Justiz-Knalleffekt in Wien

Kurz mal Bewährung: Schuldspruch für Ex-Kanzler wegen Falschaussage

Politik
Justiz: Freepik; Kurz: European People's Party, Flickr, CC BY 2.0

Nach zwölf Prozesstagen ist's so weit: Das erstinstanzliche Urteil im Prozess gegen Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz ist da. Wegen der mutmaßlichen Falschaussage vor dem Ibiza-U-Ausschuss wurde er in einem von drei Anklagepunkten schuldig gesprochen. Dafür fasst der einstige türkise Messias nun 8 Monate bedingter Haft aus, sein Ex-Kabinettschef Bernhard Bonelli kam mit 6 Monaten auf Bewährung davon. Die Urteile sind vorerst nicht rechtskräftig, es gilt somit weiter die Unschuldsvermutung.

Schmid & Kurz: "Devote Liebe" ist verglüht

Es hätte noch dicker für die schwarzen Drahtzieher kommen können: Denn auf Falschaussage stehen bis zu drei Jahre Haft. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hatte in ihrem Plädoyer betont, dass sie den Tatbestand der Falschaussage bei beiden Angeklagten als "ganz klar" erfüllt sehe. Kurz habe demnach aus politischen Gründen eine vorsätzliche Falschaussage vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss getätigt, um nicht mit Postenschacher in Verbindung gebracht zu werden. Einen Aussagenotstand sah sie nicht, gestehe man Kurz diesen zu, käme dies einer Abschaffung der Wahrheitspflicht im U-Ausschuss gleich. 

Das Gericht folgte dieser Argumentation zumindest teilweise: In einem von drei Anklagepunkten wurde Kurz schuldig gesprochen, von zwei anderen Punkten freigesprochen. Der Richter beurteilte die Aussagen von Kurz-Intimus & Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid als glaubwürdig. Er "liebte seinen Kanzler", doch der Prätorianer hat genug, Schmid packte aus. Das kann richtungsweisend für weitere Kurz-Prozesse sein. Denn auch beim Vorwurf um Medienkauf mittels Inseraten - die Affäre kostete Kurz einst seinen Kanzlersessel, gilt Schmids belastende Aussage als maßgeblich. Schmid will von einer Kronzeugen-Regelung profitieren, nachdem ihn die türkise "Familie" verstieß.

Russische Entlastungszeugen stachen nicht

Anders sah es mit den beiden russischen Entlastungszeugen, welche Kurz' Anwälte aus dem Hut gezaubert hatten, diese seien "entschieden nicht glaubwürdig". Diese hatten dem Gericht vor Kurzem eine Geschichte aufgetischt, wonach Schmid ihnen in Amsterdam anvertraut hätte, dass die WKStA ihn unter Druck setze, um gegen Kurz auszusagen.  Bedenkt man, dass der polit-mediale Apparat russische Geschäftsleute mittlerweile ohnehin unter Pauschalverdacht nimmt, war es wohl nicht die klügste Verteidigungsstrategie, zumal die Aussagen abenteuerlich anmuteten. Mediale Beobachter sahen darin sogar eine "Räuberpistole".

Acht Monat bedingte Haft: Kurz hat sich phänomenal verzockt. Er muss zwar nicht hinter Gitter, sein Saubermann-Image ist er aber endgültig los. Sein kurzsichtiges politisches Kalkül, die schwarz-blaue Regierung "wegen Ibiza" zu sprengen, wurde zum Bumerang. Während es keine Verurteilungen gegen (Ex-) FPÖ-Politiker gab und auch Strache ständig freigesprochen wird, ist Kurz nun (nicht rechtskräftig) verurteilt. Der U-Ausschuss, der die Freiheitlichen endgültig erledigen sollte, entlarvte stattdessen die schwarzen Netzwerke und wurde zum Schauplatz der mutmaßlichen Kurz-Falschaussage. Von seiner "Message Control" verlassen, ist Kurz verlassen, und der Fall ist tief.

