Top-Ökonom Bachheimer: Entdollarisierung ist 'Revolution in der Wirtschaftsgeschichte'
Der jüngste BRICS-Gipfel stellt eine regelrechte Zeitenwende dar: Weg von der "Weltpolizei USA", hin zu einer multipolaren Welt. Beeindruckend ist dabei der Plan einer Entdollarisierung, die angesichts der Wirtschaftskraft des aufstrebenden Bündnisses hohe Erfolgschancen hat. Als einziger Österreicher war Thomas Bachheimer, der Chefökonom von "Goldvorsorge.at", beim Treffen in Johannesburg (Südafrika). Im "Der Status"-Interview schildert mittlerweile in Dubai lebende Experte seine Eindrücke und erklärt, warum die Abkehr von der bisherigen Weltordnung einer "Revolution in der Wirtschaftsgeschichte" gleichkommt und wie sich Europa in dieser Gemengelage behaupten kann.
Der Status: Sehr geehrter Herr Bachheimer, Sie waren als einziger Österreicher beim BRICS-Gipfel vor Ort. Was sind Ihre wichtigsten Erkenntnisse bezüglich einer neuen Währungsunion des BRICS-Bündnisses?
Bachheimer: Die wohl wichtigste Erkenntnis war, dass es NOCH keine Währungsunion gibt. Es war im Vorfeld zwar damit gerechnet worden, dass die Staaten eine BRICS-interne Settlement-Währung für die internationalen Handel zwischen den BRICS-Staaten bekannt geben würden, das war aber nicht der Fall. Vielmehr hat man mehrfach bestätigt, dass man den USD weniger verwenden und mehr auf die eigenen Währungen setzen würde. Einige der Staatschefs (insgesamt waren über 60 Staatschefs vor Ort) haben aber das Wort „Ent-Dollarisierung“in den Mund genommen. Das heißt: Trotz vorerst keiner eigenen Währung wurde dem USD der Kampf angesagt.
Dazu brauchen die Staaten aber eine gemeinsame Settlement-Währung, da die nationalen Währungen sämtlicher BRICS-Staaten allesamt international langfristig nicht einsetzbar sind. Keine einzige der R-Währungen (Brasilianischer Real, Russischer Rubel, Indische Rupie, Chinesischer Renminbi/Yuan und Südafrikanischer Rand) hat die Finanzarchitektur hinter sich um eine derartige geldpolitische Herkulesaufgabe zu stemmen. Meine Vermutung: die sind mit der Konstruktion der Währung noch nicht fertig geworden und arbeiten mit Hochdruck daran.
Erkennbar ist das daran, dass die "New Development Bank" in den Mittelpunkt des Interesses gestellt wurde. Diese wurde 2013 gegründet und hart ihren Sitz in Schanghai und sie wird - ähnlich der EZB - als internationale Zentralbank für den Staatenbund agieren.
Der Status: Was waren Ihre spannendsten Beobachtungen vor Ort?
Die wohl spannendste Beobachtung ist wohl die Tatsache, dass sich mit BRICS, seinen neuen Mitgliedern und seinen Aspiranten eine politische Gruppe entwickelt hat, die mehr als 60 % der Weltbevölkerung und bald mehr als 50 % des weltweiten Bruttoinlandsprodukts hinter sich wähnt und mit einer Stimme spricht - zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte. Die bisherige, selbsternannte Weltpolitzei USA mit 4 % der Menschen und die NATO (insgesamt 13 %) haben ja bis dato fast im Alleingang bestimmt; Was "richtig" und was "falsch" ist; wer "gut" und wer "böse" ist und welche Werte global die "richtigen" sind.
Die USA, die NATO und die "westliche Wertegemeinschaft" werden wohl ihre Alleinherrschaft in Sachen „World Governance“ aufgeben müssen. Allein die Fakten (Einwohner und Wirtschaftsleistung sowie Wirtschaftswachstum) sprechen für sich und die Welt wird von nun an im multipolaren Dialog vorangebracht werden. Was auch durch die Tatsache untermauert wurde, das UNO-Generalsekretär Guterres anwesend war und diese neue Multipolarität ausdrücklich begrüßt hatte.
