KPÖ stark, ÖVP schmiert ab: So reagiert Österreich auf Salzburg-Wahl

Am gestrigen Sonntag fanden in Salzburg die Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen in sämtlichen 119 Gemeinden des Bundeslandes statt. Quer durch die Bank zeigt sich: Die KPÖ ist massiv im Aufwind, auch die FPÖ kann stellenweise - allerdings unterhalb ihres eigentlichen Potenzials - profitieren. Besonders eindrucksvoll war allerdings der Einbruch der ÖVP in Salzburg-Stadt, wo sie bislang den Stadtchef stellte - auch deshalb, weil die KPÖ nahezu aus dem Stand auf den zweiten Platz kam und ihr Spitzenkandidat Kay-Michael Dankl es in die rot-rote Bürgermeister-Stichwahl schaffte. Entsprechend groß ist die Aufregung über das Ergebnis nun in sozialen Medien.
Urbaner KPÖ-Sieg mit Ansage
Es ist ein politischer Erdrutsch, anders kann man es gar nicht bezeichnen: Die Kanzlerpartei, für die in der Landeshauptstadt der bisherige Bürgermeister Harald Preuner nicht mehr antrat, halbierte sich nahezu - von 36,7% auf 20,8% Prozent. Auf den ersten Platz kam daher trotz kleiner Einbußen die SPÖ mit 25,6% (2019: 26,8%). Ganz großer Wahlsieger ist aber ausnahmsweise nicht die FPÖ, die nur ein kleines Plus auf 10,8% schaffte (2019: 8,4%). Sondern die "KPÖ Plus": Diese kam mit 23,1% auf den zweiten Platz - nach 3,7% vor fünf Jahren. Die Grünen konnten sich mit 12,7% (2019: 15,2%) nur dank der Briefwähler vor der FPÖ halten. Die NEOS stürzten auf 3,5 Prozent (2019: 6%) ab.
Doch dies führt nicht nur zu einer Umwälzung im Gemeinderat, wo die KPÖ künftig zehnmal so stark vertreten sein wird wie bisher, sondern auch am Bürgermeistersessel. Denn die ÖVP, die zuletzt das Amt innehatte, ist definitiv aus dem Rennen. Bei der Stichwahl am 24. März würde SPÖ-Kandidat Bernhard Auinger (29,4%) gerne die Stadt für seine Partei zurückholen - bekommt im Duell allerdings ernsthafte Konkurrenz durch Kay-Michael Dankl von der KPÖ (28%). Wie beim Sensationserfolg bei der Landtagswahl, als die "KPÖ Plus" aus dem Stand zweistellig wurde, setzte er auf ein Kümmerer-Image und das soziale Thema des leistbaren Wohnens.
Dass die SPÖ nicht wirklich vom Kollaps der ÖVP profitiert, hinterlässt indes auch einen umstrittenen SPÖ-Werbefuzzi eher ratlos zurück:
Das Gesamtergebnis ist die Fortsetzung der letzten Landtagswahlen. Ein Muster wiederholt sich. VP verliert im Vergleich zur Kurz-Zeit deutlich, ohne dass SP davon profitieren kann. Man verliert sogar im Vergleich zur Kurz-Zeit.
— Rudi Fußi (@rudifussi) March 11, 2024
SP und Grüne im Minus, FP deutlich im Plus. pic.twitter.com/GckwkIBMGy
Andere exponierte Akteure im linken Lager verfielen hingegen schnell in Feierlaune:
Als gebürtige Salzburgerin macht mich der heutige Tag sehr, sehr glücklich! 😍
— Veronika Bohrn Mena (@VBohrnMena) March 10, 2024
Wieder andere Stimmen, in dem Fall aus dem ÖVP-Umfeld, meinen, dass Dankl nun erst liefern muss:
Die Salzburger:innen haben das Wohnungsproblem gelöst.🧐#Dankl mach jetzt.
