrecht absprechen könnte, wodurch die AfD Thüringen kurz vor der Wahl einen neuen Spitzenkandidaten bräuchte. Die "Bild" gibt dem Leser als Küchenzuruf am Ende die Aussage eines Banners von Demonstranten vor dem Gebäude mit dem Satz "Björn Höcke ist ein Nazi" mit. Auf die Überlegung, ein entspannterer Umgang mit dem Satz täte dem Meinungsklima im Land gut, kommt offenbar niemand...

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