Übersetzungspanne bei Faktenfinder

Sprengstoff in Pflanzenform: Staatsfunk blamiert sich mit Nordstream-Dementi

Medien
Symbolbilder (3): Freepik; ARD-Gebäude: Berlinautor, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0; Komposition: Der Status

Dass der renommierte US-Aufdecker-Journalist Seymour Hersh einen detaillierten Bericht veröffentliche, in dem er starke Argumente dafür vorlegt, dass die USA mithilfe Norwegens die Nordstream-Pipelines gesprengt hätten, passt den Systemmedien gar nicht in den Kram. Beim Versuch, den Enthüllungsbericht abzukanzeln, unterlief dem ARD-"Faktenfinder" dabei eine Panne, die an Realsatire erinnerte. Denn man übersetzte eine Passage falsch, um dann gegen diese Fehlübersetzung zu argumentieren.

Faktenchecker faseln von pflanzenförmiger Bombe

Offenbar denkt man beim Staatsfunk schon dermaßen "grün", dass man jede Formulierung auf pflanzenbasierte Elemente reduzieren muss. Bei der Übersetzungspanne geht es konkret um eine Stelle, in welcher Hersh darlegte, dass die USA sogenannte "Hohlladungen" mit Betonverkleidungen platzieren ließen. Oder in der Originalsprache: "...and plant shaped charges on the four pipeplines with concrete covers". Der Faktenfinder übersetzte dies als "pflanzenförmigen Sprengstoff" und befragte in der Folge sogar einen Experten dazu, ohne diesem allerdings den vollen Kontext vorzulegen. 

Mit der verwunderlichen, vermeintlichen Beschreibung konfrontiert, konnte dieser freilich gar nicht anders, als die Vorstellung von "pflanzenförmigem Sprengstoff" als "abenteuerlich" zu deklarieren und dies auch noch detailliert fachlich zu begründen und mit einem Kalauer zu garnieren. Der "Faktenfinder" übernahm diese Einschätzung unkritisch glaubte fortan, einer großen Sache auf der Spur zu sein. Genüsslich schlachtete man diese Info über drei Absätze hinweg aus und glaubte somit, Hersh der Falschinformation überführt zu haben.

Darüber hinaus nannte man noch den Umstand, dass nur drei von vier Pipelines gesprengt wurden als vermeintlichen Gegenbeleg - dabei hatte Hersh dies in seinem Text sogar mit einem Blindgänger glaubwürdig dargelegt.

Befragter Experte entschuldigt sich für Fauxpas

Nachdem sich die peinliche Panne herauskristallisierte, änderte die Tagesschau ihren "Faktencheck" klammheimlich ab und informierte darüber am Ende des Textes in Form eines kurzen Bearbeitungshinweises. Der befragte Experte hingegen ging viel transparenter damit um. Er erklärte die Art und Weise, wie man ihn mit der durch die Falschübersetzung entstandenen Fehlinfo versorgte - und wie seine entsprechende Einschätzung zustande kam. Er entschuldigte sich vollumfänglich und gab denjenigen, die ihm in der Folge höchst verwunderte Mails schrieben, recht. Er räumte auch ein, dass ihm dies spätestens bei der Kombination der Originalwörter hätte klar werden müssen. 

Verließ sich Staatsfunk auf Google-Übersetzung?

So weit, so gut: Aber wie konnte dieser Übersetzungsfehler überhaupt passieren? Denn bei Durchsicht des Originalkontextes hätte klar sein müssen, dass Hersh das Verb "to plant" (platzieren) sowie "shaped charges" (Hohlladungen) verwendete - und nicht etwa von "plant-shaped charges" (Sprengstoff in Pflanzenform) sprach. Jeder ordentliche Übersetzer, der seinen Beruf nicht völlig verfehlt hat, hätte den Fehler erkannt. Auch viele Bürger, die nur ein "angerostetes Schulenglisch" in ihrem Lebenslauf haben, hätten Verb und Substantiv voneinander trennen können. 

Also schien klar: Hier wurde maschinell übersetzt. Doch selbst in diesem Fall stellt sich heraus: Mit der gängigen Übersetzungs-Software "DeepL", die übrigens auch in einer kostenlosen Variante verfügbar ist, wäre dies nicht passiert. Diese übersetzt die Stelle nämlich völlig korrekt: 

Ein Nutzer glaubt, des Rätsels Lösung gefunden zu haben: Die Google-Übersetzung führt anscheinend tatsächlich zu einem solchen Fehler. Offenbar verwenden verdienende Tagesschau-Redakteure "Google Translate" um damit eine veritable Journalisten-Legende irrtümlich anzupatzen.

Netz spottet über peinlichen Fehler

Entsprechend groß war der Spott der Twitter-Nutzer, welche sich vor allem auch zurecht fragen: Ist das der "qualitativ hochwertige" Journalismus, für dessen Wahrung es angeblich notwendig sei, ständig teurere Zwangsgebühren zu bezahlen? 

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