Die Gedanken eines Proletariers

Klassenkampf von rechts: Warum die Arbeiter nicht nur 'Stimmvieh' sind

Meinung
Symbolbild: Freepik

"Klassenkampf" und "Proletariat" gelten seit jeher als "linke" Schlagworte. Dabei ist ein glaubwürdiger, sozialpatriotischer Ansatz das Um und Auf, wenn es darum geht, das Volk vor dem Zugriff der herrschenden Eliten auf ihre Lebensrealität zu schützen. Daher kommt ein Verrat an der Arbeiterklasse einem Ausverkauf des Souveräns an Globalisten und Großkonzerne gleich. Patriotische Parteien wären gut beraten, die Sündenfälle der Vergangenheit nicht zu wiederholen, meint Florian Meilinger, FPÖ-Kommunalpolitiker aus Oberösterreich.

Gastkommentar von Florian Meilinger

Nein, sie lesen wirklich einen Kommentar im Status und sind nicht auf "Indymedia" oder beim "Neuen Deutschland" gelandet. Und ja, Klassenkampf und Proletariat haben mit rechts mehr gemein als Turbokapitalismus und "bürgerlich liberal-konservativ". Denn wie sprach schon einst Hegel sinngemäß? - „ So lange Widerspruch, solange Wahrheit“. 

Politisch interessierte Jugend: Was tun? 

„Die herrschenden Ideen einer Zeit waren stets nur die Ideen der herrschenden Klasse.“

Widersprüche waren in meinem Leben oft vorhanden und sind noch bis heute fester Bestandteil meines Ichs. Als Sohn aus kleinbürgerlichem Elternhaus mit katholischer Prägung war bei uns Politik nie ein Streitthema oder gar ein Grund, in laute Diskussionen zu verfallen. Der Vater war ÖVP-Gemeindevorstand und Geschäftsstellenleiter einer örtlichen Bank und die Mutter war eine überzeugte Sozialdemokratin, welche heute noch von Kreisky und Palme schwärmt. Das Ganze lief in meiner Kindheit immer eher am Rande ab, denn wichtig waren die Ergebnisse des örtlichen Fußballvereins, sowie die Schulnoten des durchaus begabten, aber eher faulen Sohnemanns.

Die Schule durchlief ich somit eher schlecht als recht und im Großen und Ganzen waren alle froh, als dieses Theater vorbei war. Die Frage nach dem „Was willst du einmal werden?“ beantwortete ich voller Überzeugung mit „Fußballexperte“. Es kam also, wie es kommen musste, ich entschied mich für eine Lehre. Was ich lernte, ist nicht wichtig, weil es auch für diesen Artikel nicht wichtig ist und auch für mich zur damaligen Zeit nicht relevant war. Alles was ich wollte war, dass ich mein eigenes Geld verdiente und somit den wirklich „wichtigen Sachen im Leben“ genügend Zeit einräumen konnte. Zu diesen „wirklich wichtigen Sachen“ zählte natürlich – wen wundert's – Politik.

Gebrochene sozialpatriotische Versprechen

Aber was für Politik? Der mittlerweile verstorbene Vater hätte sich sicher gewünscht, dass es die JVP wird. Aber nein, das war mir wirklich schon damals zu bieder und zu kotzig. Ich war ja, so wie jeder Jugendlicher, ein Rebell und Rebellen die brauchen schon was schärferes. Das Problem – damals wie heute – war und ist, dass es nichts anderes gibt und somit ich die ersten Jugendjahren im ständigen umherschweifen zwischen Marxismus und Patriotismus verbrachte.

Sympathien für die FPÖ hatte ich schon immer. Als Jörg Haider 1999 die ganze Welt schockte und mit knapp 27% die „heilige“ ÖVP hinter sich ließ, war auch bei uns in der Schule ein großes Tamtam. Von „wir werden von Europa völlig isoliert sein“ bis zu „passt auf, was ihr sagt, das kann in Zukunft schlimm enden“ war so ziemlich jeder Bullshit-Satz dabei. Also ein perfektes Klima um sich mal so richtig politisch die Hörner abzustoßen. Somit wurde bei mir das Grundinteresse an Politik und FPÖ geweckt. Aber es sollte noch dauern...

Ich durfte somit als Lehrling die ÖVP-FPÖ-Regierung unter Kanzler Schüssel und Vizekanzlerin Riess-Passer (Jörg Haider war ja mittlerweile nur noch „einfaches Parteimitglied“) fußfrei aus der ersten Reihe der Arbeiterklasse beobachten. Was dann kam, beeinflusste mich ein Leben lang.

