Diplomatie ist böse: EU-Bonzen nach Orban-Friedensmission stinksauer
Die Reisetätigkeit des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban wurde von den EU-Bonzen wenig guotiert. Dass der Ungar in Kiew den dortigen Machthaber Selenski besuchte, wurde zwar noch begrüßt. Doch, dass die Reise ihn dann aber weiter nach Russland und China führte - zu einer Friedensmission, wie Orban erklärte - sorgte für Panik in Brüssel. Nun werden Forderungen laut, Ungarn den EU-Ratsvorsitz wieder zu entziehen. Zugleich rechtfertigt Orban angeblich in einem Brief seine Reisen.
Friedensmission? Was erlaubt sich dieser Orban...
Zuerst Kiew, dann Moskau und jetzt sogar noch Peking: Die letzten Reisen des ungarischen Regierungschefs und derzeitigen EU-Ratsvorsitzenden Viktor Orban sorgen in der EU für blankes Entsetzen. Die von Orban als Friedensmission bezeichneten Besuche riefen sofort EU-Politiker und andere Regierungschefs auf den Plan, die diese kritisierten und wie der vorherige EU-Ratspräsident, der belgische Politiker Charles Michel darauf hinwiesen, dass es keinerlei Mandat für die rotierende EU-Präsidentschaft gebe, mit Russland in Kontakt zu treten.
Zugleich wurden auch Stimmen laut, die forderten, wieder passend zu machen, was derzeit nicht passt, denn es könne nicht sein, dass Orban derartige Eigeninitiativen entwickle. Daher müssten entsprechende Schritte gesetzt werden, so der Tenor jener Musterdemokraten, die immer dann auf undemokratische Ideen kommen, wenn jemand aus der gleichgeschalteten Unterordnung unter den "Werte-Westen" ausschert. Und in dessen Agenda ist ein Ende des Töten in Osteuropa eben nicht so schnell vorgesehen...
Forderung nach Entzug der Ratspräsidentschaft
So wird, berichtet die Süddeutsche Zeitung, beim nächsten Treffen der 27 EU-Botschafter an Kritik mit Ungarn nicht gespart werden. Für möglich gehalten wird dabei auch, dass einige Länder bzw. deren Regierungen einen Entzug der EU-Ratspräsidentschaft ansprechen oder fordern könnten. Denn eben gerade die Transatlantiker in der EU fühlen sich von Orban auf den Schlips getreten.
Denn dem ungarischen Regierungschef wird angekreidet, dass er nach seinem Besuch in der Ukraine nach Russland und dann zu dessen wichtigsten Verbündeten gereist sei, um über die Konflikt in der Ukraine zu sprechen "und danach erst zu den NATO-Partnern, die sich diese Woche in Washington zu einem Gipfel treffen, sei ein 'fatales Signal'", zitiert die SZ. Zudem stünden auch einige Dinge, die Orban bei seinen Reisen erklärte in völligem Widerspruch zu EU-Entscheidungen.
Ukrainische und russische Position verstehen
Zeitgleich zu der Diskussion in Brüssel und der EU dürfte Orban einen Brief an die EU-Staats- und Regierungschefs versandt haben, in dem er seine Eindrücke aber auch die Intention zu seinen Reisen näher erläutert. Dies berichten zumindest die Kyiv Post und auch die Ukrainische Prawda. Laut ersterer, sei das Schreiben, welches auf den 5. Juli datiert und von Aserbaidschan aus versandt worden sein soll, von dem investigativen Projekt "System" geleakt und inzwischen von EU-Beamten bestätigt worden.
Darin erklärt Orban, dass er bei seinen Reisen selbstverständlich nicht für die EU gesprochen habe und dass es sein Ziel gewesen sei, sowohl die russischen als auch die ukrainischen Positionen zu verstehen. Also mit einander statt nur übereinander reden: Eine der grundlegenden Regeln der Diplomatie. Aber die ist ja bekanntlich für die Transatlantiker mittlerweile prinzipiell die Ausgeburt des Bösen. Zerstört sie doch die Träume von NATO-Bodentruppen in der Ukraine.
Putin hält an Instanbuler Vereinbarung fest
Weiters erläutert Orban in dem Brief, dass Putin sehr überrascht gewesen sei, dass die Ukraine angesichts von 40-50.000 Verlusten im Monat - mit steigender Tendenz - nach wie vor keinen Waffenstillstand wünscht. Zu den eigenen Verlusten habe Putin sich nicht geäußert. Allerdings stehen die Zahlen in deutlichem Gegensatz zu den offiziellen Angaben der Ukraine und des Westens.
Selenski hatte im Februar erklärt, dass bisher 31.000 ukrainische Soldaten getötet wurden. US-Berichte gingen von rund 70.000 ukrainischen Toten und 120.000 Verwundeten für das Jahr 2023 aus. Von Zahlen einmal abgesehen, hält Putin laut Orban die Instabuler Vereinbarung von 2022 "immer noch für relevant". Zudem werde in Moskau auch der "chinesisch-brasilianische Friedensplan" in Erwägung gezogen.
Offen für Waffenstillstände
Zudem sei der Kreml weiter offen dafür, den Konflikt einzufrieren und Waffenstillstände zu vereinbaren. Allerdings dürfe es ein solcher nicht erlauben, dass sich die ukrainischen Streitkräfte neu gruppieren können. Eine Sorge, die man auch auf der Gegenseite teilt. Denn auch Selenski fürchtet, dass Russland einen Waffenstillstand nutzen könnte, seine Streitkräfte neu zu formieren. Außerdem ist Putin laut Orban zuversichtlich, dass "die Zeit für die russischen Kräfte gegenüber der Ukraine günstig ist".
Und so warnt Orban davor, den Konflikt weiter in die Länge zu ziehen und nicht endlich mehr Wert auf die Diplomatie zu legen. "Die Zeit ist ein entscheidender Faktor angesichts der Intensivierung der Feindseligkeiten und des raschen Anstiegs der Opfer. Wenn wir diesen Prozess nicht stoppen, werden wir in den nächsten zwei Monaten dramatischere Verluste und militärische Entwicklungen an vorderster Front sehen als je zuvor", so Orban.
Der Ungar macht zudem auch deutlich, dass "Europa Frieden braucht", um wirtschaftlich zu prosperieren, und dass die Chancen auf Frieden sinken, "weil die diplomatischen Kanäle blockiert sind und es keinen direkten Dialog zwischen den Parteien gibt".
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