Neue Spielzeuge, aber kein Persona,

'Kriegstüchtigkeit' der Bundeswehr: Kommt bald die Wehrpflicht zurück?

Politik
Bild: Dr. Frank Gaeth, CC BY-SA 4.0, Wikimedia Commons

Im Gleichschritt mit anderen NATO-Staaten geht man auch in Deutschland daran, die Bundeswehr aufzurüsten und das Land wieder "kriegstüchtig" zu machen. Dazu will SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius nicht nur die Kommandostruktur der Bundeswehr änderen, deren Reform nun vorstellt wurde, sondern lässt auch die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht prüfen.

Bundeswehr auf Vordermann bringen - aber wofür?

Auf dem Papier liest sich die neue Reform von SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius als Vorhaben auf den ersten Blick durchaus wagemutig. Immerhin hat er von seinen Vorgängerinnen Christine Lambrecht, Annegret Kramp-Karrenbauer, Ursula von der Leyen usw. eine desolate und abgewirtschaftete Truppe geerbt. Und Pistorius hat schließlich auch Ambitionen, nicht nur die "Verteidigungsfähigkeit" der Truppe soll wieder hergestellt werden, sondern gleich die "Kriegstüchtigkeit".

Dabei reiht sich das Motto der Reform, das die Tagesschau als "Schlanker, schneller, 'kriegstüchtiger'" - beim zunehmend überbordenden Beamten- und Behördenapparat klingt "schlank" für die Steuerzahlerohren irgendwie beruhigend - nahtlos in Wehrtüchtigkeits-Parolen der Vergangenheit ein, die - wie der geschichtlich bewanderte Bürger weiß, beileibe nicht nur zu den unseligen Zeiten des Spruchs mit Leder, Windhunden und Kruppstahl gerne von der Polit-Elite im einprägsamen Dreisatz eingetrichtert wurde. 

Wieder ein großer Generalstab?

Aber alten Militaristen muss dabei fast das Herz aufgehen. Immerhin soll es wohl zukünftig wieder so etwas wie einen großen Generalstab geben - dieser wurde ja 1919 zwangsweise aufgelöst - weil Pistorius die Truppe und deren "Kriegstüchtigkeit" mit einem einheitlichen Operativen Führungskommando stärken will. Dieses gemeinsame Führungskommando für alles vier Teilstreitkräfte soll zentrale Ansprechstelle sowohl für die NATO, die Bundesländer als auch für Organisationen wie den THW werden.

Als Teilstreitkräfte soll es zukünftig nicht nur das Heer, die Marine und die Luftwaffe sondern auch noch den Bereich für Cyber- und Informationsraum (CIR) geben, der als vierte Teilstreitkraft elektronische Kampfführung und Cyberoperationen sowie Aufklärung und den Schutz der elektronischen Infrastruktur übernehmen soll.  Zudem soll in Berlin ein Territoriales Führungskommando eingerichtet werden, das für die Landesverteidigung zuständig sein soll , in dem auch der Operationsplan für eine gesamtstaatliche Verteidigung Deutschlands erarbeitet wurde. Diese beiden Führungskommandos hätten nur wenige Überschneidungen, wodurch die Verantwortlichkeiten klarer wären.

Zu viele Häuptlinge zu wenig Indianer?

Aber mit der Reform der Zuständigkeiten der Herren hinter der Front am Kartentisch im Bunker ist es noch nicht getan. Eine weitere groß Baustelle der Bundeswehr ist seit der Abschaffung der Wehrpflicht die Personaldecke. Immerhin will man ein mindestens 200.000-Mann-Heer für die "Kriegstüchtigkeit" - als der Generalstab abgeschafft werden musste, hatte man nur 100.000 Mann - aber, da geht es nicht so recht weiter. Trotz Personaloffensiven konnten 2023 nur 18.800 Personen rekrutiert werden, 15.935 Männer und 2.867 Frauen. Und, zum Leidwesen der Kriegstreiber in der Politik, stieg auch die Zahl der "Kindersoldaten" weiter an.

Denn 1.996 Soldaten waren zum Zeitpunkt ihrer Einstellung erst 17 Jahre und somit minderjährig. Das entspricht einem Anteil von 10,6 Prozent im Jahr davor waren es nur 9,4 Prozent. "Die Bundeswehr altert und schrumpft", erklärte die Wehrbeauftragte des Bundestags Eva Högl. Laut des Wehrberichts dienten mit Ende 2023 181.514 Personen in der Bundeswehr, 1.537 weniger als im Vorjahr und somit ein Rückschritt zu den mindestens 200.000 Soldaten Rekrutierungsvorhaben. Daher müsse die Attraktivität der Truppe dringend gesteigert werden. Dass man mit dem weiter gültigen Bundeswehr-Impfzwang zusätzlich potenzielle Soldaten abschreckte, steht auf einem anderen Blatt...

Dienstpflicht für alle?

Doch Pistorius traut den Attrakivitätssteigerungsversuchen offenbar nicht die nötige Durchschlagskraft zu. Ebensowenig wie den Plänen von FDP-Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, in den Schulen die "Widerstandsfährigkeit" zu stärken, wieder vermehrt Bundeswehroffiziere in die Klassen einzuladen, damit sich ein unverkrampftes Verhältnis zu Truppe entwickelt - und am Ende vielleicht gar wieder Wehrunterricht einzuführen. Stattdessen lässt Pistorius seit Ende letzten Jahres Modelle einer allgemeinen Dienstpflicht prüfen, die man in Deutschland anstatt der abgeschafften Wehrpflicht einführen könnte.

Wobei er sich wohl an der Praxis in skandinavischen Staaten orientiert. Derzeit stößt er zwar bei der Ampel auf taube Ohren, so erklärte etwa FDP-Finanzminister Christian Lindner: "Die volkswirtschaftlichen Kosten einer allgemeinen Dienstpflicht wären angesichts des Arbeitskräftemangels in einer alternden Gesellschaft sehr hoch. Auch die Musterung ganzer Jahrgänge, die dann aber gar nicht eingezogen werden, überzeugt mich nicht", aber wann hätten zuletzt, etwa bei der massenweisen Zuwanderung und Bürgergeldausschüttungen an Migranten oder bei Selbstmordsanktionen oder Energiewende volkswirtschaftliche Erwägungen eine Rolle gespielt.

Zumal Pistorius seinen kritischen Ministerkollegen sicher auch noch erklären wird, dass alle Wehrmilliarden und großen Aufrüstungspläne nichts bringen, wenn niemand da ist, der mit dem schönen neuen Kriegsgerät auch spielt - man kann sich schließlich nicht immer darauf verlassen, alles an die Ukraine weiterschenken zu können.

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