Nicht in neoliberale Falle tappen

Politikwissenschaftler zu Wagenknecht-Partei: Warum die AfD nicht zittern muss

Politik
Wagenknecht: Ferran Cornellà, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons; Kaiser: Jungeuropa

Nun ist laut Bildzeitung sicher, was die Spatzen bereits seit Monaten von den Dächern pfiffen: Sahra Wagenknecht gründet ihre eigene Partei. Und will damit bereits im Herbst loslegen. Das Establishment erfreut sich bereits der Chance, die AfD damit zu schwächen. Doch diese Chose kann nur aufgehen, wenn sich die AfD entgegen ihrer eigenen Wähler positioniert. Tappt sie nicht in diese Falle, droht Wagenknecht selbst zu stolpern. Der Politikwissenschaftler Benedikt Kaiser analysierte, welche Chancen die AfD angesichts der sozialpopulistischen Konkurrenz hat. Er zeigt auf: Wagenknechts großes Problem wird das Migrationsthema.

Satte 25% rechnet das System bereits jetzt der neuen Wagenknecht-Partei zu. Sie würde von ihrer Vorgängerpartei, der Linken profitieren, aber stärker noch von der AfD. So zumindest der Tenor. Ob es sich hierbei um Wunsch oder Wahrheit handelt, das soll die AfD jedoch selbst in der Hand haben. Der Politikwissenschaftler Benedikt Kaiser analysierte die Chancen und Schwierigkeiten, die sich nun für die AfD bieten.

Solidarität ist rechtes Thema, AfD-Thema

Die neue Wagenknechtpartei wird vor allem in wirtschaftspolitischer Sicht zur Herausforderung für die AfD. Ihre Wählerschaft ist sozioökonomisch vor allem in der Arbeiter- und Angestelltenschicht zu finden. Und genau das ist das Potenzial, das Wagenknecht von den Blauen nun abwerben möchte. Um das zu verhindern, so Kaiser, müsse sich die AfD in einer starken Sozialpolitik behaupten: "Ein Grund zur Unruhe unter AfD-Verantwortlichen? Nein. Ein Grund zur Profilschärfung. Bereits in „Blick nach links“ (2019) legte ich dar, dass Linkspopulisten nur jenen Raum besetzen können, denen man ihnen lässt. Solidarität und Identität als Fundamente sind rechte Themen, sind AfD-Themen."

Vulgärliberale Parolen wären größter Fehler

Sich aus Trotz neoliberal zu positionieren, würde die AfD jedoch um ihre Wählerschaft bringen. Und Wagenknecht für soziale Positionen anzugreifen, wäre ein riesiger Fehler, erklärt der Politikwissenschafter: "Der größte und irreparable Fehler wäre es, Wagenknecht für ihre Sozial- und Wirtschaftspolitik anzugreifen und vulgärliberale Parolen zu nutzen ('Die ist doch immer noch Kommunistin!', 'Die will keinen freien Markt, die kommt aus der DDR!' usw.). Denn hier gibt es eine sehr große Überschneidung zwischen potentiellen AfD- und Wagenknechtwählern."

Stattdessen sei es höchste Zeit für die AfD, ihr Profil in sozialpolitischer Sicht zu schärfen und konkrete Konzepte auszuarbeiten: "Die AfD muss stetig besser und kohärenter werden, authentische Volksopposition abbilden, Migration als ihr Hauptthema beackern und sozialpolitisch endlich „Kalkar“ fortschreiben (Was ist seit dem Rentenparteitag 2021 denn noch auf diesem Feld passiert? Nicht viel.). Das ist unabhängig von Wagenknecht die Aufgabe."

Thema Migration: Darüber wird Wagenknecht stolpern

Ihre vernünftigen Positionen zur Migration äußerte Wagenknecht mitunter in ihrem Anti-Woke-Pamphlet "Die Selbstgerechten". Auch sonst fiel Wagenknecht besonders für eine Linke durch ihre Kritik an den Folgen der Überfremdung auf. Doch diese Kritik werde sie in der neuen Partei nicht halten können, analysiert Benedikt Kaiser. "Man muss ihre Migrationskritik stellen. Ihre in Büchern dargelegte Ablehnung der Massenmigration und ihre Erkenntnisse bezüglich Vertrauensverluste und mehr Unsicherheiten und mehr Lohndumping durch mehr Multikulti sind allesamt richtig. Aber: Sie wird das nicht konsequent betreiben können, sonst verliert sie ihr (alt)linkes Unterstützerumfeld beim Parteiaufbau. Ohne diese Leute kann sie aber nicht viel, denn sie selbst ist weder fähig, eine Partei aufzubauen, noch die Mühen der Ebenen zu bespielen. "

Koalitionsperspektive im Osten

Bleibt die AfD also - und davon kann man ausgehen - konsequent in ihrem Hauptthema Migration und lässt sich nicht ins neoliberale Eck abdrängen, so muss sie sich vor der neuen Wagenknecht-Partei nicht fürchten. Viel mehr sollte sie die neue Konkurrenz durch die schöne Iranerin als Chance begreifen. "Konkurrenz belebt das Geschäft", heißt es und das soll auch in der Politik funktionieren. Wagenknecht wird voraussichtlich, als "ideelle Ostdeutsche" die AfD-Wähler im Osten mit folgenden Themen ansprechen: "Ausgleich mit Russland, Fokus auf soziale Gerechtigkeit, angemessene Konzernbesteuerung, Würdigung der Ost-Lebensläufe, Migrationskritik, Anti-Grünen-Impulse." Gelingt es der AfD dennoch, ihre Stärke beizubehalten, so kann der Konkurrent letztlich zum Partner werden: Denn spätestens nach erfolgreich geschlagenen Wahlen wird sich die Koalitionsfrage stellen. Eine AfD-Koalition mit der Wagenknecht-Partei würde so vor allem von der Wählerschaft im Osten begrüßt und hätte in wichtigen Kernfragen gute Schnittmengen für eine Regierungszusammenarbeit.

+++ Folgt uns auf Telegram: t.me/DerStatus & auf Twitter/X: @derStatus_at +++

Dir gefällt unsere Arbeit? Unterstütze uns jetzt mit deiner Spende, damit wir weiterhin berichten können!

Kontoinhaber: JJMB Media GmbH
IBAN: AT03 1500 0043 9102 6418
BIC: OBKLAT2L
Verwendungszweck: Spende

Weitere Artikel, die Sie interessieren könnten