Realitätsverweigerung im Proporz

Realsatire: SPÖ & ÖVP sehen sich nach Wahl-Schlappe auf Überholspur

Politik
Nehammer: European People's Party, Flickr, CC BY 2.0; Babler: SPÖ/David Višnjić, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0; Komposition: Der Status.

ÖVP & SPÖ fuhren beide ihr schlechtestes Ergebnis aller Zeiten bei EU-Wahlen ein. Die Kanzlerpartei verlor fast jede dritte Stimme, bei den roten Genossen bleibt der "Babler-Effekt" weiter aus. Trotzdem sehen sich die beiden Parteien der ehemaligen "großen Koalition", die zusammen nicht einmal mehr die Hälfte des Volkes hinter sich wissen, in der Pole-Position für einen Angriff auf den Wahlsieg im Herbst. Der Krug geht eben so lange zum Brunnen, bis er bricht...

FPÖ-Wahlsieg: Denkzettel für Rot-Schwarz

Zwar wurde es beim Endergebnis doch noch knapper, als die erste Trendprognose vermuten ließ - doch dies kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die FPÖ einen fulminanten Wahlsieg einfahren konnte. Erstmals kam sie bei Bundeswahlen auf den ersten Platz - und das bei der EU-Wahl, die für sie traditionell ein schweres Pflaster ist. Künftig sitzt man in Brüssel bzw. Straßburg mit doppelt so vielen Mandaten wie bisher im EU-Parlament. Und betrachtet man die deutlich höheren Umfragen für die Nationalratswahl, ist alles für einen weiteren politischen Erdrutsch im Herbst angerichtet.

Ganz anders bei der Nehammer-ÖVP: Noch vor fünf Jahren hatte sie mit 34,6% mehr als doppelt so viele Stimmen wie die FPÖ - und schaffte es, den damaligen Vorsprung von 17,4% in einen Rückstand zu verwandeln. Und das, obwohl die Volkspartei sich lange als "Europapartei" gefiel und auf EU-Ebene häufig besser abschnitt als bei Nationalratswahlen. Mit Ach und Krach blieb die ÖVP vor der SPÖ, die ebenfalls auf der Stelle tritt. Dass beide Parteien bei den Selbstmord-Sanktionen, bei der Corona-Gängelung und beim Asyl-Versagen - anders als die FPÖ - eine Einheitsfront mit Grünen & NEOS bildete, bestrafte der Wähler mit einem Denkzettel, der sich gewaschen hat.

Erwartungslose ÖVP verdreht Ergebnis

Doch bei den beiden Ex-Großparteien erkennt man die Zeichen der Zeit nicht. Der Wiener ÖVP-Landeschef Karl Mahrer verdreht jede Realität und sieht seine Partei als heimlichen Wahlsieger: "Die FPÖ ist [...] unter den Erwartungen geblieben. Wir als Volkspartei haben die Erwartungen übertroffen. Und wir werden jetzt darum kämpfen, den mehr als knappen Abstand zur FPÖ für die alles entscheidende Nationalratswahl aufzuholen." Der Politiker jener Partei, welche die höchste Inflation in Westeuropa verantwortete, bedankte sich dafür, dass die Wähler sich für einen "stärkeren Wirtschaftsstandort" sowie "mehr Sicherheit" entschieden hätten.

Er sieht die gebeutelte ÖVP gar auf der Überholspur: "Ab sofort startet das Duell um Platz 1 für die Nationalratswahl. Denn der Vergleich zu Träumern aus der linken und der rechten Ecke macht uns sicher: Karl Nehammer muss Bundeskanzler der Republik Österreich bleiben." Mit ähnlicher Rhetorik hatte es am späten Sonntagabend der umstrittene ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker im ORF probiert. Auch der ÖVP-Bauernbund wähnte seine Partei im ländlichen Raum als starke Kraft. Dabei büßte man z.B. im Heimatort von ÖVP-Klubchef August Wöginger satte 16,3% ein, der schwarze Vorsprung auf die FPÖ schrumpfte dort von 32,7% auf mickrige 14 Stimmen (bzw. 2,39%)

Kleine Brötchen - aber SPÖ sieht sich als Meisterbäcker

Was nicht passt, wird passend gemacht: So lautet die Devise auch bei der SPÖ. Deren Bundesgeschäftsführer Philip Kucher ließ verlauten: "Jetzt startet ein offener Dreikampf für die Nationalratswahl. Die Aufholjagd geht für uns ungebremst weiter. Ich bin zuversichtlich, diese Aufholjagd jetzt auf den Boden zu bringen und dass wir gut mobilisieren werden." Babler wiederum redete die Wahlklatsche klein: Die Themenlage bei der EU-Wahl hätten eben "rechtspopulistische Parteien besser für sich nutzen können". Das Rezept gegen Kickl & die FPÖ? Selber stünde man für "Herz und Hirn", während mit der FPÖ "alles mit Hass und Hetze niedergebrannt" würde. Klingt ja überzeugend...

Babler ätzte zudem darüber, dass sich die FPÖ nicht am Klima-Wahnsinn beteiligt und schwang seine eigene Partei zum Heilsbringer auf: "Wir sind das Bollwerk, um unsere stolze demokratische Republik zu schützen. Wir sind überzeugt, dass wir als Erster über die Ziellinie gehen werden." In Wahrheit ist man von den Höhen vergangener Zeiten ungefähr so weit weg wie San Marino vom Gewinn der Fußball-WM. Aber inzwischen gibt man sich ohnehin schon mit kleineren Brötchen zufrieden: In ihrer absoluten Hochburg Wien freut sich die SPÖ mittlerweile sogar schon über "knapp 30%" der Stimmen. Kreisky würde sich wohl für die Geisteshaltung seiner Nach-Nachfolger schämen.

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