Keine Rückschlüsse auf Russland

Analyse zeigt: Sanktionen treffen die Ärmeren, nicht die Eliten

Politik
Bild: Freepik

Über den Sinn oder die Zwecklosigkeit von Sanktionen wird seit dem Ukrainekrieg wieder vermehrt gestritten. Nun zeigt eine Analyse, dass Sanktionen zwar teilweise die Wirtschaftsleistung des betroffenen Landes senken können, doch vorwiegend treffen sie die ärmeren Bevölkerungsschichten und können sogar dazu führen, dass die Lebenserwartung merklich sinkt.

Immer sind es die normalen Bürger, die die Entscheidungen der Politiker zwar wenig beeinflussen, aber letztlich ausbaden müssen. Dies vor allem auch in Konflikten. Dabei muss es sich nicht unbedingt um einen offenen Krieg handeln, der dann für viele den Weg an die Front bedeutet. Sondern auch in Konflikten, die auf anderen Ebenen ausgetragen werden, leidet vor allem die Zivilbevölkerung über Gebühr. So etwa bei Wirtschaftskriegen, die mittels Einfuhrverboten und Sanktionen geführt werden. Die Folgen von Wirtschaftssanktionen hat deshalb das ifo-Institut näher analysiert.

Sanktionen schwächen Wirtschaftsleistung

Die Studienmacher sind sich sicher, dass Wirtschaftssanktionen zu einem Einbruch der Wirtschaftsleistung des Ziellandes führen. Und dieser Einbruch der Wirtschaftsleistung kann sogar bis zu 25 Prozent pro Kopf betragen - wenn man die Folgen längerfristig betrachtet. Allgemein, so die Analyse des Münchner ifo-Instituts, ist mit einem Rückgang des Wachstums um zwei Prozent pro Jahr zu rechnen. Aber die Folgen, gerade für die zivile Bevölkerung, können noch viel weitreichender sein, zumal nicht alle Bevölkerungsschichten gleich hart von den Maßnahmen betroffen sind.

Ärmere werden härter getroffen

"Wirtschaftssanktionen treffen regelmäßig den Teil der Bevölkerung in den sanktionierten Ländern am stärksten, der in oder nahe der Armut lebt. Dies war in der Vergangenheit vor allem bei US-Sanktionen der Fall. Studien zeigen zum Beispiel, dass durch die 2012 verhängten Sanktionen gegen den Iran vor allem die junge, ungebildete Bevölkerung auf dem Land zu leiden hatte", so Florian Neumeier, Leiter der ifo Forschungsgruppe Steuer und Finanzpolitik.

Für die Studie wurden die Daten von 160 Ländern ausgewertet, von denen zwischen 1976 und 2012 insgesamt 67 von Sanktionen betroffenen waren. Wobei auch angemerkt werden muss, dass gerade seit dem Ende des Kalten Krieges der Einsatz von Wirtschaftssanktionen stark zugenommen hat.

Sogar geringere Lebenserwartung

Dabei zeigten sich, dass die Auswirkungen gerade für die ärmeren Bevölkerungsschichten nicht nur wirtschaftlich stärkere Folgen hat, sondern sogar gesundheitliche. So führen vor allem in bereits ärmeren Ländern Wirtschaftssanktionen zusätzlich zu einer geringeren Lebenserwartung in der Bevölkerung. Und bei der Analyse zeigte sich, dass Sanktionen durch die UNO im Durchschnitt die Lebenserwartung der Bevölkerung um 1,2 bis 1,4 Jahre senkten. Bei Sanktionen durch die USA allein verringerte sich die Lebenserwartung um knapp ein halbes Jahr. Auch zeige sich bei der Auswertung der Daten deutlich, dass Frauen von der Verhängung von Sanktionen stärker betroffen sind als Männer.

Schwere Kollateralschäden

Zudem, so die Studienmacher, würden die empirischen Studien darauf hinweisen, dass Sanktionen nicht nur schwere Kollateralschäden, wie etwa bei der Lebenserwartung verursachen können, sondern auch in anderen Bereichen die Bevölkerung des Ziellandes beeinträchtigen, etwa indem deren politischen Rechte und bürgerlichen Freiheiten untergraben werden.

Dies sei besonders besorgniserregend, "da die Regierungen, gegen die Sanktionen gerichtet sind, oft die demokratische Legitimität fehlt". Dies bedeute jedoch nicht automatisch, dass es besser wäre, von Wirtschaftssanktionen abzusehen. Denn niemand könne sagen, ob Auswirkungen der Sanktionen schlimmer seien, als wenn die internationale Gemeinschaft nicht handelt.

Keine Schlussfolgerungen für Russlandsanktionen

Allerdings könnten anhand der Untersuchung keine Rückschlüsse auf die Russlandsanktionen gezogen werden. "In der Vergangenheit wurden Sanktionen meist gegen kleinere Volkswirtschaften verhängt", erklärt Neumeier. "Aus den Analysen können wir daher nicht ableiten, wie die aktuellen Sanktionen auf eine große Volkswirtschaft wie Russland wirken." Zumal auch noch ein anderer Punkt hinzukommt. Bisher hat noch nie jemand wirklich den Versuch unternommen, über ein Land Wirtschaftssanktionen zu verhängen, von dem man maßgeblich wirtschaftlich abhängig ist.

Die EU hat jedoch in treuer Gefolgschaft zur USA sich selbst von Rohstofflieferungen aus Russland abgeschnitten. Es ist ein Schritt, der selbst den Regierungen nach der Niederschlagung des Prager Frühlings durch die Sowjetunion, nach dem Einmarsch in Afghanistan oder selbst während des Tschetschenienkrieges nicht eingefallen ist.

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