Ausverkauf unter "bürgerlicher" Regierung

Chaos, vollständiges Chaos. Gepaart mit dem Verkauf sämtlicher Wählerinteressen und einer Personalrochade, welche jedes Laufhaus in der Umgebung in den Schatten stellte. Von der Partei des kleinen Mannes“ war nur noch das „klein“ übrig geblieben. Das schlimmste war allerdings etwas anderes. Es war der Frust meiner Arbeitskollegen (alles 1999 FPÖ-Wähler). Der Verrat an der Arbeiterklasse und somit die Transformation zum Steigbügelhalter der Volkspartei und somit der Globalisten und Großkonzernen. Der Verrat an jenen Menschen, die wirklich daran glaubten, dass sich jetzt endlich etwas zum Positiven ändern würde.

Was bis 2006 folgte, war eine De-Facto-ÖVP-Alleinregierung mit freiheitlichem und später orangem Beiwagerl. Von der Pensionsreform bis zur Umfärbung der Polizei zur VP-Personalabteilung: Man winkte alles durch und änderte die Republik auf Jahrzehnte. Der Schaden war immens. Eine Enttäuschung in jeder Sache. Eine genauere Analyse des Scheiterns ist hier nicht notwendig - es wurde intern sowie extern alles analysiert, was es zu analysieren gibt. Die FPÖ war am Ende und somit auch der Traum einer "Partei des kleinen Mannes"!

Ungebrochener Tatendrang, etwas zu ändern

Ich war trotzdem töricht genug, 2004 in die Partei einzutreten und diesen ganzen Widersprüchen einen noch größeren Widerspruch zu geben. Ich wollte einfach aktiv werden, etwas machen und nicht dabei zusehen, wie unser Land zugrunde geht. Etwas anderes als die Partei gab es ja nicht. (Das ist ein anderes Thema).

Gut 19 Jahre und eine weitere (eher suboptimale) schwarz (türkis)-blaue Regierungszeit später, trank ich mit meinem alten Genossen und Arbeitskollegen ein Bier am Balkon. Es war Sommer 2023 und in Oberösterreich wurde ein LVT-Bericht gerade veröffentlicht, welcher aber gar nicht Thema werden sollte, denn wir haben uns in einen noch viel größeren Komplex hineinphilosophiert...

Ein Balkongespräch unter Arbeitern

Arnold: „Warum haben wir keinen richtigen Arbeiter in der Partei oben dabei? So einen wie den Ernst Thälmann früher bei den Kommunisten? Einen, der selbst ganz unten war und durch körperliche Arbeit sein eigenes Geld schwer verdiente? Der hat wenigstens gewusst, von was er gesprochen hat und ist kein Bonze geworden wie bei uns jetzt alle“

Ich: „Weil wir im Herzen sowieso immer schon eine Partei des Kapitals waren und das Thema „kleiner Mann“ erst seit Haider für den Populismus genützt wurde. Unseren „glorreichen Haider“, der heute noch seine Schatten auf alles wirft.

Arnold: „Sei dir Mal ehrlich, jedes Mal wenn wir in der Regierung waren, haben wir als erstes die Interessen unserer Stammwähler - der Arbeiterklasse - verkauft. Egal ob 12-Stunden-Tag oder irgendeine andere Sache, die am Ende immer nur den Konzernen oder den Oberen nutzte. Wir waren immer sofort zur Stelle, wenn es darum ging, der Industriellenvereinigung und der ÖVP in den Arsch zu kriechen und bei den Sozialleistungen kräftig einzusparen.“

Ich: „Ja, war immer so. Vielleicht war das eine Art Minderwertigkeitskomplex, der durch das Regieren mit den Schwarzen zum Stockholm-Syndrom wurde? Wenn wir uns ehrlich sind, ist die ÖVP ja die einzige Möglichkeit, welche uns Gestaltungsmöglichkeiten gibt. Die SPÖ will und kann nicht und eine Liste Wagenknecht gibt es bei uns genau so wenig wie in der BRD.“

Arnold: „Ja, wer liebt sie nicht? Sowieso eine der intelligentesten Persönlichkeiten. Nach uns beiden versteht sich.“

Ich: „Und glaubst du es würde sich was ändern, wenn es sie geben würde? Wir würden in 2 Jahren genau wieder über das selbe diskutieren.“

Arnold: „Ja, weil die Rechte es nicht ernst meint mit uns. Wir sind nur Stimmvieh und die „Deppen“, welche den Abgeordneten die Standl aufstellen und im heimischen Gemeinderat die Schuftarbeit machen dürfen! Mach ich eh gerne, aber wenn die wüssten wie viele Hackler bei uns in der Firma FPÖ wählen und sich seit Jahren immer weiter von den Sozis entfernt haben, dann würden die nicht mehr so einfach alles über den Haufen schmeißen!“