— Hannes Missethon (@HMissethon) March 11, 2024
Und keine Ausreden. pic.twitter.com/7Hp5EvCvWt
Kaum Rückenwind für "hellblauen" Kurs
Regional sind die Umwälzungen nicht so groß: Die ÖVP konnte viele Bürgermeister halten und stellt landesweit auch weiter knapp 40% der Gemeinderäte - büßt allerdings dennoch fast 8% ein. Profiteur ist hier neben der KPÖ (plus 4,6%) auch die FPÖ (plus 3,3%), während auch SPÖ & Grüne leichte Einbußen hinnehmen mussten. Auffällig sind hierbei einige Detailergebnisse. So gelang es der FPÖ etwa in Unternberg (Lungau), der ÖVP den Bürgermeisterposten zu entreißen und diese in Stuhlfelden (Pinzgau) überholen.. Umgekehrt gab's in Großgmain, der Heimatgemeinde von Landeschefin & Vize-Landeshauptfrau Marlene Svazek mit minus 6,3% geradezu eine Klatsche.
Insgesamt legte die FPÖ vor allem im ländlichen Lungau zu, während die SPÖ eher noch im städtischen Raum ihre Bedeutung zurückerlangen konnte: In Hallein wurde die ÖVP nahezu gedrittelt, die SPÖ erreichte die absolute Mehrheit, auch die KPÖ erreichte mehr als 5%. In der Arbeiterstadt hatte es bei der Landtagswahl einen ähnlichen Effekt gegeben, als die Volkspartei massiv verlor und FPÖ & KPÖ zulegten. Im nahegelegenen Kuchl - wochenlang ungerechtfertigte Corona-Sperrzone - war die FPÖ damals stärkste Partei, erreichte nun aber nur 7%. Anders als Landbauer in Niederösterreich hat Svazek in Salzburg keinen Corona-Entschädigungsfonds ausverhandelt.
Manch patriotischer Polit-Kommentator sieht auch darüber hinaus einen Zusammenhang zwischen dem Wahlergebnis und der Performance in Land & Stadt:
#Salzburg haben die Kommunisten ordentlich abgeräumt. Leider wohl auch ein paar Ausrutscher der Landes-FPÖ mit schuld:
— Friedrich Langberg (@f_langberg) March 10, 2024
▪️ Polit-Gehälter mit erhöht
▪️ Asylheim nicht verhindert
▪️ Das halbe Skyshield wird dort stehen
...und alles gegen Bundesobmann Kickl. pic.twitter.com/VgIY7QSDkR
Eine ähnliche Annäherung versuchte ZIB2-Moderator Armin Wolf, welcher der Ansicht ist, dass man hier durchaus um Wählerschaft konkurriert:
Interessant am Salzburger Ergebnis sind ja auch die 10,8% der FPÖ, die bundesweit bei ca. 30 steht.
— Armin Wolf (@ArminWolf) March 10, 2024
Klingt paradox, liegt aber wohl wesentlich an KPÖ-Mann Dankl. Ein großer Teil der Wählerschaft will offenbar einfach „was anderes“ als die etablierten Parteien.
Ausnahmsweise ein Korn fand dafür das Denunziationsportal "Stopptdierechten" - und zwar im Bezug auf die skurrile ÖVP-Wahlinterpretation:
Wie musst intellektuell und psychisch drauf sein, wennst als ÖVP-Generalsekretär angesichts des Zugewinns der FPÖ in Salzburg betrübt bist, während die eigene Partei im selben Bundesland mit dieser „radikalen“ FPÖ koaliert? pic.twitter.com/Fa4pSL6ksQ
— stopptdierechten.at (@stopptrechte) March 11, 2024
Dennoch kann auch Babler mithalten - das schlechteste Abschneiden der SPÖ aller Zeiten bei Gemeinderatswahlen in der Stadt Salzburg hält er für ein "eindrucksvolles Ergebnis":
Ich gratuliere @AuingerBernhard, sowie @david_egger_sbg und der gesamten @spoe_salzburg zum eindrucksvollen Ergebnis! Wir gehen das jetzt an als starke Kraft, um die Lebens- & Arbeitsbedingungen für alle Menschen zu verbessern - in #Salzburg und in ganz Österreich! ❤️💪
— Andi Babler (@AndiBabler) March 10, 2024
Wenig treffsichere Kommunismus-Keule
Freilich folgen Kommunalwahlen oft eigenen Gesetzen - und Bürgermeisterwahlen sind oft Persönlichkeitswahlen. So gab es z.B. in Oberösterreich im Jahr 2015 eine Innviertler Marktgemeinde, die sich laut Wahlergebnis am selben Tag einen roten Bürgermeister, einen schwarzen Gemeinderat und einen blauen Landtag wünschte. Einige auffällige Ergebnisse lassen sich aber einordnen - wie eben jenes der KPÖ in Salzburg. Deren Spitzenkandidat Dankl ist zwar ein Ex-Grüner. Aber er konnte das Grazer KPÖ-Erfolgsrezept im gerade in Krisenzeiten in der Hochpreismieten-Stadt wirksamen Zusammenspiel aus Volksnähe, sozialer Themenwahl und Authentizität "kopieren".
