Eigeninteressen statt neoliberale Falle

'US-Vasallentum ist wenig hilfreich': Warum das System die Rechte nicht kapern darf

Meinung
Karte: Freepik; Soldaten: Joe Rosenthal/Associated Press, Wikimedia Commons (gemeinfrei); Kaiser: Instagram; Komposition: Der Status.

Weichgespülte Rechte, die auf Linie Washingtons gebracht werden, um dann als Scheinalternative sogar an die Macht zu dürfen: Der Fall Meloni erweckt die Sorge, dass die patriotische Wende in Europa im Keim erstickt werden könnte. Im "Der Status"-Interview erklärt der sozialpatriotische Politikwissenschaftler Benedikt Kaiser, warum europäische Rechte nicht der transatlantischen & neoliberalen Verlockung erliegen, sondern in einer multipolaren Welt selbstbewusst souveräne Staaten als Partner auf Augenhöhe suchen sollten, um die Interessen der freien Völker Europas wahren zu können.

Der Status: Die westeuropäische Linke wurde durch die Neocons über ThinkTanks und NGOs vor allem mit Hilfe trotzkistischer Strömungen neoliberal vereinnahmt. Folgt man deiner Kritik auf Twitter, droht eine solche neoliberale Vereinnahmung nun auch der westeuropäischen Rechten. Wie kommst du zu diesem Schluss, was sind deine Beobachtungen?

Benedikt Kaiser: Eine solche „neoliberale“ Vereinnahmung droht nicht, sie ist seit dem undifferenzierten Thatcher- und Reagan-Fetisch der 1980er und 1990er Jahre faktisch gegeben. Aus rechten, volksverbundenen und konservativen Ansichten wurden grosso modo marktgläubige, liberale und pseudoelitäre: Man nannte das Ganze aber weiterhin „politische Rechte“ oder „Konservatismus“ – ein gelungener Etikettenschwindel erster Klasse.

Es folgte eine Art Liberalisierung der politischen deutschsprachigen Rechten (wirtschaftlich, sozialpolitisch, außenpolitisch), die sie von ihren eigenen, meiner Ansicht nach sogar von ihren stärksten Traditionslinien entfremdet hat. Diese Entfremdung aufzuheben bedeutet, die politische Rechte aus der Vereinnahmung durch liberalistische Kreise, die oftmals transatlantische Rückbindungen pflegen, zu befreien.

Wie können Rechte der neoliberalen Falle entgehen und warum sollen sie das?

Indem sie sich politisch gebildet, geistig souverän und weltanschaulich gefestigt auf Dasjenige besinnen, um was es hier im Kern geht: Um Familie, Volk, Heimatland, Kontinent. Und um die Schlüsselfrage, wie wir unsere vielgestaltigen Gemeinschaften im Zeitalter der Auflösung aller Dinge bewahren und besser machen können.

Ist das erstmal gegeben, prallen liberale Projektionen ebenso ab wie die Verlockungen transatlantischer Subordination. Aber all dies muss eben erstmal gegeben sein; eine Aufgabe insbesondere der politisch-theoretischen Wissensvermittlung und charakterlichen Ausbildung kommender Generationen. Es ist das Einfache, das schwer zu machen ist.

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Aus welchem Grund streben die USA die Vereinnahmung der Rechten durch neoliberale Strömungen an? 

Ich glaube nicht, dass „die USA“ etwas anstreben, was die Vereinnahmung der Rechten betrifft. Das machen die jeweiligen „Rechten“ schon von sich aus, freiwillig. Man darf die Wirkmacht der „Reeducation“ und „Self-Reeducation“, also der US-amerikanischen Umerziehung und der daran anschließenden Selbst-Umerziehung, nicht unterschätzen.

Die Mentalität vieler zeitgenössischer „Liberalkonservativer“ – und diese Herrschaften meinen Sie ja wohl, wenn Sie von vereinnahmten Rechten sprechen? – ist nicht deutsch, auch nicht (pan)europäisch, sondern protoamerikanisch. Sie können sich die Welt nur mit den USA als letzter Hegemonialkraft des Globus vorstellen. Jeder, der aus dem Trott der unipolaren Weltordnung ausschert, ist dann wahlweise Agent der Chinesen, Russen, Iraner etc.