Der Status: Auf unsere Kontinent hingegen sind die Rohstoffe knapp und wir schlittern in ein Energie-Problem. Wie soll sich Europa da überhaupt in der Welt behaupten?
Das wichtigste wird wohl sein, dass die Europäer ihre demokratischen Möglichkeiten ernster nehmen und diese auch wahren. Mit der Wahl ideologisierter 20 bis30-jähriger Visionäre, die wissenschaftliche nicht beweisbare Bedrohungen ins Zentrum der Politik stellen und diese auf mit nicht mit budgetären Mitteln finanzierbaren Maßnahmen setzen, die noch dazu mit starken Einschränkungen der persönlichen Freiheit einhergehen, wird Europa kaum den Herausforderungen gewachsen sein.
Darüber hinaus wäre man gut beraten, mit der neuen internationalen Welt- und Wirtschaftsmacht ein freundschaftlich positives Verhältnis aufzubauen. Die haben ihre Türen weit geöffnet, zumal sie uns ja auch als Kunden für die von Ihnen produzierten Rohstoffe und Güter brauchen. Die Abgrenzungspolitik zu Energie- und rohstoffreichen Staaten aus ideologischen Gründen MUSS und WIRD auch ein Ende finden. Beschleunigen kann man dies jedoch nur an der Wahlurne.
Der Status: Was sind die Folgen der Entdollarisierung - und ab wann ist damit zu rechnen?
Die USA haben lange Schindluder mit ihrem Privileg der Welt-Reservewährung getrieben. Daher gab es schon immer zaghafte Versuche, zu entdollarisieren - diese wurden aber stets schnell im Keim erstickt. Mit dem neuen Selbstbewusstsein der Entwicklungsländer - nicht zuletzt durch das Entstehen der BRICS Staaten - ist die Entdollarisierung indes die letzten Jahre zügig vorangeschritten und nimmt seit dem Einfrieren der russischen Zentralbankenbestände ordentlich Fahrt auf. Dies zeigt sich, dass die Anteile des US-Dollar als Settlement-Währung als auch an den insgesamt global gehaltenen Währungsreserven stark zurückgegangen ist.
Das heißt, dass die Nachfrage nach dem USD zurückgeht. Und wenn die Nachfrage nach einem „Gut“ - oder hier „Geld“ - zurückgeht, sinkt auch dessen Preis. Das heißt: für US-Dollar-Halter und Euro-Halter (der Euro ist ja stark mit dem USD verwoben) werden viele (Import-)Produkte wesentlich teuer. Noch dazu kommen viele nicht gebrauchte US-Dollar aus dem Ausland zurück in die USA - stark vereinfacht ausgedrückt -was massive Preisschübe nach sich ziehen könnte.
Auf der Meta-Ebene bedeutet diese Entdollarisierung nichts anderes, als dass nach 60 Jahren, in denen die Käufer und Kunden von Rohstoffen den Preis, die Abrechnungsform und die Settlement-Währung bestimmt haben, nun die Verkäufer das Heft an sich gerissen haben und bestimmen werden in welcher Form und mit welchem Geld der internationale Handel gezettelt wird. Und wenn Produzenten bestimmen, wird das wohl kaum mit - so wie bisher gebräuchlich - beliebig vermeidbarem "Fantasiegeld" geschehen, sondern mit wie auch immer gedecktem Geld! Das ist nicht weniger als eine Revolution in der Wirtschaftsgeschichte!
Der Status: Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person: Thomas Bachheimer ist Chefökonom von Goldvorsorge.at und Herausgeber von bachheimer.com. Er hat sein Leben entsprechend seines Mottos „thinking outside the box“ der Aufklärung über die geldpolitischen Verhältnisse verschrieben. Seit einem Jahr lebt und arbeitet Bachheimer in Dubai. Er war als einziger Österreicher bei der BRICS-Konferenz in Johannesburg (Südafrika).
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