Nichtsdestotrotz ließen sich manche Kommentatoren auf beiden Seiten des Spektrums zu verkürzten Einordnungen hinreißen. So griffen manche bürgerlichen Kommentatoren vorschnell zur Kommunismus-Keule. Freilich steckt die Ideologie im Parteinamen - das sagt allerdings noch wenig aus. Die Konservativen in Dänemark heißen übersetzt wörtlich "Linke", die Konservativen in Portugal "Sozialdemokratische Partei". Zudem zeigten bereits die italienischen "Eurokommunisten", an deren Anspruch sich die KPÖ traditionell orientierte, ab den 60er-Jahren, dass Stalin-Vergleiche wenig treffsicher sind. Dankls "Plus"-Flügel steht sogar eher für "linksliberale Akademiker mit sozialem Gewissen".
Die #Kommunismus ist übrigens eine verfassungsfeindliche Ideologie, da er das verfassungsrechtlich gewährleistete Eigentumsrecht nicht anerkennen will und zudem hat seine Ideologie hat über 100 Millionen Tote in der Vergangenheit gefordert! So etwas wählt man nicht! #Salzburg…
— Sascha Flatz (@rechtsanwalts11) March 11, 2024
Die reichste Stadt im reichsten Bundesland von #Österreich hat sich gedacht nach #ÖVP und #Neos probieren wir nun die #KPÖ mit junger Truppe ohne Erfahrung & Ahnung.
— Der März (@DerMaerzAT) March 10, 2024
Was für ein Bildungsversagen in #Salzburg ! Kommunismus ist IMMER der falsche Weg ! https://t.co/KH4hHKurnN
Kommunismus und Nationalsozialismus waren die grausamten Diktaturen des 20. Jahrhundert; wieso demonstrieren Zehntausende gegen die eine Ideologie, während die andere mit der klammheimlichen Unterstützung so mancher Medien bei demokratischen Wahlen um Stimmen wirbt?
— Peter Sichrovsky (@SichrovskyPeter) March 10, 2024
Sozialpolitisches Profil braucht Schärfung
Eine treffende Einordnung, warum diese Argumente zu kurz greifen, fanden indes etwa Der Status-Redakteurin Bernadette Conrads sowie der deutsche Politikwissenschafter Benedikt Kaiser und weitere Akteure aus dem kritischen Lager. Wenn man linksliberalen Blendern wie Dankl nicht die soziale Frage überlassen will, muss man die einfachen Bürgern mit besseren sozialpolitischen Konzepten einfangen:
Hab gehört, die McCarthy-Ära hat in #Salzburg angerufen. Sie will ihren Diskurs zurück. Gegen sozialpolitische Forderungen wirken nur bessere sozialpolitische Forderungen. Sozialpolitik als 'Kommunismus' mit zu framen erreicht das Gegenteil, attraktiviert 'Kommunismus'.
— Bernadette Conrads (@BeConrads) March 10, 2024
Das Themenpaar Miete/Wohnen und das tägliche „Ins Volk gehen“ durch authentische & bescheidene Volksvertreter sind die Standbeine der #KPÖ in #Graz/#Steiermark und in #Salzburg. Darauf nicht mit antikommunistischem Bullshitbingo antworten, sondern mit Solidarischem Patriotismus.
— Benedikt Kaiser (@benedikt_kaiser) March 10, 2024
Leider lassen viele Reaktionen auf eine falsche Analyse schließen. Man ruft den großen Kampf gegen den "Kommunismus" aus.
— Bruno Wolters (@bruno_wolters) March 11, 2024
Selbst bei so manchem deutschen Linken ist die Botschaft langsam angekommen - aber nicht vollständig, wie der penibel gendergerechte Duktus aufzeigt:
Können wir uns mal eingestehen, dass die österreichischen Genoss:innen gerade eine der wenigen Parteien in Europa links der Sozialdemokratie sind, die eine enorm erfolgreiche Strategie haben, die man einfach mit genug Planung zu uns importieren könnte? pic.twitter.com/Xv3bhPmubM
— Leon M. Walter (@leonmwalter) March 10, 2024
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