Ich: „Wir haben das Glück, dass die anderen Parteien zu ideologisch verblendet sind, um zu verstehen, dass der normale Hackler nie und nimmer mit diesen linken Gesellschaftstheorien zu fangen ist, deswegen kam es bei FP-Regierungen immer so, wie es kommen musste. Wir haben generell immer mehr schlecht als gut regiert im Bund. Ist halt so, wenn man mit der Cosa Nostra zusammenarbeiten muss und nie eine Ahnung hat, um was es wirklich geht. Weil das einzige Ziel immer nur Stimmenmaximierung und Posten waren. Aber irgendeinen Kompromiss musst du eingehen und das mit dem 12-Stunden-Tag ist ja nichts Blödes, da hat ja nur die SPÖ versucht, was schlechtes draus zu drehen. Bist ja selber a froh, wenn du schon am Donnerstag von der Montage heimkommst. Offiziell halt. Haha!“

Arnold: „Klar, des interessiert in diesen Zeiten niemanden, weil eigentlich eh jeder froh ist, wenn er arbeiten kann und nicht in die Kurzarbeit geschickt wird! Alles wird teurer und dann sollen wir nur 32 Stunden hackln. Wir haben jetzt schon zu wenig Zeit und Geld. Wie soll sich denn das ausgehen? Das ist sowieso immer nur wieder so ein Thema, was Leute diskutieren, die selber noch nie einen Bohrhammer in der Hand gehabt haben!“

Ich: „Ja, genau so ist es. Aber trotzdem hast recht!"

Arnold: „Schau, vo uns Arbeiter rennt keiner mit der Regenbogenfahne umher und unsere Kinder lassen sich nicht mit 12 die Genitalien entfernen und zum Mädel umoperieren. Wir führen noch alle ein normales Leben und sind immer die, die alles am Laufen halten!“

Ich: "Ja genau das ist der Punkt. Sei dir ehrlich, alles negative wurde nie von uns Arbeitern in die Welt gesetzt, sondern ständig nur von irgendwelchen Eliten, denen den ganzen Tag fad im Kopf ist. Und trotzdem: Sind wir in der Regierung, tun wir fast nichts für unsere Stammwähler und versuchen, dass wir ständig irgendwelche Phantomwähler umgarnen, welche uns sowieso in tausend Jahren nicht wählen. Familienbonus ist echt geil, aber was ist sonst gemacht worden?“

Arnold: “Nix. Und hätten wir Kickl nicht gehabt, wäre ein Knittelfeld 2.0 noch vorm Ibiza-Video gekommen. Wenigstens wissen wir jetzt, dass eine FPÖ ständig der Gefahr der linken Zivilgesellschaft ausgesetzt ist. Die da oben wissen das wahrscheinlich bis heute nicht.“

Ich: „Fix nicht.“

Arnold: „Man kann nur hoffen, dass in Zukunft wirklich mal was anständiges gemacht wird für uns, weil sonst kann mich die ganze Partei am A*sch lecken.

Ich: "Weißt was? Der ganze Klassenkampf, der hat eigentlich nie aufgehört. Die herrschende Klasse und die beherrschte Klasse. Das ist heute fast noch schlimmer als früher, nur sind es jetzt andere Hauptdarsteller."

Arnold: „Ja. Wer kam eigentlich auf die Idee, dass es konservativ ist, dem Kapital in den Allerwertesten zu kriechen? Es wird ja wohl wirklich niemand glauben, dass von denen jemals wer FPÖ wählen würde? Macht ja nicht mal der Stronach. Haha.“

Ich: „Ja die sind nicht blöd, das Kapital hat damals schon gewusst, dass die Arbeiter irgendwelche realitätsfremde Gesellschaftstheorien abschrecken und haben halt dann das Märchen erfunden, dass man als Konservativer brav seinem Herren bis zum Tode dienen muss.“

Arnold: „Fast so intelligent wie die Frauen der russischen Bourgeoisie, die heimlich an die KP spendeten und dann die ersten waren, die ins Gulag kamen. Haha.“

Ich: „Ja und wir von der FPÖ sind teilweise die nützlichsten Idioten in dem ganzen Spiel. In der Demokratiesimulation sind wir die Protestpartei von rechts und machen in der Opposition auf Revoluzzer. Die Leute erwarten sich von uns was Gscheites."

Arnold: „Ja, Klassenkampf von rechts, Reconquista und Remigration.“

Ich: „Hast du gut gesagt. Trinken wir noch ein Bier?“


Über den Autor:

Florian Meilinger (geb. 1985) lebt im malerischen Innviertel und ist Arbeiter, Familienvater und freiheitlicher Lokalpolitiker - und das ausgerechnet in Oberösterreich, wo die Landesparteispitze zum Leidwesen vieler bodenständiger Funktionäre an der Basis mit einem "bürgerlich liberal-konservativen" Profil hausieren geht. Zu den Interessen des leidenschaftlichen "Don Camillo und Peppone"-Fans gehören Sport, Geschichte und Podcasts. Folgt ihm auch auf Twitter/X!


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