Kurz pokerte hoch - und verlor grandios

Denn die Haftstrafe ist lange genug, um offiziell als vorbestraft zu gelten. Erst nach fünf Jahren kann der Eintrag aus dem Leumund gelöscht werden, was auch den Ambitionen des Ex-Kanzlers in der freien Wirtschaft einen herben Dämpfer verpassen konnte. Die Justiz zeigte, dass sie keinen Politiker-Bonus walten lässt, und auch verurteilte. Dass der WKStA eine Nähe zu roten und grünen Zirkel nachgesagt wird, kommt dazu: Kurz konnte nie hoffen, dass man bei ihm nicht besonders genau hinsehen würde. Und während Ex-ÖVP-Vizechefin & Ex-Casinos-Austria-Chefin Bettina Glatz-Kremsner wegen eines Geständnisses eine Diversion bekam, legte es Kurz darauf an.

Sowohl er als auch Bonelli beteuerten ihre Unschuld, nach Ansicht des Richters nicht glaubwürdig. Laut seinen Ausführungen hätte Kurz mit seinen Aussagen zur Bestellung des ÖBAG-Aufsichtsrates im U-Ausschuss suggeriert, lediglich konsultiert worden zu sein. Tatsächlich sei allerdings belegbar, dass Kurz in diese Posten-Vergaben direkt involviert gewesen sei. Somit hätte er seine Rolle im Ausschuss bewusst "heruntergespielt". Die Aussage des Ex-Kanzlers sei aus objektiver und subjektiver Sicht als falsch zu bewerten. Ein Nackenschlag auch für die interne Glaubwürdigkeit: Bislang wollte sich keine ÖVP-Granden distanzieren, weil's kein Urteil gegen Kurz gab. Das ist vorbei.

Verwirrung um Glawischnig-Glaskugel

Noch vor dem letzten Prozesstag sorgte eine aktuelle Sequenz der Ex-Grünen-Chefin Eva Glawischnig für Aufregung in sozialen Medien. Diese hatte nämlich in einem Fernseh-Talk behauptet, dass Kurz bereits erstinstanzlich wegen der Vorwürfe verurteilt worden sei. Zu diesem Zeitpunkt war dies allerdings nicht der Fall. Es entstanden Diskussionen, ob es sich um ein Versehen, um hellseherische Fähigkeiten oder sogar um mögliches Vorab-Insiderwissen handelt. Im Nachhinein stellte sich die Glaskugel der Ex-Politikerin, die anschließend von 2018 bis 2021 als Lobbyistin für den Glückspiel-Konzern Novomatic tätig war, als zutreffend heraus.

Öffentlich gemacht hatte die skurrile Vorahnung übrigens ein gewisser Daniel Kapp. Der PR-Berater war einst Pressesprecher für mehrere ÖVP-Minister. Zudem war er in einer Beratungsfunktion für den ukrainischen Oligarchen Dmytro Firtasch tätig, in dessen Privatjet auch Kurz einst umherreiste. Ob die türkis-schwarze "Familie" plant, die Unabhängigkeit der Justiz mit Verweis auf den genannten Ausschnitt infrage zu stellen, wird sich freilich noch weisen. 

Hat System-Journaille Lunte gerochen? 

Es war wohl nicht der letzte Prozess gegen Kurz - und es war wohl genauso wenig der letzte politisch relevante Prozess in Österreich. Womöglich könnte der polit-mediale Komplex nach dem Rückenwind des Kurz-Urteils damit kokettieren, die Justiz trotz der bisherigen schlechten Treffsicherheit auch gegen hochrangige FPÖ-Vertreter in Stellung zu bringen. Im vergangenen Sommer arbeitete ein "Standard"-Journalist, der im Kampf gegen die "böse FPÖ" schon mal 100-jährige Dachboden-Nazis erfindet, an einem "Spiegel"-Artikel mit, der FPÖ-EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky unterstellte, in die Strache-Spesenaffäre involviert zu sein. 

Damals war der Küchenzuruf, dass die Vorwürfe diesen seine Spitzenkandidatur kosten könnten. Seitdem wurde es um die Anwürfe still, auch die Spitzenkandidatur geriet nie in Gefahr. Drei Monate vor der EU-Wahl führen die Freiheitlichen vielmehr sämtliche Umfragen an, noch deutlicher ist der Vorsprung im Hinblick auf die Nationalratswahl im Herbst. Der "Giftpfeil" wurde schon einmal in Stellung gebracht, er muss nur noch abgefeuert werden. Und wenn "Ibiza" eines lehrte, dann ist's, dass linksliberale Journalisten aus Österreich & Deutschland gerade vor EU-Wahlen gerne einmal die FPÖ mit aufgebauschten Unterstellungen anschießen... 

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