Orwell lässt grüßen

Kritik an Moderatorin: SRF fordert Schweizer zu Kommentar-Zensur auf

Medien
SRF-Gebäude: Roland zh, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0; Screenshot: Twitter/X; Komposition: Der Status.

Stellt euch folgende Situation vor: Ihr kritisiert das Auftreten einer Nachrichtensprecherin im de facto öffentlich-rechtlichen Rundfunk eures Landes. Plötzlich flattert eine Woche später zu nachtschlafender Zeit ein Schreiben des Senders in euer E-Mail-Postfach. Darin werdet ihr aufgefordert, die Äußerungen anderer Kommentatoren unter eurem Beitrag zu zensieren, weil diese der mit dem Charakter eines Staatsfunks agierende Medienanstalt nicht in den Kram passen. Was sich anhört wie in einem dystopischen Orwell-Roman, ist Realität - und ist so ausgerechnet in der Schweiz passiert.

Auftreten von Moderatorin als Auslöser

Der kritische Journalist & Medienmacher Michael Z., der X-Gemeinde besser unter seinem Kontonamen "Storymakers" bekannt, nimmt sich kein Blatt vor den Mund - und kritisiert politische und gesellschaftliche Fehlentwicklungen. Etliche seiner Beiträge beschäftigten sich etwa kritisch mit dem Corona-Regime in ganz Europa. Auch medienkritische Äußerungen kommen regelmäßig vor. Mittlerweile verfügt der Schweizer über mehr als 36.000 Follower auf Twitter - viele von ihnen sind ebenso kritisch gegenüber dem Zeitgeist. Dies nutzt der öffentlich-rechtliche SRF nun für einen Zensur-Aufruf. 

Stein des Anstoßes ist ein scheinbar völlig harmloser Beitrag. Der Nutzer teilte ein Bild der SRF-Moderatorin Angelique Beldner in der "Tagesschau am Mittag" mit übergroßem Blumendekor am Revers. Dazu schrieb er ironisch: "Liebes SRF: In einer Nachrichtensendung trägt man nichts, was vom Inhalt der Nachrichten ablenkt. Wie wäre es zusätzlich zum Blumendekor mit einem Sonnenhut und Papageien-Federn?"

SRF fordert Nutzer zu Kommentar-Zensur auf

Darunter kommentierten weitere Nutzer kritisch. Einige von ihnen thematisierten dabei auch den sichtbaren Migrationshintergrund der Frau, die sich einst beschwerte, dass der Sender ursprünglich angeblich wegen ihrer Hautfarbe gezögert hätte, sie anzustellen. Für den geläuterten SRF ist das Ansprechen der fremden Wurzeln offenbar bereits zu viel. Schon unter dem Beitrag meinte der SRF-Account: "Mode ist Geschmackssache, darüber kann man diskutieren - über die Kommentare unter deinem Post allerdings nicht." Darauf hinterfragte Z. richtigerweise, was er mit anderen Kommentaren zu tun habe. Und normalerweise würde man meinen, damit wäre die Posse ausgestanden. 

Weit gefehlt: Am späten Dienstagabend um 22:10 Uhr erreichte ihn ein Schreiben des Senders. Der Inhalt lässt tief blicken: "Ihr Post hat einige Kommentare ausgelöst, darunter auch Äußerungen, die eine qualifizierte Journalistin auf ihre Bekleidung, ihr Äußeres sowie eine vermeintliche Herkunft reduziert. Teilweise erachten wir die Kommentare als rassistisch. Sie verstehen sicher, dass SRF solche Bemerkungen nicht toleriert. Deshalb fordern wir Sie auf, diese Kommentare unter Ihrem Post (Liste im Anhang) zu verbergen. Mit dem Verbergen der Posts helfen Sie mit, dass u.a. qualitative Diskriminierungen, denen Frauen leider immer noch ausgesetzt sind, nicht weiterverbreitet werden."

Befremdliche Schnüffelei des Staatsfunks

Besonders absurd: Man thematisiert Kommentare, die Z. laut eigenen Angaben bereits am 23. April aus eigenem Antrieb ausblendete. Der Status liegt die Korrespondenz vor, daraus ergibt sich: Selbst diese bewegen sich eigentlich im Rahmen der Meinungsfreiheit. Das übergriffige SRF-Schreiben hinterlässt beim freiheitsliebenden Bürger der eigentlich für funktionierende demokratische Parameter bekannten Schweiz jedenfalls Kopfschütteln: "Das muss man sich mal vorstellen: Ich werde von einem öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen aufgefordert, Kommentare zu zensieren. Nicht etwa auf der eigenen Homepage, sondern bei 'X'."

Allerdings kann sich Z. auch einen humorvollen Seitenhieb auf den De-Facto-Staatsfunk nicht verkneifen: "Aber natürlich freut es mich auch im Namen von 36.446 Followern, dass der SRF und Tristan Brenn [SRF-Chefredaktor, Anm. d. Red.] meine Tweets nicht nur lesen, sondern sogar deren Kommentare für so relevant halten, dass sie um 22:10 Uhr die hauseigene Rechtsabteilung damit befassen." Etwas später legte er noch nach: "Werden Sie jetzt sämtliche Kommentare, Retweets und Likes meiner Tweets zensieren wollen, wenn Ihnen diese nicht gefallen?" Im Antwortschreiben wies er den Rassismusvorwurf zurück und kritisierte die Argumentation mit mutmaßlich manipulierten Screenshots.

Zusammenhang mit Volksabstimmung?

Dass der Staatsfunk so verschnupft reagiert, ist für Z. kein Zufall: Denn in der Schweiz wurde die sogenannte "Halbierungsinitiative" erfolgreich eingebracht. Diese hat zum Ziel, die Zwangsgebühr für den SRF, die eine der höchsten in ganz Europa ist, zu halbieren. Umfragen deuteten bereits im Herbst an, dass eine Mehrheit der Schweizer dem Vorhaben aufgeschlossen gegenüber steht und dem (nur auf dem Papier privatrechtlichen) Staatsfunk den Geldhahn (teilweise) zudrehen will. Bislang steht allerdings noch kein Datum für die Volksabstimmung fest, womöglich findet das Referendum sogar erst 2026 statt. 

Auch vermutet Z. einen Zusammenhang damit, dass er zuletzt mehrfach SRF-Chefredaktor Brenn wegen inhaltlicher Versäumnisse kritisierte; etwa, weil die freigeklagten RKI-Protokolle kein Thema in der SRF-Berichterstattung waren. Zudem wächst die mediale Kritik am umstrittenen Staatsfunk-Boss. Dennoch macht die Rechtsabteilung von Z.s Firma dem SRF ein Angebot: "Auch wenn 'Fake News' und Manipulation von Inhaklten bei SRF inzwischen zum gewöhnlichen Repertoire zu zählen scheint [...] laden wir Sie höflichst ein, den Inhalt Ihres Schreibs faktenbasiert zu berichtigen und uns dieses mit entschuldigendem Charakter erneut vorzulegen."

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