Die Weltsicht ist sehr schwarz-weiß-getrieben. Mit allen Folgen, die wir im Diskurs der „LibKons“ und „Neocons“ tagtäglich sehen können. Zugespitzt: Es sind oftmals geistige Amerikaner deutscher Sprache, seltener indes tatsächlich eigenständige politische Akteure.

Sind die USA ein guter Partner für die europäische Rechte? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?

Partner für die „europäische Rechte“ (die ja wohl erst als politisches Subjekt entstehen müsste!) müssten meines Erachtens primär jene Staaten sein, die offen sind für eine multipolare und souveränistische Neuformulierung internationaler Beziehungen, die wiederum von gegenseitigem Respekt und Interessensanerkennung geprägt sein sollten. Sind die USA das derzeit? Wohl kaum.

Der kürzlich verstorbene Henry Kissinger kreierte das Bonmot: „Globalisierung ist nur ein anderes Wort für US-Herrschaft.“ Schematisierend wäre zu ergänzen: Aus globalisierungs- bzw. globalismuskritischer Sicht leitet sich daraus zwangsläufig die notwendige eigene geopolitische Positionierung ab. Jedenfalls dann, wenn man deutsche und europäische Interessen vertritt.

Dies ist zwingend, um in der kommenden Epoche einer „nicht-hegemonialen Weltstruktur mit rivalisierenden Machtzentren“ (Robert W. Cox) des 21. Jahrhunderts bestehen zu können. Vasallentum ist da wenig hilfreich, ja schadet sogar den elementaren Lebensinteressen unserer europäischen Völker.

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Warum ist der "Counter-Dschihad" aus deutscher Sicht eine nachteilige Strategie?

Der sogenannte „Counter-Dschihad“ lebt davon, komplexe politische, religiöse, identitäre und auch ökonomische Fragen pauschal zu negieren und alles auf die Konstruktion eines „Wir“ vs. „Islam“ zu reduzieren. Mit „Wir“ ist dann meist ein idealistisch konstruierter „freier Westen“ gemeint, mit „Islam“ alle Muslime ungeachtet ihrer Konfession, Ethnizität und etwaigen Religionsausübung.

Counter-Dschihad ist in der Regel also eine aggressive Verfallsideologie des Westextremismus, die global viel Unheil anrichten kann, indem sie Völker und Religionen, Staaten und Kulturen gegeneinander aufbringt, die im Rahmen souveräner Großraumordnungen friedlichen Handel, wissenschaftlichen Austausch, politische Kooperationen usf. betreiben sollten.

Ich betrachte den universalistischen, heilsreligiös aufgeladenen Counter-Dschihad letztlich als Spiegelbild des universalistisch, heilsreligiös aufgeladenen Wahhabismus (= islamischer Neofundamentalismus). Beides sind gewaltaffine Symptome multipler globaler Krisen, Fluchtpunkte für entwurzelte und sinnsuchende Individuen.

Max Krah eckte an durch die Feststellung, dass eine Zusammenarbeit mit der Türkei auf außenpolitischer Ebene, einem Vorgehen gegen die innenpolitischen Probleme mit türkischen Migranten nicht zuwiderläuft, sondern ein solches sogar bestärkt. Wie siehst du das?

Ich pflichte Krah bei. Selbstverständlich sollte ein souveränes Deutschland hervorragende Beziehungen zu einer souveränen Türkei pflegen. Unsere Länder verbindet viel. Das schließt gewiss nicht aus, die große Migrationsproblematik als essenzielle Herausforderung für unser Volk zu begreifen.

Aber auch hier würden die von Krah vorgeschlagenen Annäherungen ja helfen: Auf Augenhöhe verhandelt es sich besser. Vielleicht sind die „Deutsch-Türken“ von heute die kulturell, politisch und ökonomisch vermittelnde Brücke zwischen Berlin und Ankara von morgen.

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